von Oliver Adam
Der Schwerpunkt der Ausgabe liegt auf den drei umfangreichen Abenteuern, die ganz unterschiedliche Epochen und Regionen abdecken.
Das erste Abenteuer „Wuchernder Wahn“ spielt im Berlin der Zwanziger Jahre und stammt aus der Feder (oder Tastatur) von Mirko Bader, der bereits an zahlreichen offiziellen Titeln mitgearbeitet hat. Die Charaktere wohnen dem Begräbnis des Mathematik-Professors Dr. Annhäuser bei, der unerwartet verstarb. Bei der Beerdigung kommt es zu einem Unfall, der Sarg kippt und der Leichnam mitsamt einer ungewöhnlichen Grabbeigabe in Form eines in Leder gebundenen Buches fällt aus dem Sarg und vor die Füße der Charaktere. Diese wären keine „Cthulhu“-Ermittler, wenn sie hier nicht tätig werden würden, und so entfaltet sich bei ihren Nachforschungen der bizarre und vielschichtige Hintergrund des Buches mit dem Titel „Sapientia Maglorum“ („Weisheit der Magier“). Beim Lesen des Buches wird nämlich der Leser (und das kann auch ein Charakter sein) vom Fluch des Buches befallen: Er wird sukzessive immer kluger und gebildeter, leidet gleichzeitig jedoch unter starken Kopfschmerzen und der Schädel verformt sich immer mehr, um all diesem Wissen Platz zu geben. Ein umfangreicher Rechercheteil, in dem das Flair der Zeit sehr schön eingefangen wird, deckt das Schicksal der Vorbesitzer auf, während die Charaktere von Lebenden Wörtern (freigewordene Passagen des Buches) sowie einer Spiegelgestalt verfolgt werden. Schließlich kommt es zu zwei stimmungsvollen Showdowns, die mehr durch Kreativität als durch Waffengewalt zu bestehen sind. Ein hervorragend ausgearbeitetes Abenteuer, das genau so wie beschrieben gespielt werden kann, gleichzeitig aber auch viele Ideen und Anregungen enthält, um in eine bestehende Kampagne eingeflochten zu werden.
„Stau zu Staub“ ist eines der besten Abenteuer des Lizenzgebers Chaosium und wurde für das Lovecraft-Country-Setting geschrieben. Als „Cthulhu“-Charakter schwant einem schon Übles, wenn das Grab eines vor Jahren verstorbenen Freundes geschändet und der Leichnam geraubt wird. So richtig düster wird es aber, wenn man zu Beginn des Abenteuers von diesem toten Freund einen Anruf erhält. Die Spuren führen schließlich zu einem verstörten Wissenschaftler, der mit den essenziellen Salzen experimentiert, um schließlich seine tote Ehefrau (die er in einer Affekthandlung selbst getötet hatte) wiederzubeleben. Dabei gehen einige der Experimente schief, sodass genug (Zombie-)Material zur Verfügung steht, um die Spieler das Fürchten zu lehren. Auch dieses Abenteuer kann sehr überzeugen, wobei hier deutlich mehr Gewicht auf Action gelegt wird und zur Abwechslung Waffen auch einmal zu etwas nützlich sind. Dieses Abenteuer eignet sich auch sehr gut für Neueinsteiger in den „Cthulhu“-Mythos.
„Connected“ von Matthias Fuchs gehört zu den Gewinnern des „Cthulhu Now“-Abenteuerwettbewerbs von Pegasus und kann ebenso vollkommen überzeugen. Als Ermittler eines FBI-Teams werden die Charaktere damit beauftragt, einen Fall von Entführung durch einen wahnsinnigen Serienmörder zu bearbeiten. Die Spur führt in eine Kleinstadt im amerikanischen Bundesstaat Arkansas, bei der einiges sehr ungewöhnlich ist und man sich des Eindrucks einer Verschwörung von Außerirdischen kaum erwehren kann. Dabei werden einige Aspekte der außerirdischen Rasse der Mi-Go näher beleuchtet, und wenn die Charaktere weit in dem Abenteuer kommen, können sie in einem spannenden Showdown auch eine ihrer baulichen Anlagen erkunden. Das Szenario greift die Besonderheiten von „Cthulhu“ in der Jetztzeit gekonnt auf und spielt sich hervorragend. Auf einem Con konnte ich das Abenteuer mit einer Gruppe aus größtenteils „Cthulhu“-Neueinsteigern testen, und die gesamte Gruppe war begeistert. Es bietet aber auch genug Tiefgang, Abwechslung und kreative Ideen, um „Cthulhu“-Veteranen zu überzeugen. Absolut empfehlenswert.
Der Artikel „Resolution Zero“ beschäftigt sich mit der Frage, was eigentlich mit den Bergen des Wahnsinns in der Gegenwart los ist. Die gleichnamige Kampagne beschreibt die Expedition an diesen spannenden Ort in den Zwanziger Jahren. Heute finden wir sie jedoch auf keinen Satellitenfotos und keinen Karten der Antarktis. Gibt es sie gar nicht oder vertuscht jemand die ganze Sache?
In der Reihe „Cthuloide Orte“ beschreibt „Bibliotheken und Recherchen in Cthulhu“ diese Stätte des Wissens. Von der Geschichte der Bibliotheken, über deren Aufbau bis hin zu zahlreichen Abenteuerideen deckt dieser Beitrag alles Wissenswerte zu dieser Lokalität ab, in der jeder „Cthulhu“-Charakter einige Stunden oder Tage seines Charakterlebens verbringt.
Zudem werden ein weiterer Teil aus der Reihe über „reale Handouts“, der letzten Teil einer Reihe zu optionalen Regeln sowie ein Interview mit den Machern der Fansite cthulhu.de präsentiert.
Fazit: Auf 132 Seiten bietet das Magazin „Cthuloide Welten #20“ eine unglaubliche Fülle an hochwertigem Material für „Cthulhu“-Spielleiter und -Spieler. Alleine die drei überzeugenden Abenteuer, die in unterschiedlichen Epochen und Regionen spielen, und sowohl Einsteiger als auch Fortgeschrittene ansprechen, würden jedes für sich gesehen den Kaufpreis von 9,95 Euro rechtfertigen. Aus diesem Grund ist das Magazin eine absolute Kaufempfehlung. Mit der Kaufentscheidung sollte man allerdings nicht allzu lange warten, da die Auflage in der Regel schnell vergriffen ist.
Cthuloide Welten 20
Offizielles Magazin für H. P. Lovecrafts Cthulhu
Frank Heller, Mirko Bader u. a.
Pegasus Press 2011
ISSN: 1610-5362
132 S., Softcover, A4, deutsch
Preis: EUR 9,95
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