Classic BattleTech 10: Früchte voll Bitterkeit

In der Liga Freier Welten kommt es zu einem Putschversuch: Auf dem Planeten Tamarind bringen religiöse Fanatiker die Kaserne und den Funksender von Tamarind-City in ihre Gewalt. Ihr Ziel: über die Entführung eines Mitglieds des Hauses Marik politische Anerkennung für ihre Gemeinschaft zu erhalten. Doch eine Gruppe abgehalfterter Offiziere stellt sich, gemeinsam mit einer Bande jugendlicher Mechfreunde, den Terroristen in den Weg.

von Jakob Schwarz

 

Hermann Ritter und Erik Schreiber haben mit ihrem "Classic BattleTech"-Romandebüt "Früchte voll Bitterkeit" gleich eine BT-Geschichte verfasst, wie sie mir so noch nicht untergekommen ist. Zum einen treten praktisch keine BattleMechs auf – sieht man von einem Simulatorgefecht, einem Erinnerungsfragment und, nun gut, einem sehr lakonisch erzählten, fünfminütigen Scharmünzel gegen Ende ab. In dieser Hinsicht könnte die Geschichte auch in jedem anderen Sci-Fi-Universum spielen, zumal, abgesehen von der gelegentlichen Erwähnung des Namens Marik und den Handvoll Einblicken ins Arbeitszimmer des Captain-General (die frühere Bezeichnung "Generalhauptmann" fand ich irgendwie besser), kaum Wiedererkennungswerte geboten werden. Politik und Militär, die zwei Grundpfeiler des "BattleTech"-Universums spielen eine vergleichsweise geringe Rolle – stattdessen stehen der kleine Mann und sein alltägliches Dasein im Vordergrund.

Womit wir "zum anderen" kämen. Zum anderen habe ich selten eine so gelungene Beschreibung absoluter Tristesse in einem "BattleTech"-Roman gelesen. Normalerweise widmen sich die Autoren nur am Rande der Lebenswirklichkeit im 31., 32. oder hier 27. Jahrhundert. Orte und Städte sind dazu da, von Invasoren, Marodeuren oder Verteidigern mehr oder weniger absichtlich in Schutt und Asche gelegt zu werden. In der vorliegenden Geschichte steht das normale Leben in der Zukunft im Mittelpunkt. Und dieses Leben scheint – zumindest in der Liga Freier Welten – ziemlich grau und öder zu sein. Dem Anschein nach stark an Realitäten des heutigen Ostblocks angelehnt, zeichnen die beiden Autoren das Bild einer nass-kalten, verregneten Welt voll überfüllter Rohrbahnen, graffitibeschmierter Wände, aufgegebener Industriegebiete, korrupter Behörden und nachlässiger Soldaten – und dabei soll das Klima auf Tamarind noch angenehm sein (wenngleich der Planet an sich schon als ziemlich hinterwäldlerisch bezeichnet wird).

Während die beiden letzten Aspekte – der weitgehende Verzicht auf BattleMechs und die Konzentration auf "das ganz normale Leben" – je nach persönlichen Vorlieben und Ansprüchen positiv oder negativ bewertet werden können, muss man den Autoren doch dramaturgisch die eine oder andere Schwäche attestierten. Während sie sich zu Beginn, wenn die Attentäter Tamarind-City ins Chaos stürzen, stark auf kurze Abschnitte verlassen, die eine Vielzahl an Perspektiven auf die Ereignisse präsentieren und somit auf atemlose Spannung abzielen, hängt das Buch im Mittelteil ziemlich durch. Die Planung der Widerständler gegen die Terroristen nimmt unglaublich viel Zeit in Anspruch und schon Hundert Seiten vor Ende kann man sich ausmalen, wie das Ganze wohl ablaufen und ausgehen wird – überraschende Wendungen gibt es nicht wirklich. Der Schluss schließlich kommt dann, nach einem recht kurzen Gefecht, so versöhnlich, rund und lieb daher, als hätte man soeben einen Jugendroman der Reihe "Fünf Freunde" gelesen (okay, in diesem Fall "Fünf BattleMech-Freunde") und keine Geschichte aus einem der kriegerischsten und härtesten Serien-Universen überhaupt.

Durchaus gelungen sind indes die zahlreichen, oft ironisch angehauchten Kapitelüberschriften und auch die Zitate, die den Kapiteln vorangestellt sind und über mehrere Jahrhunderte hinweg und aus verschiedensten Quellen Haus Marik und die Liga Freier Welten beleuchten. Der Glossar ist diesmal speziell auf den Inhalt des Romans zugeschnitten und weist sogar vereinzelte Illustrationen auf – womit er zum Vorbild für sowohl die meisten anderen FanPro- als auch die Heyne-Bände dienen kann, die sich leider zumeist aus Standardeinträgen zusammensetzen. Das Titelbild von Swen Papenbrock zeigt einen (ge)wichtigen Akteur des Romans in einer Szene, in der sich die Autoren zugleich einen veritablen inhaltlichen Fauxpas geleistet haben – ich sage nur so viel: Piloten können nicht einfach ausgetauscht werden, ohne dass der Neurohelm neu kalibriert wurde. #

Fazit: "Früchte voll Bitterkeit" ist – obwohl in der Reihe "Classic BattleTech" erschienen – keineswegs ein klassischer "BattleTech"-Roman. BattleMechs spielen kaum eine Rolle, stattdessen erfährt man von der (mitunter sehr alltäglichen) Müh und Not einer Gruppe abgehalfterter Offiziere und jugendlicher Mechfans, die ihre Heimatstadt Tamarind-City gegen religiöse Fanatiker verteidigen wollen. Die graue Lebenswirklichkeit auf Tamarind wird dabei ausgesprochen detailfreudig beschrieben, der Spannungsbogen bleibt hierbei leider etwas auf der Strecke. Ein etwas anderer "BattleTech"-Roman, für den man, um nicht enttäuscht zu sein, ein gutes Stück Toleranz gegenüber Abweichungen von den sonst im Mittelpunkt stehenden Themen mitbringen sollte.

Mit freundlicher Unterstützung von Fantasy Productions GmbH, www.fanpro.com und www.f-shop.de.


Früchte voll Bitterkeit (Classic BattleTech-Roman Nr. 10)
Rollenspiel-Roman
Hermann Ritter, Erik Schreiber
Fantasy Productions 2006
ISBN: 3-89064-458-9
315 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 9,00

bei amazon.de bestellen