von Michael Wilhelm
350 Jahre in der Zukunft hat die Menschheit nicht nur mit überlichtschnellen Schiffen den interstellaren Raum erobert und kolonisiert, sondern auch in der eigens gegründeten Galaktischen Republik zahlreiche mehr oder weniger willige Alien-Rassen einverleibt. Im Basis-Spiel finden sich tentakelbewährte Tentacs, die kakerlakenähnlichen Zoallacs, die auf Silizium-Basis lebenden Silicoids, sechsarmige Xeloxians und die noch fremdartigeren Canosians. Das ist jedoch nur der Anfang. In den Erweiterungen finden sich nämlich noch viel merkwürdigere Viecher.
In den Weiten des Alls ist jedoch nicht alles friedlich. Einige der Aliens sind von der gigantischen Maschinerie der Galaktischen Republik genervt und sammeln sich in einer Rebellion. Ein intergalaktischer Bürgerkrieg dämmert. (So heißt dann auch die erste Erweiterung „Galactic Civil War“.) Nur befinden sich die Helden hier nicht auf der Seite der Rebellion, um gegen ein böses Imperium und dessen finstere Schergen zu kämpfen, sondern sind selbst auf der Gehaltsliste der Galaktischen Bürokratie. Allgemein ist die Atmosphäre des Settings eher ein bisschen bunter und knalliger, als man es sonst gewohnt ist. „Battlestations“ ist bunte, peppige Space Opera mit einer Menge Ironie. Schon das Regelbuch liest sich humorvoll und unterhaltsam, dafür wird keinerlei Kapazität an Realismus und physikalische Erklärungsversuche verschwendet. Auch aus den Illustrationen des Regelbuchs kommt ständiges Augenzwinkern daher. Man merkt, dass die Brüder Siadek viel Spaß bei der Arbeit und der Schöpfung dieser Welt hatten.
„Battlestations“ präsentiert sich schon beim ersten Öffnen der prall gefüllten Box von seiner besten Seite. Ein 112-seitiges Regelbuch stellt das Herzstück des Spieles dar. 48 vorgestanzte Raumschiff-Module, 8 farbige Hex-Karten mit umseitigen Raumschiff-Datenbögen und Hunderte von Countern und zusammenfaltbaren Helden-Figürchen erfordern auch ein wenig Bastelgeschick. Dazu lassen noch 10 bunte Glas Marker und 6 Würfel das Spielerherz höher schlagen. Außerdem sind hübsch anzusehende Zinnminiaturen von Helden in praktischen 4er- und 5er-Packs erhältlich, sodass auf einen Schlag eine komplette Tentakel- oder Kakerlaken-Crew in dreidimensionaler Pracht den Weltraum (un)sicher machen kann.
Die Spieler schlüpfen in die Rolle einer Raumschiffbesatzung, die im Auftrag der Republik gefährliche Missionen in den Weiten des Alls erfüllt. Die Möglichkeiten an Missionen sind dabei so unendlich wie das Weltall. Prinzipiell ist für das Spiel immer ein Spielleiter vorgesehen, sodass ab einem zusätzlichen Spieler gespielt werden kann. Sinnvollerweise sollte eine Raumschiff-Crew aus Pilot, Engineer, Marine und Scientist bestehen. Sind aber nicht genug Spieler vorhanden, können die fehlenden Positionen durch Bots, programmierte Roboter, die auf Kommandos der Spieler reagieren, ersetzt werden. Eine ideale Besetzung wäre also ein Spielleiter plus vier Spieler, natürlich können aber auch zwei Raumschiffbesatzungen mit- und gegeneinander spielen.
Die innovativste Eigenschaft des Spiels besteht nicht in der Tatsache, dass „Battlestations“ eine Mischung aus Brett- und Rollenspiel darstellt, in dem Charaktere wie im Rollenspiel sich auf einem Spielplan bewegen und agieren. Das gibt es dank „HeroQuest“ und zahlloser Klone schon seit Jahren. Nein, es sind die doppelten Spielebenen und daraus folgend die zwei Ebenen des Spielplans: einerseits der Weltraum als Hex-Karte, auf dem sich das Raumschiff bewegt und zum anderen das Innere des Schiffs, das sich aus quadratischen Modulen zusammensetzt. Dabei wird das Raumschiff so individuell zusammengestellt wie sonst nur ein Charakter im Rollenspiel. Dazu werden die Modulkarten mit Raumschiff-Teilen benötigt, die sich in der Box finden. Steuereinheit, Geschützstand, Lagerraum, Lebenserhaltungssysteme, Teleporter, Traktorstrahler und Wissenschaftseinheit sind die wichtigsten Bestandteile jedes Schiffes.
Auf diesen verteilt finden sich dann die „Battlestations“, Gefechtsstationen, auf denen jedes Crew-Mitglied im Ernstfall seinen Job zu erledigen hat. Der Pilot steuert das Schiff durch Geschützfeuer, Asteroidenschwärme und Planetenorbit, der Marine steuert die Geschütze und ist die wichtigste Abwehrlinie als Verteidiger gegen Enterkommandos, der Scientist ist nicht nur für die medizinische Versorgung der Crew zuständig, sondern auch für das Scannen feindlicher Schiffe oder des Raums, während der Engineer dafür zu sorgen hat, dass alle Schiffssysteme reibungslos laufen. Im Idealfall handeln diese vier Archetypen also in bester Symbiose zum Wohle von Crew und Schiff zusammen.
Dabei ist nicht nur im Falle des Eindringens feindlicher Kräfte (mittels Entern oder Teleporter) ins eigene Schiff von Bedeutung, in welchem Modul an welcher Stelle sich die Charaktere befinden. Beim Kampf Raumschiff gegen Raumschiff können nämlich auch die Crew-Mitglieder in Mitleidenschaft gezogen werden. So verfügt jedes Schiff nicht nur über ein Hull-Rating, das der insgesamten Stabilität des Schiffes entspricht, auch die einzelnen Module können beschädigt oder gar zerstört werden, je nachdem welches Teil des Schiffes von feindlichem Feuer oder Geschützen getroffen wird. Und das gefährdet eben auch die darin befindlichen Crew-Mitglieder.
Jederzeit muss also sowohl auf die Position aller Schiffe und anderer Objekte im Raum geachtet werden, etwa Raumstationen, Asteroiden oder Planeten, als auch auf die Position der Crew innerhalb des Schiffes. Diese doppelte Buchführung wird aber nicht nur durch einen fixierten Rundenablauf (mit bestimmten Zeitpunkten für Raumschiff- und Spielerbewegungen und -aktionen), sondern auch durch die Weltraum-Hex-Karten und die Raumschiff-Module erleichtert. Interessant ist dabei, dass bisher absolut nicht vorgesehen ist, Planeten oder andere Fixkörper im Raum zu betreten, während das Erforschen von Raumstationen oder feindlichen Schiffen dank Teleporter und Boarding Missiles (geschützartigen Enterraumschiffen) durchaus möglich ist. Diese lassen sich ja auch mit den in der Box reichhaltig vorhandenen Modulen leicht darstellen.
Über die Regeln soll hier gar nicht viel gesagt werden. Sie erfüllen absolut ihren Zweck und sind simpel genug gehalten, um im Eifer des Gefechts sich nicht mit langwieriger Rechnerei oder dem Rumgesuche in Tabellen aufhalten zu müssen. Meist genügt der Wurf zweier Würfel plus Fertigkeitswert gegen einen Schwierigkeitsgrad. Je weiter der übertroffen wird, umso erfolgreicher war die Aktion. Besondere Fähigkeiten (wie zum Beispiel die Eigenschaft, ein Spielercharakter zu sein) erlauben Wiederholungen von Würfen. Aber das war es dann meist auch schon. Selbst die Regeln für den Raumschiffkampf sind einfach und stimmig und tragen ganz wesentlich zur rasanten Abwicklung von Raumschlachten bei.
Fazit: „Battlestations“ ist ein spannender und kurzweiliger Brettspiel-Rollenspiel-Hybrid für Spieler ab 12 Jahren, der zu Beginn noch deutlich brettspiellastig erscheint, was sich aber mit den bereits erschienen Erweiterungen „Galactic Civil War“ und „Pax Galacticum“ schon ändern wird. Wir können also nicht nur auf neue Aliens, Schiff-Module und Equipment gefasst sein, sondern noch so manche andere Innovation, die uns die Abenteuer im Weltraum noch abwechslungsreicher und spannender gestalten. Beam mich hoch, Schrottie!
Battlestations
Brettspiel für 2 bis 8 Spieler
Jeff Siadek, Jason Siadek
Gorilla Games 2004
ISBN: n.a.
Box mit modularem Spielplan, Figuren, Spielmarken, Regeln, englisch
Preis: $ 59,95
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