BattleTech Einsteigerbox

Wenige Spiele-Universen haben solch eine bewegte Geschichte hinter sich, wie „BattleTech“. Neben großen Erfolgen, die das Franchise seit 1984 am Leben erhalten, begleiteten Pleiten, Pech und Pannen die Produktionshistorie um die zwölf Meter hohen Kampfmaschinen der 4. Jahrtausends. Das galt auch für Deutschland, wo bereits um die Jahrtausendwende Schluss mit übersetztem Spielmaterial war – 2008 stiegen dann Heyne und FanPro aus dem Romangeschäft aus. Doch jetzt soll alles gut wieder gut werden! Ulisses Spiele hat sich alle Rechte von Catalyst Games gesichert, und mit der „BattleTech Einsteigerbox“ starten die Mechs hierzulande neu durch.

von Bernd Perplies

Worum geht’s eigentlich – ein Überblick für Neueinsteiger

„BattleTech“ – je nach Spiel-Ära im Jahr 2570, 3025, 3050, 3067 oder 3130 angesiedelt – ist ein taktisches Miniaturenbrettspiel in einem von ständigen Intrigenspielen und Kriegen heimgesuchten Military-SF-Setting. Die Menschheit hat sich im All ausgebreitet, und im Laufe der Zeit haben fünf große Häuser – Steiner, Kurita, Davion, Liao und Marik – die Kontrolle über die sogenannte Innere Sphäre unter sich aufgeteilt. Ständig brennt es irgendwo zwischen den Hausfürsten, die ihre Zwiste nicht nur mit Infanterie, Panzern und Luft/Raumjägern austragen, sondern vor allem mithilfe der Könige des Schlachtfelds, den BattleMechs, ein Dutzend Meter hohen Kampfmaschinen aus 20 bis 100 Tonnen Stahlskelett, Panzerung und Vernichtungswaffen, die von tolldreisten menschlichen Piloten gesteuert werden.

Als Spieler übernimmt man den Befehl über dieses militärische Arsenal und tritt entweder in reinen Duellen gegeneinander an oder aber in Szenarien unterschiedlicher Komplexität. „Komplexität“ ist übrigens ein nicht zu unterschätzendes Stichwort in diesem System. Auf Englisch gibt es mittlerweile vier schwere Hardcoverbände, die praktisch nur aus Regeln bestehen (den fünften Band, der das begleitende Rollenspiel enthält, nicht eingerechnet). Ausgehend vom Mann-gegen-Mann-Kampf zwischen zwei BattleMechs erweitern diese die Möglichkeiten der Kontrahenten in fast unvorstellbarer Weise. Infanterie, unterstützende Waffen, Häuserkampf, Landungsoperationen, Mechkonstruktion, experimentelle Waffensysteme, Raumschlachten und sogar interstellare Kriegszüge: All das und mehr können Spieler ihrem „BattleTech“-Erleben hinzufügen, wenn sie es gerne etwas anspruchsvoller mögen.

Mit der Einsteigerbox spielen


Doch bevor die „Generation Playstation“ jetzt schreiend die Flucht ergreift: Man muss diesen ganzen Kram nicht kennen oder verwenden. Man kann auch mit viel, viel weniger Einsatz das, was „BattleTech“ ausmacht, erleben und seinen Spaß damit haben. Die „Einsteigerbox“ steigt in der Tat deutlich bescheidener ein. Verwendet wird die Technologie der 3030er (also vor der Clan-Invasion und ihren ganzen neuen Waffensystemen), und im Zentrum stehen kleine Mech-Scharmützel.

Wer ganz schnell einsteigen will, nimmt sich die zwei doppelseitig bedruckten Spielpläne aus stabiler Pappe, die 12-seitigen Schnellstartregeln, kopiert sich zwei der fertig ausgefüllten Mechdatenbögen und holt die passenden Plastikminiaturen aus der Schachtel (24 Stück gibt es). Damit ist man binnen weniger Minuten bereit, eine Partie zu starten.

Diese läuft dann in Runden zu je sechs Phasen ab. In der Initiativphase ermitteln die Mitspieler per Würfelwurf, wer die Initiative hat, wobei der Verlierer seine Mechs zuerst bewegen muss. Das geschieht dann in der Bewegungsphase, in der sich die Kampfmaschinen gemäß ihrer Bewegungspunkte (meist zwischen 4 und 9) gehend, rennend oder springend über das aus sechseckigen Hex-Feldern bestehende Spielbrett bewegen. Landschaftsmerkmale wie Wälder, Felsen, unwegsames Terrain oder Seen beeinflussen dabei die Bewegung. In der Waffeneinsatzphase wird scharf geschossen. Entfernung, Bewegung, der Pilotenwert des Mechpiloten sowie Hindernisse beeinflussen den Trefferwurf, der erreicht werden muss. Zu beachten ist auch, dass unterschiedliche Waffen (vom Maschinengewehr über den Laser bis zu Langstreckenraketen) verschiedene Reichweiten haben. Der schlaue Taktiker platziert seine Mechs daher immer so, dass er seine Waffen am effektivsten abfeuern kann. Bei einem Treffer wird Schaden fällig, der von der Panzerung und danach der internen Struktur des Getroffenen abgezogen wird – bis irgendwann ein Kontrahent zerstört ist.

Dieser Schaden kann in der Nahkampfphase durch Schläge und Tritte noch erhöht werden, danach muss in der Hitzephase überprüft werden, ob man sich bei all seinen Aktionen nicht überhitzt hat. Jeder Mech hat eine gewisse Anzahl Wärmetauscher, und Rennen, Laser abfeuern usw. erzeugt massig Hitze. Bei ganz schlimmen Hitzestaus kann es sogar zu Beeinträchtigungen des Piloten kommen, zu Maschinenproblemen, Munitionsexplosionen und letztlich der Reaktorschmelze. Das sollte man vermeiden. Die Endphase ist für einige Zusatzaktionen reserviert, wie etwa Würfelwürfe, um einen bewusstlosen Piloten wieder zu wecken.

Wer dann etwas tiefer in die Materie einsteigen will, nimmt das 76-seitige Einsteigerregelbuch zur Hand, das ein paar zusätzliche Manöver ermöglich, Szenarien enthält und Mech-Konstruktionsregeln für eigene Maschinen anbietet. Außerdem wird – sehr rudimentär – der Einsatz von Fahrzeugen und Infanterie beschrieben. Das 40-seitige Hintergrundbuch „Die Innere Sphäre auf einen Blick“ wie auch ein großformatiges Poster der Inneren Sphäre nehmen einen dann auf eine Reise in die Welt hinter den Spielregeln mit. Ein 16-seitiges Heft mit Bemalanleitungen und Taktiktipps richtet sich schließlich an die Spieler, die auch das letzte Quäntchen Spielspaß aus der Box herauskitzeln wollen.

Ein kleiner Vergleich – für Veteranen

„BattleTech“-Veteranen werden sich nach dem bislang Gelesenen natürlich fragen: Lohnt sich die Box für mich eigentlich auch? Schließlich ist es schon die vierte Basisbox (wenn mich nicht alles täuscht), die auf Deutsch erscheint – in Englisch gibt es sogar noch mehr. Grundsätzlich kann man sagen: Auf diesem Einsteigerniveau haben sich die Regeln in den letzten 27 Jahren kaum verändert. Theoretisch könnte man auch noch mit der „BattleTech“-Box von 1987 und einem kleinen Errata-Dokument spielen. Aber das wäre dann vielleicht doch etwas retro.

Realistischer ist das das Spiel mit der „Classic BattleTech“-Box von 2004, die FanPro zusammen mit WizKids und Pegasus Spiele herausbrachte. Tatsächlich kommt einem vieles, was dort schon auf Deutsch übersetzt wurde, hier wieder unter. Ein kleiner Vergleich der Boxen mag bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein, ob die 25-Jahr-Jubiläumsbox (die bei uns 2 Jahre verspätet erscheint, aber dafür haarscharf vor dem 25-jährigen Jubiläum „BattleTech in Deutschland“) einen erneuten Kauf wert ist.

Einige Gemeinsamkeiten der beiden Boxen fallen sofort ins Auge. So sind die Schnellstartregeln praktisch identisch, auch die Datenbögen kommen eigentlich gleich daher. In der vorliegenden Box wurden sie um zwei Panzer in je zwei Varianten sowie um Bögen für Bodentruppen erweitert. Dafür gibt es aber keine Miniaturen. Früher waren die Bögen alphabetisch nach Mechname sortiert, hier werden sie nach Tonnage aufgeführt – einerlei.

Schöner an der vorliegenden Box sind die Spielpläne, denn es gibt derer vier, statt nur zwei – wenn sie auch etwas kleiner und zum Teil etwas unscharf gedruckt sind –, und sie liegen in stabiler Pappe vor. Außerdem sind die Mechfiguren als Plastikminiaturen beigelegt, statt Pappkameraden zu sein. Die Gussqualität ist zwar nicht die Beste, aber trotzdem sehen die Miniaturen beim Spielen etwas schöner aus als Pappmarker. Die Karte der Inneren Sphäre wurde auf besseres Papier gedruckt, allerdings vermisst man oben die Jahreszahl der „Drucklegung“ (3067). Das Zusatzbuch „Die Innere Sphäre auf einen Blick“ entspricht bis Seite 40 praktisch dem Vorgängerwerk. Die Kurzgeschichten sind neu und etwas länger, die Kartenabbildungen wurden leicht aktualisiert, dafür ist das Layout etwas hässlicher geworden – so sind etwa die Mechillustrationen hier kleiner, dafür aber in hässlich dicken Rahmen. Ab Seite 40 folgen dann noch kurze Infos über den Ablauf einer planetaren Invasion sowie ein Überblick über Missionstypen. Insgesamt sind knapp 4 Seiten Text hinzugekommen. Gänzlich neu sind die Bemalanleitung samt Taktiktipps und die praktische Kampftabellenübersicht.

Das größte Manko für Spieler, die nicht nur auf Einsteigerniveau zocken wollen, ist das deutlich abgespeckte Regelwerk. Während in der alten Box noch ein 184-seitiges Regelwerk beigelegt war, findet sich hier nur noch ein 76-seitiges Einsteigerwerk. Es fehlen: Regeln zu Gebäudekampf, Protomechs, Kampfanzügen, Artillerie, Bränden, Flak, Minenfeldern – im Grunde fast alle Zusatzregeln über den einfachen Mechkampf hinaus. Statt Szenario-Regeln werden fünf fertige Szenarien angeboten. Die Mech-Konstruktionsregeln wurden von 30 auf 10 Seiten gekürzt. Regeln für Kosten und BattleValue-Berechnung fehlen, ebenso ein Index. Dafür hängt am Ende ein Glossar an. Natürlich muss man an dieser Stelle bedenken, dass die neue Einsteigerbox sich in eine Produktlinie einfügt, die durch mehrere schwere Hardcover-Regelbände erweitert und komplettiert wird. Das war zu Zeiten der 2004er-Box noch nicht der Fall.

Fazit: Die neue „BattleTech“-Einsteigerbox mag hier und da noch einige Macken haben, die vor allem herstellungstechnischer Natur sind (Gussqualität der Mechs, Bildschärfe der Spielpläne, etc.), aber unterm Strich liegt hier ein schönes Rundumpaket vor, das gerade Anfänger mit viel Material in die fantastische Welt von „BattleTech“ einführt. Veteranen müssen in meinen Augen nicht unbedingt zuschlagen, sondern können ruhig auf die Übersetzung des aktuell definitiven Regelbuchs „Total Warfare“ warten. Doch dessen ungeachtet wünsche ich der Box viel Erfolg. Allein der Versuch, „BattleTech“ wieder für deutsche Spieler verfügbar zu machen, ist lobenswert und gehört unterstützt!


BattleTech Einsteigerbox
Brettspiel für 2 oder mehr Spieler
Jordan K. Weisman, L. Ross Babcock III, Sam Lewis, Randall N. Bills
Ulisses Spiele 2011
ISBN: 978-3-86889-185-0
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,95

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