von Chris Sesterhenn
Für die eiligen Leser möchte ich in dieser Rezension gleich mit dem Fazit beginnen: Mit dem „Codex Monstrorum“ präsentiert Ulisses Spiele eine kleine Auswahl aus dem riesigen Spektrum der Kreaturen Myranors in Form eines Reisetagebuchs. Neben sehr interessanten Geschichten gibt es Abenteuerideen und auch die Werte zu den einzelnen Wesen. Die Inhalte gehen deutlich über die normale Auflistung von Monstern und ihren spielrelevanten Werten hinaus. Aber es ist nur eine kleine Auswahl und fungiert eher als Inspirationshilfe. Unter diesem Gesichtspunkt kann ich den „Codex Monstrorum“ dennoch nur den interessierten „Myranor“-Fans empfehlen. Doch wie komme ich zu meinem Fazit?
Trockene Fakten – die äußeren Werte:
Das Quellenbuch „Codex Monstrorum“ umfasst 160 Seiten, darunter zwei Anhänge und eine Übersichtkarte. Das gesamte Layout des Werkes ist auf das Thema Schriftensammlung ausgelegt. Der Einband wird von angedeuteten Buchbeschlägen geziert, die einzelnen Seiten erinnern an Pergament, was durch den gewählten Sepia-Effekt noch deutlich verstärkt wird. Die Verarbeitung wirkt – wie von „DSA“-Produkten erwartet – solide, auch wenn sich das Papier eher ungewohnt und etwas leichter als üblich anfühlt. Dafür gibt es wieder das bei gebundenen „DSA“-Produkten übliche (und aus meiner Sicht sehr sinnvolle und empfehlenswerte) Leseband. Die Inhalte werden durch Abbildungen und Zeichnungen aufgelockert und insbesondere stimmungsgerecht unterstützt. Das Titelbild ist die einzige farbige Abbildung und wirkt für solch einen Codex eher unscheinbar. Aber die Geschmacksfrage überlasse ich dem jeweiligen Leser.
Um was geht es überhaupt? – zum Inhalt:
Jörg Raddatz und Heike Kamaris haben für den „Codex Monstrorum“ die Reiseberichte eines Großwildjägers und Naturkundlers als Grundlage gewählt. Seine Erzählungen bilden den größten Teil des Buches und bringen dem Leser jeweils die einzelnen Kreaturen näher. Auf diese sehr unterhaltsame Art werden im „Codex Monstrorum“ über 50 Wesen vorgestellt. Die Beschreibungen der Begegnungen mit einer dieser Monstrositäten umfasst durchschnittlich zwei Seiten und wird mit Hilfe einer Abbildung noch deutlich anschaulicher.
Nur bei wenigen Monstern habe ich den Namen zuvor schon einmal gehört (etwa Baumschrat oder Wendigo) oder immerhin eine konkretere Vorstellung (etwa Jaguarhai oder Maulbaum). Der überwiegende Teil ist auf die eine oder andere Art neu. So gibt es beispielsweise den niedlichen und doch gefährlichen Albschmeichler, die vierbeinige Giftschlange Kobrakan oder die titanischen Raubinsekten, auch Titanenschnitter genannt.
Im ersten Anhang (Der Codex Monstrorum als Abenteuer) werden auf zusammen gerade einmal sieben Seiten Hinweise gegeben, um die Erzählungen aus den Reiseberichten in ein Abenteuer einfließen zu lassen. Im Gegensatz zu vielen anderen Publikationen gibt es aber immerhin diesen Anhang!
Der zweite Anhang (Spielwerte) beinhaltet dann auf 24 Seiten die regelrelevanten Informationen und dürfte daher eher für Kämpfe und ähnliche Begegnungen herangezogen werden. Den Abschluss bildet noch eine Karte der Reiseroute der Expedition durch Myranor. Als (vorbildliche) Besonderheit sind auch gleich die Seitenzahlen zu den entsprechenden Abschnitten im Reisetagebuch angegeben.
Zuckerbrot und Peitsche – Pro und Contra:
Der wichtigste Punkt wird leider erst im Vorwort genannt: Der „Codex Monstrorum“ ist kein umfassendes Monsterbuch. Etwas mehr als 50 Kreaturen wären dann auch eine dürftige Sammlung. Die bisherigen „Myranor“-Quellenbücher haben das Spielfeld für Spielleiter und ihre Spielrunden bereitet und dabei versucht, die Kreativität möglichst nicht einzuschränken. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der „Codex Monstrorum“ zu sehen. Es geht nicht darum, viele Monster und ihre Werte zu präsentieren. Vielmehr soll ein Eindruck vermittelt werden, welche Arten von unterschiedlichen und phantastischen Kreaturen es in Myranor geben kann. Dieser Eindruck wird durch die gewählte Form eines Reisetagebuchs deutlich verstärkt. Zumindest meine Phantasie und Kreativität wurden angeregt.
Fazit: Wer eine umfangreiche Monstersammlung erwartet, wird mit dem „Codex Monstrorum“ eine herbe Enttäuschung erleben. Wer aber nur auf der Suche nach Inspirationen ist und sich auf die romanartige Präsentation der Kreaturen einlassen möchte, kann im „Codex Monstrorum“ zahlreiche Neuheiten entdecken und sich noch mehr Denkanstöße holen.
Randbemerkung: Die Widmung an Ernest Gary Gygax halte ich für ein vorbildliches Beispiel systemübergreifender Anerkennung.
Codex Monstrorum
Quellenbuch
Jörg Raddatz, Heike Kamaris
Ulisses Spiele 2008
ISBN: 978-3-940424-46-4
160 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 28,00
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