Classic BattleTech 11: Bear-Zyklus 1: Katze unter Bären

Und wieder ein „BattleTech“-Roman aus der Feder eines deutschen Autors, von dem vorher noch nie jemand etwas gehört hat. Bei den Erfahrungen, die einem als langjähriger „BattleTech“-Leser bisher mit solchen Werken vergönnt waren, ist man mittlerweile immer etwas skeptisch und geht daher ohne besonders große Erwartungen an neue Veröffentlichungen dieser Art heran. Aber es gibt ja immer noch Zeichen und Wunder…

von Dyotron

 

Zunächst die Story, die bereits auf dem Backcover recht komplett geschildert wird: Ein frisch graduierter MechKrieger der Novakatzen wird von den Geisterbären nach einem Gefecht, bei dem er mit mehr Glück als Verstand eine herausragende Leistung erzielte, als Leibeigener genommen und schließlich in den Clan integriert. Als seine Kampfeinheit dann in der Geisterbären-Besatzungszone ankommt, muss er gegen Banditen/Söldner der Inneren Sphäre antreten, die gegen den Waffenstillstand von Tukayyid verstoßen. Das Buch endet sehr offen und im Grunde mitten in der Geschichte, was man beim ersten Teil eines ganzen Romanzyklus aber auch erwarten konnte.

Die Rahmenhandlung hört sich etwas simpel und/oder dünn an und sie ist es eigentlich auch, zumal mit den Storyelementen kein Neuland betreten wird. Die Lebensweise der Clanner, die Ausbildung in Geschkos, das Kastensystem, Positionstests, Leibeigene... alles wird gut dargestellt und beschrieben und ist für einen Neueinsteiger mit Sicherheit interessant, aber ein erfahrener „BattleTech“-Leser kennt diese Dinge bereits in- und auswendig. Es gibt zwar hier und da ein paar Abstecher in andere Bereiche, wie etwa zu den Luft-/Raumjägern oder den Geschützen auf einem Sprungschiff, und ein paar gute Storyansätze, die mehr versprechen, finden sich ebenfalls, allerdings gehen sie nicht besonders tief und werden wohl erst in den folgenden Romanen weiter ausgeführt.

Was mir dagegen fast uneingeschränkt gefällt, sind die Mechkampfszenen, besonders, weil die letzten paar „Dark Ages“- und „Classic BattleTech“-Romane in dieser Richtung nicht übermäßig viel auffahren konnten. Hier kracht und lasert es an allen Ecken und Enden und bietet eine Spannung, die man als „BattleTech“-Leser lange nicht mehr erleben durfte. Aber wie gesagt, leider mit einer großen Einschränkung: Zwei von drei Kampfszenen auf den ersten 90 Seiten des Buches sind beinahe vollständig aus den Introfilmen der Computerspiele „Mechwarrior 2“ und „Mechwarrior 2: Ghost Bears Legacy“ entnommen worden! Es gibt zwar ein paar kleine Änderungen bei den Clanzugehörigkeiten, aber ansonsten erkennt der „Mechwarrior“-Spieler sofort die Versatzstücke wieder: Ein Timber Wolf wird in einem Labyrinth aus rötlichen Felsschluchten mit einem Summoner konfrontiert, den er mit seinen PPKs aus der Luft holt, um dann, nachdem er seine MGs leergeschossen hat, von einem anderen Summoner per PPK-Kopfschuss erledigt zu werden. Später sucht ein Mad Dog in einer Eiswüste nach einem mysteriösen Radarsignal, das seine Basis geortet hat, und wird dann von einem getarnten Kodiak angegriffen, der ein Todessprungmanöver durchführt. Selbst die Funkmeldungen wurden dabei fast wörtlich übernommen („Nav-Punkte zurücksetzen!“, „Orte Wärmesignatur!“ oder „Basis, Kodiak!“). Was soll man davon halten? Fehlt Arous Brocken die nötige Kreativität, um selbst spannende Szenen zu entwickeln und muss er sich daher bei der Arbeit anderer Leute bedienen? Und hält er die „BattleTech“-Fans wirklich für dumm genug, so etwas nicht zu bemerken? Sorry, Herr Brocken, aber so nicht! Auch wenn die Kämpfe um diese kurzen Szenen herum ebenfalls gut gestaltet sind und es möglicherweise gewollt ist, dass die Fans dieses „Ausleihen“ bemerken, so hinterlässt das Ganze trotzdem einen etwas schalen Nachgeschmack, der sämtliche anderen guten Kampfszenen mit runterzieht, da man sich auch hier unwillkürlich immer fragt, ob man das nicht schon mal in einem anderen Mech-Computerspiel gesehen hat.

Ein wieder positiver Punkt für dieses Buch ist seine regelrechte... nun... „Verliebtheit“ in die BattleMech-Technik. Es wird detailliert erklärt, wie die Mechsteuerung der Geisterbären funktioniert, ebenso, über welche Sensoren ein Mech verfügt und was diese anzeigen, was in einem Mech passiert, wenn Raketen geladen werden, und weitere Dinge, bis hin zu der Konsistenz von überhitztem Mechkühlmittel. Zwar erfindet der Autor hier und da neue Konzepte (ich habe vorher zum Beispiel noch nie etwas von einem „Sturznotschalter“ gelesen oder von der „Akustikortung“), aber diese fügen sich alle logisch und glaubhaft in das „BattleTech“-Universum ein. Selbst dem erfahrenen Leser wird mal wieder eindrucksvoll vor Augen geführt, was für komplizierte Maschinen BattleMechs eigentlich sind und dies verhilft dem Roman zu einem guten Schuss Realismus, wie ich finde.

Daneben gibt es aber auch noch einen großen negativen Punkt, den ich leider ansprechen muss, und das ist die stellenweise etwas lückenhafte Konsistenz des Romans. Zwar gibt es keine groben Schnitzer, aber hier und da Kleinigkeiten, die immer mal wieder auftauchen und einem den Lesegenuss vermiesen wollen. Beispielsweise führt der Protagonist in einem Kapitel ein Scheingefecht im Manövergelände „Herz des Minotaur“ durch und zwei Kapitel später wird dann gesagt, dass er von diesem Gelände bisher nur gehört hätte. Dann wird von einem Vorgesetzten behauptet, dass der Positionstest in zwei Wochen stattfände, während das Kapitel, in dem er dann durchgeführt wird, nur drei Tage später spielt. Oder die Konfiguration eines Mechs für den Test wird beschrieben und im folgenden Kampf trägt dieser dann komischerweise noch ein paar Waffen mehr. Oder es wird angekündigt, dass der Protagonist in den Vierten Binärsternhaufen versetzt wird, und ab dem nächsten Kapitel ist es dann bis zum Ende des Romans der Fünfte. Oder der Sternhaufencommander hält zum Anlass eines Jahrestages eine Rede vor seiner Einheit, während das Kapitel dabei ein völlig anderes Datum anzeigt. Oder man findet auf einer abgelegenen Basis nur ungelernte Geschütztechniker, von denen nur ein paar höchstens mal als Astechs bei Mechreparaturen geholfen haben, während einige Seiten später plötzlich doch Techs und Astechs an den BattleMechs arbeiten. Und das ist nur eine Auswahl, wer genauer sucht, findet möglicherweise noch weitere solcher Punkte. Dazu kommt, dass die Mechnamen nicht ganz durchgängig in Englisch gehalten sind, ab und zu rutschen dem Autor ein paar deutsche Bezeichnungen mit rein, was zusammen mit den im Vergleich zu anderen Romanen moderat auftretenden Rechtschreibfehlern (hier und da fehlen sogar ganze Wortteile) einen etwas schlampigen Eindruck hinterlässt. Den guten Mechgefechten und Technikbeschreibungen tut das zwar keinen Abbruch, aber trotzdem verpassen diese Fehler der Qualität des Buches einen weiteren Dämpfer.

Ob in einem „BattleTech“-Roman eine recht detailliert beschriebene Bettszene etwas zu suchen hat, muss jeder für sich selbst entscheiden. Von der „fünften Kaste“ der Clans (neben den Kriegern, Technikern, Händlern und Wissenschaftlern) haben wir vorher auch noch nie etwas gehört. Ihre Existenz ergibt meiner Meinung nach zwar Sinn, aber trotzdem hätte der Autor diese Neuerung ruhig noch etwas ausschmücken können. So bleibt sie nur ein „Plot-Device“, um sich in bestimmten Szenen Gegner zu verschaffen.

Die zwei Karten vom Kerensky-Sternhaufen und der Geisterbären-Besatzungszone habe ich erst entdeckt, als ich etwa das erste Drittel des Buches durch hatte, denn sie befinden sich, im Gegensatz zu allen anderen „BattleTech“-Romanen, diesmal ganz am Ende bei den Begriffserklärungen.

Fazit: An der Länge dieser Rezension erkennt man, dass mir diese Publikation eine Bewertung nicht leicht macht. Zum einen gibt es genug negative Punkte, wie die lückenhafte Konsistenz, die zwei aus Computerspielen kopierten Kampfszenen und die im Grunde simple Handlung mit Standardbausteinen, die jeder „ältere“ „BattleTech“-Leser schon zu Genüge kennt. Andererseits macht es einfach Spaß, dieses Buch zu lesen, denn endlich gibt es mal wieder handfeste Action und die tief gehenden technischen Beschreibungen sind meiner Meinung nach ebenfalls hervorragend. Dies sorgt zwar nicht ganz dafür, die negativen Punkte vollständig aufzuwerten, lässt mich den Roman aber trotzdem in guter Erinnerung behalten. Alles in allem ist „Katze unter Bären“ daher ein durchaus lesenswertes Buch, zwar mit einigen Ecken und Kanten, aber auch vielen guten Seiten. Ich freue mich ehrlich auf die nächsten Bücher des „Bear-Zyklus“ und wenn der Autor ein wenig sorgfältiger arbeitet und seine Aussagen und Geschehnisse etwas besser durchkoppelt, bleiben für den Fan echt keine Wünsche mehr offen!


Classic BattleTech 11: Bear-Zyklus 1: Katze unter Bären
Rollenspiel-Roman
Arous Brocken
Fantasy Productions 2006
ISBN: 3-89064-490-2
347 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,00

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