Classic BattleTech 6: Die Albatros-Akte

Der Name Reinhold H. Mai ist fleißigen BattleTech-Lesern schon lange ein Begriff. Seit Jahren übersetzt er die BattleTech-Romane des Heyne-Verlags und hat damit unsere Vorstellung von der Welt der MechKrieger, Hausfürsten und Clans maßgeblich mitgestaltet. 2002 verfasste er gemeinsam mit Christoph Nick ein großartiges Kompendium über die Welt des 31. Jahrhunderts. Nun hat er sich mit „Die Albatros-Akte“ auch als Romanautor versucht.

von Bernd Perplies

 

Im Jahre 2838 beherrscht der Zweite Nachfolgekrieg die Innere Sphäre. Das Lyranische Commonwealth kämpft an zwei Fronten gleichzeitig. Doch während die Aufmerksamkeit der Streitkräfte nach außen gerichtet ist, bahnt sich im Hinterland des Protektorats Donegal eine weitere Bedrohung an. Archonet Christian Delcord von Mahone ist dabei, sein Einflussgebiet auf illegitime Art und Weise zu erweitern und sich sein eigenes Reich aus den Besitztümern Haus Steiners zusammenzuerobern. Mysteriöserweise ist keine der Mechgarnisionen auf den von ihm angegriffenen Welten imstande, seine Panzerverbände aufzuhalten. Wie von Zauberhand fallen die Maschinen aus, sobald sie sich seinen Truppen nähern.

Was auch immer für eine seltsame neue Waffe Delcord einsetzt, auf keinen Fall kann ihm erlaubt werden, diese weiterhin gegen lyranische Einheiten einzusetzen. Die Folgen, sollte dieses Mech-Störsystem in die Hände eines anderen Hauses fallen, sind noch viel weniger abzusehen. Also schickt der lyranische Geheimdienst LNC ein Team aus vier Agenten in Marsch, um die Angelegenheit zu bereinigen, bevor Haus Marik oder die Draconier davon Wind bekommen.

Harald Krause, Masako Schlüter, Akim Balikçi und Antonella Sonnenschein versuchen zunächst, Delcords Truppen auf Ludwigshafen im Feld zu stoppen – doch sie scheitern und werden gefangen genommen. Mithilfe eines Kontaktmannes vom LNC gelingt es Krause und Sonnenschein, vom Planeten zu fliehen. Und während sie undercover nach Mahone reisen, um Delcord direkt zur Rechenschaft zu ziehen, lassen sich Schlüter und Balikçi vom Feind rekrutieren, um das offenbar in die Panzereinheiten des Archonets eingebaute Störsystem genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei entwickelt sich ihre Arbeit zu einem Wettlauf gegen die Zeit, denn wie es scheint, haben noch andere Geheimdienste ein Auge auf den „Albatros-Effekt“ geworfen.

An und für sich klingt die Geschichte nicht unspannend (auch wenn man aus der etablierten BattleTech-Geschichte natürlich weiß, dass kein Störsender das Zeitalter der Mechs beendet hat). Doch irgendwie vermag einen der Roman nur ganz selten wirklich zu fesseln. Das liegt meines Erachtens vor allem an Zweierlei: Zum einen verhalten sich die Charaktere auf seltsame Art und Weise banal und alltäglich. Vielleicht sind wir nur durch die literarischen Heldenfiguren eines Michael A. Stackpole verwöhnt, die zugegeben oft eher Protagonisten aus einem Drama zu sein scheinen (oder einem Hollywood-Militärschinken) als ‚echte‘ Menschen, nichtsdestoweniger irritiert es, wenn man dem Einsatz von vier Top-Agenten zu folgen versucht und diese sich durchaus albern, kindisch, verklemmt, rachsüchtig und dergleichen gebärden. Am schlimmsten finde ich diesbezüglich die Episode, in der Sonnenschein bei World Link News arbeitet und dabei in Klatsch, Tratsch und Hausintrigen versinkt wie die Titelheldin einer Daily Soap. Das mag Mai mit ironischem Blick geschrieben haben, aber es passt nicht wirklich in die tendenziell ernste Welt von BattleTech.

Zum anderen – und das hat mit Punkt eins direkt zu tun – stolpert man immer wieder über den Stil des Autors. Es mag die gute Absicht dahinterstecken, der Atmosphäre einen realistischen Touch zu geben, doch wenn sich Akim den Musikantenknochen stößt, wenn Tacheles geredet wird und jemand Krause doch bitte `nen Storch braten soll, dann ist mir das zu umgangssprachlich, und vor allem: zu zeitgenössisch, als dass es in eine Welt 800 Jahre in der Zukunft passen will. Gewisse Vokabeln und Floskeln des Alltags verwendet man einfach nicht, wenn man einen Science-Fiction schreibt.

Sehr schön ist meines Erachtens der Einblick in die in BattleTech zumeist eher stiefmütterlich behandelte Waffengattung der Panzerfahrer gelungen. Selten genug darf man mit so einem Fahrzeug unterwegs sein, hier wird dem Freud und Leid der Männer und Frauen, auf die MechPiloten von sehr weit oben herabschauen, ein ganzer Storyabschnitt gewidmet. Überhaupt versucht Mai, ein breites Spektrum abzudecken und widmet sich Mechaktionen ebenso wie Luft/Raum-Gefechten. In diesen Momenten der Action wird er besser und es kommt tatsächlich Spannung auf. Die allerdings sofort wieder den Bach heruntergeht, wenn Sonnenschein das Anwesen Delcords infiltriert und dabei von einem Agenten des Feindes im Tarnanzug verfolgt wird, der sich durch ein Kichern verrät. Hallo?!

Fazit: An und für sich möchte man FanPro ja für die Fortführung der Reihe „Classic BattleTech“ loben und preisen. Bislang konnte man sich jedoch über die Qualität der neu veröffentlichen Romane meistens streiten. (Der beste von allen scheint nach wie vor der Einstandsroman „Wahnsinn und Methode“ von Michael Diel zu sein.) „Die Albatros-Akte“ von Reinhold H. Mai ändert dies nicht. Persönlich halte ich ihn für den Schwächsten der Reihe, denn die im Prinzip spannende Prämisse eines Geräts, das BattleMechs wehrlos auf dem Schlachtfeld stehen lässt, wird durch wenig professionell wirkende Charaktere und einen Schreibstil, der mit seiner Betonung auf ‚Alltäglichem‘ und Nebensächlichem nicht richtig mit dem Universum harmonieren will, weitgehend zunichte gemacht. Es tut mir leid für Reinhold H. Mai, denn nach seiner tollen Übersetzungarbeit hätte ich ihm (und mir) einen besseres Romandebüt gewünscht.

Mit freundlicher Unterstützung von Fantasy Productions GmbH, www.fanpro.com und www.f-shop.de.


Die Albatros-Akte (Classic BattleTech-Roman Nr. 6)
Rollenspiel-Roman
Reinhold H. Mai
Fantasy Productions 2005
ISBN: 3-89064-526-7
332 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,00

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