Battlestar Galactica CCG: Betrayal

Es hat ein paar Monate gedauert, aber seit November ist sie endlich auch in diesem Sonnensystem erhältlich: die erste Erweiterung für das „Battlestar Galactica“-Sammelkartenspiel der WizKids – „Betrayal“. 165 Karten umfasst das Set, das sich vor allem mit den Geschehnissen auf Caprica nach dem ersten Angriff der Zylonen beschäftigt. Helos Flucht ist ebenso Thema, wie Starbucks Suche nach dem Pfeil des Apollo und der Entdeckung der Widerstandsbewegung auf Caprica.

von Bernd Perplies

 

Fakten, Fakten, Fakten

Das 165 Karten umfassende Set wird in Form von 15-Karten-Boostern (11 Commons/C, 3 Uncommons/UC, 1 Rare/R) verkauft, womit die WizKids nach wie vor an dem für Sammler denkbar unattraktivsten Mischungsverhältnis festhalten. Erneut existiert ein Foil-Subset, wobei die Foil-Rares dankbarerweise nicht eine normale Rare ersetzen, sondern eine Common-Card. 36 Booster sind in einem Display enthalten, Foils findet man ungefähr im Verhältnis 1:4. Als besonderes Schmankerl ist in 500 Boostern zudem eine zufällige Common-Karte durch einen Coupon ersetzt, der via Mail-In-Order gegen eine von Schauspielerin Nicki Clyne signierte „Crewman Cally“-Karte eingelöst werden kann.

Und um mit noch ein paar Zahlen zu jonglieren: „Betrayal“ enthält 6 neue Bases (6 UC), 48 Mann frisches Personal (20 C / 12 UC / 16 R), 35 Schiffe (14/11/10), 38 Events (10/15/13) und 38 Missionen (10/12/16), die bewältigt werden wollen. 16 neue Limited-Edition-Cards/LE werden darüber hinaus im Rahmen von Turnieren und Events vergeben. 43 der Karten erweitern dabei die Möglichkeiten von reinen Persuasion-Decks, mit 40 neuen Karten können Logistics-Decks arbeiten und Security-Decks werden um 41 Karten aufgestockt.

Die höchsten Mystic Values von 5 haben die drei Mission-Cards „Beyond Insane“, „Last Word“ und „Trust the Lords of Kobol“, die meisten Muskeln mit einer Power von 4 weisen der „Centurion Tracker“, die beiden „Galactica“-Raumschiffskarten, „Starbuck, Resistance Fighter“ und „William Adama, Husker“ auf. Und, last but not least, die größte Cylon-Bedrohung mit 4 stellen erneut der „Centurion Tracker“, das Quartett menschenähnlicher Zylonen „Boomer, Cylon Conspirator“, „Doral, Public Relations“, „Number Six, Temptress“ und „Simon, Cylon Scientist“ sowie die beiden Kampfschiffe „Menacing Raider“ und „Nuclear-Armed Raider“ dar.

Das Design

Zur Aufmachung von „Betrayal“ gibt es nicht viel Neues zu vermelden. Nach wie vor hat der Hut drei Ecken, äh die Karte derer acht, und nach wie vor haben die WizKids leichte Probleme mit dem Beschneiden ihrer Spielmaterialien. Leider weist fast jede Karte leicht angefressene Schnittkanten auf, was gerade Sammlern einen Schauer über den Rücken laufen lässt.

Auch die Bildmotive könnten mitunter nicht nur besser gewählt, sondern vor allem besser aufbereitet sein. Viele der Karten weisen in hellen Flächen ein leichtes Moiré-Muster auf, derweil dunkle Flächen – etwa die Weltraumbilder –nicht selten in Schwärze ertrinken oder unscharf daherkommen. Zugegeben stellt die TV-Serie mit ihrer verwackelten Handkamera und ihrem durch die Unruhe oft unscharfem Bild bei zusätzlichem Einsatz extremer Farbfilter und Kontraste ein denkbar undankbares Ausgangsmaterial dar. Dass ein halbwegs versierter Grafiker dennoch einiges aus dem Grundstoff herausholen könnte, lässt sich mit wenigen Minuten Arbeit leicht nachweisen. Ein bisschen Weichzeichnen, ein bisschen Scharfzeichnen, Mitteltöne regulieren und die Sättigung erhöhen – voilà. (Links jeweils Original, rechts Ringboten-Version.)

Im Gegenzug dazu beginne ich mich an das minimalistische Kartendesign zu gewöhnen, das irgendwie zum Retro-Charme der Serie mit seinen alten Telefonhörern, den Gitterzellen, den C-64-Style-Datenrechnern und den schweren, metallischen Inneneinrichtungen passt.

Die Karten

Inhaltlich gefällt das neue „Betrayal“-Set auf ganzer Linie. Eine nette Abweichung von der bisherigen Regel stellen beispielsweise die beiden Basen „Delphi Union High School“ und „Ragnar Anchorage“ dar, zwei Ausgangspunkte für die eigenen Truppen, die eben keine Schiffe sind. Vor allem „Ragnar Anchorage“ als höchst vielseitige Ressourcenmaschine (kein Wunder, die Raumstation ist ja auch ein Depot) wird das Herz vieler Spieler gewinnen können.

Die meisten Events drehen sich um Power-Ups, um das Zerstören oder Wiederherstellen von Karten sowie die Zugabe von Sonderfertigkeiten. Das mag auf den ersten Blick etwas einfallslos wirken, sind die Texte doch oft nur Variationen von Karten aus dem Grundset, aber im Detail lassen sich damit nette Kombos basteln. Dennoch werden in naher Zukunft gänzlich neue Spielmechanismen gefragt sein, denn die bisherigen Möglichkeiten sind letztlich doch endlich. Ein wirklich fieser Vertreter seiner Zunft ist „Discourage Pursuit“: „Exhaust target defending personnel: It is not defeated, if it loses the challenge. If the challenger wins, defeat the challenger.“

Fast alle Missionen drehen sich um das neue Keyword „Link“ oder das bestehende Keyword „Persistent“, das heißt, sie verlassen das Spiel nicht, nachdem sie gelöst wurden, sondern haben weiterhin durch bestimmte Belohnungseffekte Einfluss darauf. Damit ähneln die „Mission“-Cards jetzt noch stärker „Events“ beim „Star Trek“-CCG oder den „Conditions“ beim „LotR“-TCG. Optisch sticht vor allem die „SAM Battery“ heraus, die mit ihrem kräftigen Waldesgrün die ansonsten in gedecktem Grau, Blau, Braun oder Schwarz gehaltenen Karten blass aussehen lässt.

Das neue Personal ist eine gute Mischung aus namhaften Altstars, auf die man kaum verzichten kann (auch wenn ich persönlich keine drei neuen Versionen von „Starbuck“ und „Dr. Baltar“ benötigt hätte), sowie unverbrauchten Gesichtern, die vor allem optisch Abwechslungs ins Spiel bringen. Cylonen in Menschenform ist hier ein Stichwort, denn mit „Doral“, „Simon“ und „Loeben“ lernen wir gleich drei weitere Modelle kennen. Ansonsten treten Zivilisten, wie der Anführer der Widerstandsbewegung „Anders“ und die Priesterin „Elosha“, und Mannschaftsdienstgrade, wie Crewman „Cally“ und Master-at-Arms „Hadrian“, auf den Spieltisch, der die Welt bedeutet.

Bei den Schiffen fällt auf, dass viele der Motive sehr dunkel sind und optisch kaum was hermachen. Man merkt, dass die TV-Serie – vermutlich auch dem Budget zuliebe – wenige Detailansichten der einzelnen Flottenbestandteile bietet. Abgesehen davon sind es wieder „Colonial One“, „Astral Queen“, „Cloud 9“, Raptors, Raiders und Vipers, die man zu sehen bekommt – wobei die wirklich guten Motive bereits im Grundset dargeboten wurden. Das einzige echte Highlight stellt die „Galactica“ dar, die jetzt auch als Schiffskarte existiert und beachtliches Kampfpotenzial mitbringt.

Neue Spielmechanismen

Im Grunde bleibt das Spielprinzip von „Battlestar Galactica“ unberührt. Neue Kartentypen oder gänzlich neue Gewinnstrategien (à la „Jedi Training“ beim „Star Wars“-CCG oder „Threat Tokens“ beim „LotR“-TCG“) finden sich nicht. Dafür kommen gleich drei neue Keywords zum Einsatz, die bestehende Deckzusammenstellungen gehörig durcheinanderwirbeln dürften.

1) Link Missions

In viele Sammelkartenspielen gibt es Weapons, Equipment, Enhancements – kurz, Karten die auf das eigene Personal oder die eigenen Fahrzeuge gespielt werden, um die jeweilige Einheit mit dem gewissen Extra auszustatten, das in so mancher Konfrontation zwischen Spielerkarten entscheidend sein kann. Bei „Battlestar Galactica“ gab es bislang nur „Persistent Missions“, also Missionen, die nach ihrer Bewältigung in den Ressourcenbereich gelegt wurden und dort für einen permanenten Effekt sorgten. Mit der „Betrayal“-Erweiterung kommt ein weiterer Spielmechanismus für andauernde Vor- und Nachteile hinzu: die „Link Missions“.

Missionskarten mit dem „Link“-Attribut existieren in drei Varianten, die sich jeweils auf das Ziel beziehen, auf welches die „Link Mission“ gespielt werden darf, nachdem sie gelöst wurde. Zunächst gibt es „Link Personnel“-Karten, die auf eine Personnel-Karte gespielt werden müssen. Dabei kann man sowohl eigene als auch gegnerische Charaktere „verlinken“, was Sinn macht, bergen die „Link“-Karten doch mal einen Bonus, mal einen Malus. Analog funktionieren die „Link Ship“-Karten, die einem Raumfahrzeug zugute kommen (oder es behindern). Am flexibelsten einsetzbar sind die „Link Unit“-Karten, die sowohl auf Schiffen als auch auf Personen platziert werden können.

Allen „Link“-Karten gemein ist, dass sie nur einmal, direkt nach dem Lösen der Mission, zugeteilt werden dürfen und dann auf dem Zielobjekt verbleiben bis jenes das Spielfeld verlässt. Solange die verlinkte Einheit im Spiel ist, bleibt der Text der „Link“-Karte aktiv – selbst wenn die Einheit als „exhausted“ umgedreht wird (die „Link Mission“ wird nicht umgedreht). Wird das Zielobjekt aus irgendeinem Grund abgelegt, verschwindet auch die „Link Mission“, und zwar im Discard Pile ihres eigentlichen Besitzers.

2) Vulnerable Personnel & Ships

Auf den ersten Blick erscheint dieses Keyword als deutlicher Nachteil: „Personnel and ships can defend against this unit.“ Doch der Nutzen, der sich daraus ziehen lässt, beziehungsweise die Spielbalance einer Karte, für die es sorgt, eröffnet sich erst beim genauen Hinschauen.

„Vulnerable“ kann man als das Gegenstück zum Keyword „Scramble“ aus dem Grundset ansehen. Eine Einheit, die über die Fähigkeit „Scramble“ verfügt, kann sich sowohl gegen Personen als auch gegen Schiffe verteidigen. „Vulnerable“ bedeutet nun de facto, dass die eigene Einheit sowohl durch gegnerische Schiffe als auch Charaktere geblockt werden kann. Dafür aber ist das Cost-Power-Verhältnis besser. Wenn man also ein Deck spielt, das vor allem auf Masse baut und die Verteidigung des Gegners durch schiere Überwältigung in die Knie zwingen soll, dann ist es mitunter völlig egal, welche Art von Einheit sie zu blocken versucht.

Dennoch: So ganz scheinen die WizKids ihrer Swarm-Strategie nicht vertraut zu haben, denn außer dem „Centurion Guardian“ und dem „Raptor 312“, ist mir keine „verwundbare“ Karte in dem Set untergekommen. Die beiden allerdings können mit 2 Power für 2 Logistics ein Logistic-Deck ordentlich boosten. Der „Centurion Guardian“ fügt sich in die  „Cylon Centurion“-„Cylon Base Star“-„Cylon Missile Battery“-Kombo nahtlos ein und sorgt für eine üble Cylon-Bedrohung gleich von Runde 1 an; der „Raptor 312“ bietet sich indes vor allem als Ersatz für schwache oder teurere Raptors an, etwa den „Raptor 101“, und bewährt sich in Decks, die eine Reihe billige Schiffe benötigen, um „Raummissionen“ zu meistern, für die man bislang unrentablere Schiffe ins Deck packen musste.

3) Strafe

Das Keyword „Strafe“ bietet sowohl aggressiv als auch defensiv große Vorteile. Es steht für folgende Fähigkeit: „This unit can challenge as a personnel or a ship. Make the choice before the defender is chosen.“ Das beutet also, dass man entweder einem Verteidiger ausweichen kann, indem man sich selbst den Einheitstyp auswählt, den der Gegner nicht auf dem Tisch liegen hat, oder aber regelrecht einen Kampf aufzwingt (na ja, beziehungsweise nahelegt – der Gegner kann ja immer auf die Verteidigung verzichten), indem man eben den Einheitstyp wählt, der in der Alert Area des Feindes wartet.

Die „Sniper“ Fähigkeit passt hierzu hervorragend, denn nun kann man nicht nur in Schritt 1 via „Strafe“ den Einheitstyp wählen, mit dem man angreift, sondern in Schritt 2 auch noch festlegen, welchen Gegner genau man treffen möchte. Nur zwei Schiffe, „Raptor 719“ und „Raptor 659“, besitzen diese Fähigkeit, allerdings helfen das Event „Strafing Run“ sowie der Charakter „Apollo, Distant Son“ auch anderen Einheiten auf die Sprünge.

Fazit: Alles in allem hinterlässt „Betrayal“, die erste Erweiterung des „Battlestar Galactica“-Sammelkartenspiels, einen überwiegend positiven Eindruck. Eine Menge neuer, cooler Karten, zwei neue Keywords, hinter denen sich Sonderfertigkeiten verbergen, sowie der „Link Mission“-Spielmechanismus sorgen für Abwechslung und regen dazu an, die eigenen Spielstrategien noch einmal zu überdenken. Nur von produktionstechnischer Seite her müsste WizKids noch ein wenig an sich arbeiten: Die Qualität der Karten könnte hinsichtlich Beschnitt und Bildbearbeitung noch verbessert werden!


Battlestar Galactica CCG: Betrayal
Sammelkartenspiel-Erweiterung
Jim Long, Chuck Kallenbach u. a.
Wizkids 2006
165 Karten, englisch
Preis: $ 3,49 (Booster)

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