von Bernd Perplies
Kopfgeldjäger gehören zu dem klassischen Übel, von dem man mit Fug und Recht sagen kann: Man kann nicht mit ihnen leben, aber man kann auch nicht ohne sie leben. Entsprechend war ein eigener Quellenband zu diesem vielleicht aufregendsten und vielseitigsten aller denkbaren Charakter-Berufe (neben Geheimagent) dringend an der Zeit.
96 Seiten stark, im Hardcover und in Vollfarbe schließt das Buch vom Design her an alle Stärken und Schwächen der „Babylon 5 Second Edition“-Reihe an. Das Inhaltsverzeichnis ist relativ knapp ausgefallen und ein Index fehlt. Dafür ist der innere Aufbau sehr übersichtlich und eigentlich findet man alle Informationen in kürzester Zeit. Zahlreiche Bilder aus der TV-Serie lockern den zweispaltigen Fließtext auf, wobei die Farbigkeit, der Kontrast und die Schärfe diesmal recht gut gelungen sind. Einzig der breite Zierrahmen an zwei der vier Bildkanten stört irgendwie und leider wurden diverse Motive mal gestaucht, mal in die Breite gezogen, um dem 16:9-Format zu genügen. Das sieht mitunter etwas seltsam aus.
Inhaltlich bleiben eigentlich keine Wünsche offen. Das sehr lange erste Kapitel „Bounty Hunter – The Profession“ gibt einen Einblick in den aktuellen Stand der Dinge. Zunächst werden die vier Berufsklassen, in die sich die Profession Bounty Hunter grob unterteilt, vorgestellt, als da wären die Aquisition Agents, die als Allround-Genies für Geld alles und jeden wiederbeschaffen, die Legal Enforcers, die sich zumeist einer bestimmten Regierung verpflichten, die Finders, deren Spezialisierung im Auffinden von verlorenen oder gestohlenen Objekten besteht, und die Manhunters, für die nur lebende Ziele in Frage kommen.
Die Beziehung zwischen den einzelnen Regierungen respektive Völkern und Kopfgeldjägern wird im Folgenden beleuchtet. So ist nachzulesen, dass Jäger bei den Brakiri und den Drazi einen recht guten Stand haben, dass die Minbari sie mit religiöser Ignoranz strafen und dass man im Raum der Abbai, der Gaim und der Vree höllisch aufpassen muss, auf wen man die Waffe richtet, wenn man sich nicht furchtbaren Ärger einhandeln will.
Immer wieder wird das „Huntsmen’s Listing Network“ erwähnt, eine virtuelle Plattform, die dazu dient, Klienten und Jäger zusammenzuführen. Wer einen Fuß in die Tür der Industrie bekommen möchte, braucht hier einen Account, und der Erfolg eines Jägers bemisst sich an dem Portfolio, dass er beim HLN listet. Auf Spielebene ist das Netzwerk ein hervorragendes Werkzeug für den Spielleiter, um die Charaktere in neue Abenteuer zu verwickeln. Gleichzeitig bietet es mit dem Upgrade von Accounts über diverse Stufen hinweg direkte Anreize und Erfolgserlebnisse.
Die sechs ungeschriebenen Gesetze der Industrie schließen das höchst informative Kapitel ab, in dessen „Anhang“ sich noch ein Lexikon mit Slangausdrücken sowie vier Muster für Suchaufträge befinden.
„Joining the Hunt“ ist das zweite Kapitel überschrieben, das als Leitfaden für angehenden Kopfgeldjäger gedacht ist. Man mag auf den ersten Blick lächeln, wenn man von einem „Bounty Hunter Personality Exam“ liest, das einem zeigen soll, ob man für den Job geschaffen ist, oder vom Anheuern von Testzielobjekten zum Üben der eigenen Fähigkeiten. Aber die Kopfgeldjagd bei „Babylon 5“ ist mittlerweile ein ernst zu nehmender Wirtschaftszweig und das spiegelt sich auch in Ausbildung, Auftreten und Vernetzung seiner Repräsentanten wider.
Denn wer glaubt, es reiche, eine große Waffe im Gürtel und ein schnelles Schiff unterm Hintern zu haben, der ist schief gewickelt. In einem Universum wie „Star Wars“ mag dieser Typ rauer, gesetzloser Mietjäger noch existieren. Bei „Babylon 5“ gehören diese Burschen indes zum alten Eisen und werden von den Professionals, die im Anzug auftreten, weit gespannte Informantennetzwerke besitzen und auf den Einsatz modernster Überwachungstechnologie setzen, rigoros verdrängt
Entsprechend bietet das Kapitel weiterhin Informationen zur Rechtsprechung in verschiedenen Sternenreichen und zu Ausbildungsstätten für angehende Jäger. Es gibt Tipps, was man beim ersten Kontrakt und den dazugehörigen Vertragsverhandlungen beachten sollte. Und es führt die Vor- und Nachteile der Mitgliedschaft in einer „Hunting Firm“, einer Kopfgeldjäger-Gesellschaft, auf. Zu guter Letzt werden zehn Methoden, Informationen zu gewinnen, vorgestellt – von Bestechung über Hacken bis hin zur Telepathie.
Das dritte Kapitel ist ein kleines Kuriosum, denn es enthält unter der Überschrift „Be A Successful Hunter“ eine Reihe Interviews und Artikel aus dem HLN, die danach jeweils auf ihren Informationsgehalt für angehende Jäger hin analysiert werden. So lernen wir von Hubris Lysander, wie man mit Cleverness eine scheinbare Niederlage noch in einen Sieg verwandelt, wir erfahren von Colin Archer, dass ein Jäger irgendwie immer bei der Arbeit ist, wir bekommen Tipps für die richtige Geschäftsgarderobe (und, nein, damit sind nicht Panzerweste und Patronengurt gemeint!) und zahlreiche Infoschnipsel mehr. Das Kapitel hat einen auffallend belehrenden Unterton und dürfte die meisten Spieler belustigen, aber es zeigt einmal mehr, dass Kopfgeldjäger bei „Babylon 5“ wirklich Businessmen sind und nicht einfach Schlägertypen mit Lizenz zum Töten.
Der zweite Teil des Buchs enthält dann die „standardisierten“ Kapitel eines „d20“-Quellenbuchs. In „Tools of Target Aquisition“ wird die Ausrüstung für den erfolgreichen Kopfgeldjäger aufgeführt. Kleidung, Waffen, Überwachungselektronik, Drogen, Raumschiff-Upgrades und mehr werden hier je kurz beschrieben und in Tabellen mit Preisen und Werten zusammengefasst. „Talents of Bounty Hunting“ bietet Hinweise zum gezielten Einsatz von Skills, führt drei neue Space Combat Orders auf und eine Reihe neuer Feats, die sich für einen Jäger anbieten. Den Abschluss bilden drei schicke Prestige Classes („The Corporate Headhunter“, „The Hitman“, „The Intel Liaison“), die ausnahmsweise tatsächlich eine logische und sinnvolle Fortentwicklung aus den vier Grund-Berufsklassen darstellen.
„Best of the Best“ stellt uns zum Abschluss des Buchs sechs Oberklassespieler der Kopfgeldjäger-Industrie vor. Jeder Eintrag besteht aus einem vollständigen Werteblock, einer Beschreibung des NSCs, Tipps für den Einsatz im Rollenspiel sowie zwei Abenteuerideen.
Fazit: Bravo, Mr. Bryan Steele. Von Mängeln, die so unbedeutend sind, dass sie mir schon jetzt, beim Schreiben der Rezension, nicht mehr einfallen wollen, abgesehen, ist das Quellenbuch „Bounty Hunter“ wirklich eine runde Sache geworden. Was mir daran besonders gefällt, ist zweierlei: 1) Wenn man sich für Kopfgeldjäger in seiner Kampagne nicht interessiert, kann man das Buch einfach ignorieren und verpasst absolut nichts. 2) Wenn man aber seine Spieler in eine entsprechende Richtung lenken möchte, dann bietet dieses Buch wirklich eine Fülle von Informationen, Tipps und Ideen für einen Einstieg in eine Profession, die weitaus mehr bietet, als nur Männer in Stiefeln und mit Blastergewehren in der Hand. Wir sehen uns im HLN!
Bounty Hunter
Quellenbuch
Bryan Steele
Mongoose Publishing 2006
ISBN: 1-905471-80-7
96 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 24,95
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