Crescent Empire

Ahoy und Salaam! “Hirkaan Ben Sharif huschte durch die engen Gassen des Basars, auf der Flucht vor der Tempelwache des Sultans. Mühsam erkletterte er eines der Hausdächer von Basra und hechtete, die Wachen dicht auf den Fersen, von Dach zu Dach...

von Dominik Cenia

 

... Auf seiner Flucht tanzte er über die Wäscheleinen der Färberinnen von Basra, die ihre Stoffe zum Trocknen in der heißen Mittagssonne aufgehangen hatten. Ein weiterer gezielter Sprung, dann landete Hirkaan sicher zwischen zahlreichen exotischen Früchten auf dem kleinen Holzkarren, der gerade dabei war, die Stadt zu verlassen. Der Händler merkte nichts von seiner zusätzlichen Ware und lenkte seinen Karren gemächlich auf die Küstenstraße nach Zafara. Hirkaan steckte sich eine der Früchte in dem Mund und kaute genüsslich, während er die kleine goldene Statue betrachtete, die er aus dem Sultanspalast erbeutet hatte..."

Diese kleine Geschichte soll nur ein Beispiel dafür sein, was einen alles in dem "7th Sea"-Quellenbuch "Crescent Empire" erwartet. Denn das Buch ist einzig und allein auf Abenteuer im orientalischen Stil ausgelegt. In vier großen Kapiteln wird des fremdartige Crescent Empire mit all seinen Sitten, Gebräuchen sowie Religionen, Kunst und Stämmen beschrieben. Dabei fällt nach dem ersten Lesen bereits auf, das hinter dem Quellenbuch weitaus mehr steckt, und mit dem orientalischen Reich eigentlich eine vollständige eigene und unabhängige Spielwelt für "7th Sea" geschaffen wurde.

Die Kultur im Crescent Empire ist klassisch/historisch orientalisch aufgebaut. Neben den gewaltigen Städten des Sultans und der Kalifen in der Küstennähe, lassen sich im Landesinneren die zahlreichen Stämme des Reiches finden. Diese sind teilweise miteinander verfeinden oder aber auch in komplizierten Bündnissen miteinander verstrickt.

Auch Konflikte mit den „Kreuzrittern“ sowie zwei ganze Kreuzzüge spielen in der aktuellen Geschichte des Reiches eine wichtige Rolle. Zwar verehren die einzelnen Stämme verschiedene Totems oder Tiergeister, aber über allem steht jedoch der „Eine großartige Schöpfer“.

Natürlich hat auch die Frau im Empire eine deutlich andere Stellung als in übrigens Reichen von Theah. Zwar gilt sie als Mutter allen Lebens, als größtes Heiligtum von Haus und Familie, trotzdem werden ihr aber deutlich weniger Rechte zugesprochen als Männern. Frauen verdienen sich eher ihren Lebensunterhalt als Haushälterinnen oder Tänzerinnen. Die meisten Männer sind Krieger oder Händler.

Natürlich bietet gerade der Handel eine großartige Plattform für neue Abenteuer für "7th Sea". Gerade die zahlreichen neuartigen Waren, Güter und Handelswege können zukünftige Helden auf aufregende Karawanentouren quer durch die Wüste leiten, verfolgt von wilden nomadischen Reiterstämmen, Sandstürmen, giften Skorpionen und wünscherfüllenden Flaschengeistern (oder so ähnlich).

All das bietet das Crescent Empire, eine Welt, wir man sie aus klassischen Filmen wie "Sindbad" oder "Sandokan" kennt. Dabei hat man sich aber doch deutlich mehr auf historische Hintergrunde als auf die mythologische Seite des Orients gestützt.

Kommen wir zum Buch selber. Insgesamt 128 Seiten Quellenmaterial mit einigen Zeichnungen, und sage und schreibe einer einzigen doppelseitigen und doch recht dürftigen Karte. Ehrlich gesagt ist mir das für die Beschreibung einer gesamten neuen "Welt" doch etwas zu wenig. Was ist mit Stadtplänen von Metropolen wie Basra oder den verwinkelten Gasse von Kulkhadir? Ach, zu den Zeichnungen sei noch gesagt, dass diese zu 90% von mehr als dürftiger beziehungsweise recht einfacher Qualität sind. Ein wenig erinnern mich die Zeichnungen ja an die Malbücher aus meiner Kindheit. Da gab es, abgesehen von ein paar schwarzen Strichen, eigentlich auch nur große weiße Flächen zum Ausmahlen. Schade, schade so was.

Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Geschichte und Beschreibungen des Landes sowie der dort lebenden Stämme. Die Stämme sind sehr zahlreich und können mit wirklich exotischen Namen auftrumpfen. Leider fragt man sich, wie man diese ganzen Namen wirklich aussprechen will, ohne dreimal nachzusehen. Abgesehen von den Stämmen wird auch ausführlich auf die Kultur des Reiches, auf Religion, Handel, Sprache und Gebräuche eingegangen. Stellenweise so detailliert, dass man den Band schon fast als realen Reiseführer in den Orient verwenden kann.

Im zweiten Kapitel werden alle wichtigen Persönlichkeiten vom Sultan bis hin zu verschiedenen säbelbeinigen Piraten mit genauen Werten dargestellt. Auch hier sind die Zeichnungen mal wieder ein Witz.

Das dritte Kapitel "Drama" beschäftigt sich mit neuen Skills, Sorcery, Backrounds, Equipments, Poisons und Advantages. Alles natürlich im schönen orientalischen Flair.

Das vierte Kapitel unterteilt sich in eine "Players Section" sowie eine "Gamemasters Section". Zum einen gibt es dort einige Gerüchte und Informationen über das Empire, die mehr aus Halbwahrheiten bestehen und dadurch die Spieler ordentlich verwirren können. Zum anderen gibt es für den Spielleiter einige neue Kreaturen, NPCs und natürlich ein kurzes Adventure, sozusagen als Einstieg in das neue Setting.

Fazit: Was bleibt noch zu sagen? Der Quellenband ist einerseits zu umfangreich, als dass man das Empire einfach so als ein übliches weiteres Reich auf Theah abtun kann. Dafür ist die Gesellschaft einfach zu vielschichtig und zu eigenständig. Das Buch zielt darauf ab, eher als dauerhaftes Setting benutzt zu werden. Mir persönlich sagt der Orient als dauerhafte Spielwelt nicht zu. Aber ab und zu ein Ausflug in das Reich der gierigen Teppichhändler kann ganz nett sein. Somit ist der Band also für Gelegenheitsspieler vielleicht etwas zu umfangreich. Und für solche, die gerne "7th Sea" dauerhafte im Orient spielen wollten, fehlt eindeutig ausführliches Kartenmaterial.


Crescent Empire
Quellenbuch
Diverse
Alderac Entertainment Group 2002
ISBN: 1887953477
128 S., Softcover, englisch
Preis: $ 24,95

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