von Karen Brigitta Götz
Wie gesagt, rein äußerlich schon recht schick, etwas „aggressiver“ in rötlichem Braun gehalten und die Haupt-„Person“ tritt auch schon auf, das lässt hoffen. Ergänzungen und Änderungen wurden für diesen Band von Pegasus angekündigt, etwa der Ersatz eines der Abenteuer und zusätzliche Aufnahme eines weiteren, die Bearbeitung der Zaubersprüche und der Information über die Kulte. Was ebenfalls an Neuerungen im Design auffällt, sind vermehrte und atmosphärisch gewohnt stimmige Illustrationen neben und im Textverlauf, eine rundum gelungene Sache.
Die Bearbeitung der Zauber ließ einige, die sich offenbar keiner speziellen Beliebtheit erfreuten oder sogar als mehr oder weniger unnötige „Kopie“ eines anderen Spruches existierten, verschwinden, dafür wurden nun auch in den Abenteuern vorkommende Zauber – hierbei sehr nützlich die aus der „Orient Express“-Kampagne stammenden – eingefügt, sodass das Kulturgut von so lieb gewonnenen Kulten auch nach Abschluss des jeweiligen Abenteuers ohne große „Wühlarbeit“ jederzeit wieder genutzt werden kann.
Schön wäre, gerade in Punkto „Zauber = dieser oder jener Kult“, wenn man dann auch noch das Kapitel „Kulte“ um die notwendigen Informationen erweitert hätte. Doch seien wir ehrlich, wenn man ganz akribisch alles, was an organisierten Wahnsinnigen in der lovecraftschen Welt so kreucht und fleucht und prominent einen eigenen Plot erhält, zusammenfassend niederschriebe, gäbe es wohl einen eigenen „Kultisten“-Band (na, wär doch mal eine Idee...). So erfreuen sich jedenfalls die Zauber einer Übersichtlichkeit, von der andere Spielsysteme nur träumen können – und es immer noch verzweifelt tun.
Sehr gut an dem vorliegenden Band ist, dass man so klug war, den eigentlich enorm praktischen „ewigen Kalender“ auch endlich an eine praktische Stelle zu tun, nämlich griffbereit hinten. So hat man das Lesezeichen dann sogar noch für die Abenteuer oder anderes frei. Sehr schön und gut mitgedacht als Standartwerk für „Gesamt-Cthulhu“ ist auch, dass der Kalender nun bis 2080 geht, man also auch für „Cthulhu Now“ eine nützliche Hilfe hat, von jeglichen Wahnsinn-Traum-Zeitreisen mal ganz abgesehen.
Kommen wir nun zu den neuen Abenteuern. Weggefallen ist ein eigentlich sehr schönes Abenteuer, „Nachts im Schwarzwald“, das jetzt online abrufbar sein soll, dafür wurde das ungleich längere und sehr schicke „Schwarzwaldhaus“ aufgenommen. Dieses ist in Umfang und Effekten und Atmosphäre her ungleich beeindruckender und erinnert von der Idee her an die frühen „Outer-Space“-Folgen oder Filme wie „Dorf der Verdammten“. Ein echter Gewinn und schon beim Lesen schaurig-schön, so wie wir es lieben.
Das zweite neue ist eigentlich gar keins, sondern hat den Weg aus einem vergriffenen Band – „In Labyrinthen“ – in diese Sammlung gefunden, zum einen, um die gleiche Anzahl von in Deutschand und in Amerika angesiedelten Abenteuern zu erhalten, und zum Anderen, weil es eben ein sehr gutes und stimmiges Szenario ist, das nicht nur wenigen Glückspilzen vorbehalten sein sollte, die jenen Einsteigerband noch ergattern können. Hier wurden außerdem in sehr großem Umfang Kartenmaterial und Illustrationen ergänzt und die bisherigen Handouts ebenfalls neugestaltet.
Die letzte Änderung bei den Abenteuern ist die zuerst in der „CW #6“ erschienene Erweiterung des ursprünglich etwas faden Szenarios „Kerkerwelten“, welches im Berlin der frühen 1920er angesiedelt ist. Man kommt sozusagen mit dem Zug in das unterirdische „Seelenabbild“ Berlins. Hier nun wurde der kommende reale Horror des Dritten Reiches als kurze Szenen mit Hitler oder den braunen Schergen respektive dem willigen Volk verarbeitet. Diese zusätzlichen Szenen geben diesem Abenteuer eine völlig neue und sehr beklemmende Dimension. Vor allem auch für die Spieler, die ja nicht nur ihre Charaktere sind, bekommt der gespielte und damit freiwillige Horror so eine beinahe greifbare Bedrohung. Das Abenteuer wandelte sich für mich so von einem leichten, mit etwas Surrealismus gewürzten Kabinettstück mit dem Gruselfaktor einer Geisterbahn in einen tragikomischen Albtraum. Und was werden die Charaktere erst sagen, wenn sie nach ein paar Jahren mit der „realen“ Situation des beginnenden Nationalsozialismus konfrontiert werden, nachdem sie die „Kerkerwelten“ als Einstiegsabenteuer erlebt haben?
Als letzten Punkt gibt es zu sagen, dass alle gesammelten Errata nun selbstverständlich übernommen wurden, so wurde der Kult „Orden des Schwertes von Sankt Jerome“ in seine deutsche Entsprechung „Orden vom Schwert des Heiligen Hieronymus“ umbenannt. Ebenso wurden die Zeitleisten und die Publikationsliste bis ins Jahr 2006 erweitert und im Kapitel „Hintergründe“ Material über „Cthulhu Now“ und den „Hexer von Salem“ eingefügt.
Fazit: Insgesamt ergibt der vorliegende Band ein stimmiges und befriedigendes Gesamtbild ab und so kann man das Werk natürlich nicht nur den „Frischlingen“ der Meisterriege empfehlen, sondern getrost auch denen, die den Vorgänger noch in gutem Zustand im Regal stehen haben.
Cthulhu Spielleiter-Handbuch Rev.
Grundregelwerk
Sandy Petersen, Lynn Willis et al.
Pegasus Press 2007
ISBN: 3937826955
468 S., Hardcover mit Leseband, deutsch
Preis: EUR 39,95
bei pegasus.de bestellen
bei amazon.de bestellen