Crusade

Wenn Joe Michael Straczynskis „Babylon 5“ die TV-Serie war, die nicht sterben wollte, so gilt ihr Ableger „Crusade“ wohl als die Produktion, die nicht leben durfte. Von Anfang an vom Sender geschasst, der sich immer stärker in den kreativen Produktionsprozess einmischen wollte, sah JMS irgendwann keinen anderen Ausweg, als das ambitionierte Projekt einzustampfen, bevor es überhaupt richtig beginnen konnte. Das ist zwar bemerkenswert konsequent („So oder gar nicht.“), aber liefern die 13 Episoden der Serie genügend Material für ein Quellenbuch?

von Christian Humberg

Who do you serve? And who do you trust?


Ein Ende kann ein Anfang sein: Nach Abschluss der TV-Serie „Babylon 5“ hatten die vereinten Kräfte der Sheridan’schen Armee die Schatten verdrängt und auch den irdischen Bürgerkrieg erfolgreich abgewehrt. Einer ruhmreichen Zukunft schien also nichts im Wege zu stehen. Doch Straczynski wäre nicht Straczynski, würde diesem Happy End nicht gleich der Odem der Vergänglichkeit anhaften: Die Schatten-Symphatisanten Drakh, so erzählte uns „Crusade“, ließen als Rache für den verlorenen Krieg einen tödlichen Virus auf der Erde frei, der binnen einer Fünfjahresfrist sämtliches Leben auf dem grünen Planeten auslöscht – wenn nicht schnell ein Gegenmittel gefunden wird. Dies zu finden ist die Aufgabe von Captain Matthew Gideon und dem neuen Raumschiff Excalibur, das sich in unbekannte Weltraumgegenden aufmacht und hofft, dort eine Rettung für den unter Quarantäne gestellten Heimatplaneten zu entdecken. Soweit zur groben Story...

Verbundenheit zum großen Bruder B5 stellt das vorliegende Quellenbuch von Mongoose Publishing von vorneherein voraus. „Crusade“ ist kein eigenständiges System, sondern ist Teil des erfolgreichen „Babylon 5“-Rollenspiels, dem hiermit noch eine weitere Facette hinzugefügt wird. Das gut 140-seitige Softcover gliedert sich dabei sowohl in Aufbau als auch Layout in die bestehende Reihe ein, und das völlig zu Recht.

The year is 2267. The name of the place ... could be anything.

Das Buch ist in mehrere Kapitel unterteilt, die sich erfolgreich bemühen, dem Leser die verschiedenen, in der TV-Serie angesprochenen Aspekte des Serienhintergrundes darzulegen. Bei nur 13 produzierten Episoden fällt dieser Hintergrund natürlich dürftiger aus als bei anderen Werken und geht zwangsweise auch nur auf einen Bruchteil des von JMS ursprünglich festgelegten erzählerischen Potentials der Serie ein (dazu später mehr), doch die aufgeführten Fakten sind gründlich recherchiert und lebendig dargebracht.

Nach einer Abhandlung über die „Personalities of 2267“, in der dank des Fernsehfilms „A Call to Arms“ auch John Sheridan und Michael Garibaldi auftauchen dürfen, widmet sich der Band ausführlich der „Galaxy of 2267“. In diesem Kapitel finden sich ausführliche Inhaltsangaben des genannten Fernsehfilms sowie aller 13 Serienfolgen, an die sich jeweils Zusatzinformationen für den Rollenspieler anschließen. So werden etwaige Gastcharaktere genauer beleuchtet und mit Spielwerten, Abilities und Skills versehen. Zudem weist Autor Christopher Blackmoor unter der Rubrik „Scenario and Campaign Hooks“ auf noch offene Handlungsfäden des Drehbuchs hin, an welche potentielle Rollenspielabenteuer anschließen könnten.

Im Anschluss folgt das Kapitel, bei dem den geneigten „Crusade“-Fans das Herz blutet: „The Lost Tales“. Zum Zeitpunkt der Serieneinstellung lagen bereits drei weitere Drehbücher vor, welche der Produktion nicht nur einen gehörigen Adrenalinschub verpasst, sondern auch das zentrale Thema – die Suche nach einem Heilmittel für den Drakhvirus – grundlegend geändert hätten. Diese drei Drehbücher sind hier in Form ausführlicher Inhaltsangaben nacherzählt und öffnen dem Leser die Augen für den wahren Handlungsbogen, den JMS für „Crusade“ vorgesehen hatte. Der Rollenspieler kann diese Informationen für eigene Abenteuer verwenden oder die Episoden gleich nachspielen, sollte dabei aber bedenken, dass sich das im Vorfeld festgelegte Machtgefüge des Serienuniversums danach grundlegend ändert! Hätte der Fernsehsender damals nur noch ein paar Wochen Geduld aufgebracht, „Crusade“ wäre ein Knaller geworden...

Where are you going? Anywhere I have to.

„Rules Additions“ weiten den bereits etablierten Rollenspielhintergrund des B5-Universums um die Aspekte des „Crusade“-Addons aus. Features zur Diebesgilde der Dureena Nafeel, dem Bureau of Telepathic Interrogations oder zu verschiedenen Doomsday Cults verweisen direkt auf Episoden der TV-Serie und bieten ausführlichen und solide recherchierten Hintergrund für eigene Kampagnen und Charaktere. Gleiches gilt für die „Artefacts“ des nächsten Kapitels, darunter etwa Captain Gideons mysteriöse Apocalypse Box. Der letzte Teil des Buches widmet sich dann der Excalibur selbst, sowie Technomage Galens Raumschiff.

Fazit: Mit „Crusade“ wagt sich Mongoose Publishing an das Stiefkind des „Babylon 5“-Universums und liefert einen soliden und informativen Quellenband zur kläglich gescheiterten Spinoff-Serie. Dieser orientiert sich optisch an der bereits etablierten Reihe und ist als Ergänzung zum „Babylon 5“-Rollenspiel zu sehen. Aufgrund des begrenzten Materials von nur 13 TV-Folgen und einem Fernsehfilm ist der Hintergrund für eigenständige „Crusade“-artige Kampagnen verständlicherweise eher begrenzt, wird das vorliegende Buch aber als weitere Facette des großen B5-Systems verstanden, dürfte es einem Spielleiter bei der Menge an bereits existierendem Material nicht schwer fallen, Informationslücken zu stopfen und den Handlungsbogen selbst weiterzuspinnen.

Crusade
Quellenbuch
Christopher Blackmoor
Mongoose Publishing 2005
ISBN: 1-905176-32-5
140 S., Softcover, englisch
Preis: $24,95

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