Battlefront

„WARS: Battlefront“ ist das erste Quellenbuch für das „WARS RPG“. Es wendet sich sowohl an Spielleiter als auch Spieler und stellt eine Art Kompendium dar, das eine Menge der Lücken schließt, die das Grundregelwerk offen gelassen hatte. Auf 160 Vollfarb-Seiten im Hardcover finden sich Hintergrundinformationen zu den Fraktionen und zum Sonnensystem, Kizen-Powers und Prestige-Classes erweitern den Regelbestand und namhafte Persönlichkeiten des Spieluniversums werden als NSC vorgestellt.

von Bernd Perplies

 

Als Regelwerk ließ das „WARS Roleplaying Game“, das ich jüngst hier besprochen habe, kaum Fragen offen. Kritik musste jedoch an den lückenhaften Informationen zu unserem Sonnensystem im Jahre 2391, in dem „WARS“ angesiedelt ist, geübt werden. Ich vermisste tiefer gehende Informationen zu den einzelnen Gruppierungen oder – das vielleicht Wichtigste überhaupt – zu den einzelnen Schauplätzen, an denen die Konflikte zwischen den Earthern, Gongen, Mavericks, Shi und Quay ausgetragen werden.

Das erste Quellenbuch „Battlefront“ (das leider, wie es aussieht, auch das einzige bleiben wird, wurde doch die „WARS“-Rollenspielreihe von Mongoose Publishing mit dem Ende des „WARS“-Sammelkartenspiels von Decipher, auf dem es basiert, auf Eis gelegt) bietet nicht alle Antworten. Wünschte man sich alle Antworten, etwa über die Gongen, so müsste es ein Quellenbuch nur über diese Fraktion geben – und für jede andere auch eins (Wunschtraum...). Stattdessen ist das vorliegende Buch ein waschechtes Kompendium. Damit geht es deutlich über die Infos aus dem Grundregelwerk hinaus und ist somit für jeden Spielleiter, der sich aller Widrigkeiten zum Trotz in diesem höchst spannenden Universum austoben will, von unschätzbarer Hilfe. Doch die Kapitelinhalte sind weit gestreut, ein Sammelsurium von Bonusmaterial, wenn man so will, dass es aus Platzgründen nicht mehr in den ersten Band geschafft hat.

Das Buch ist in eine kurze Einleitung, neun Kapitel und einen Index unterteilt, wobei letzterer nur die neuen Kizen-Powers auflistet und somit von begrenztem Nutzen ist.

Kapitel 1 „History and Factions“ bietet auf ca. 30 Seiten einen kurzen zeitlichen Überblick über die Geschehnisse in unserem Sonnensystem zwischen 2030 und 2391. Danach werden die fünf Fraktionen etwas eingehender betrachtet. Auf das Grundregelwerk aufbauend, werden in „Battlefront“ die Themen Kultur, Unterhaltung, Regierung und Religion behandelt. Das liest sich nett, ist aber natürlich nach wie stark komprimiert dargebotene Information.

Die nächsten ca. 35 Seiten sind erneut den „Kizen-Powers“ gewidmet. Angesichts der wirklich umfangreichen „Zauberspruchlisten“ im Grundregelwerk empfinde ich die sechs neuen Kizen-Power-Trees („Blade Bonding“, „Body Modification“, „Fire Control“, „Ice Control“, „Mental Defence“ und „Visceral Illusion) mit ihren insgesamt um die 150 Einzelkräften als nicht unbedingt notwendig – mehr Background-Material wäre schöner gewesen –, aber Kizen-Spieler mögen mir da wiedersprechen, öffnen sich ihnen doch neue Wege, ihren Charakter zu gestalten.

Umso willkommener sind die neuen Prestige-Classes, die das 20-seitige Kapitel drei füllen. Das Kapitel Prestige-Classes war mit dem „Kizen-Master“ im Grundregelwerk doch etwas mager ausgefallen. Jetzt gibt es immerhin im Schnitt zwei neue für jede Fraktion (etwa die „Poison Pill“, eine Art Industriespion, und den „White Knight“, einen Konzernsöldner, für die Earther), die auch noch so deutlich definiert sind, dass man sich Mitglieder der jeweiligen Class bildlich als Spezialisten vorstellen kann – was man von den inflationär auftretenden Prestige-Classes im D20-Fantasy-Bereich nicht unbedingt behaupten kann.

„The Warriors of WARS“ ist sowohl Überschrift als auch Programm von Kapitel vier. Zahlreiche namhafte Protagonisten des „WARS“-Universums, die man bereits aus dem Sammelkartenspiel von Decipher und den selbiges begleitenden Kurzgeschichten im Netz kennt, werden hier mit Werten und einer kurzen Charakterskizze vorgestellt. Helden wie der überkorrekte Earther-Militär „Horatio Hicks“, Schurken wie die wahnsinnige Accord-Chefin „Raving Red-Jane“ und Alienkrieger wie der aristokratische Shi-Duellist „Hailesh Damir“ werden so vom Kartentisch in die Spielwelt geholt und können dann sogar vom entsprechend bestückten Master als TCG-„Handouts“ der staunenden Spielerschaft präsentiert werden. (Überhaupt eignen sich „alte“ Sammelkarten sehr gut als Anschauungsmaterial, wie ich bei „Star Trek“ und „Lord of the Rings“ festgestellt habe.)

Kapitel fünf „Miscellaneous Rules“ versammelt eine Reihe optionaler Regeln, die vor allem die Umweltbedingungen in „WARS“ realistischer (und gefährlicher) werden lassen. Asteroidenfelder, Druck, hochdichte oder giftige Atmosphären, Abweichungen von der Normschwerkraft sowie Strahlungsschäden werden hier samt Regelmechanismen abgehandelt. Und hier findet sich auch der vielleicht traurigste Absatz des ganzen Buches, wird doch im Zusammenhang mit der Vielzahl unterschiedlicher Klimata innerhalb unseres Sonnensystems auf zukünftige Sourcebooks verwiesen, die all die einzelnen Himmelskörper im Detail zum Thema haben sollen – und die es wohl nicht mehr geben wird. Ein paar neue Orders für den Raumkampf schließen das Kapitel ab.

Das zweifelsohne interessanteste Kapitel folgt mit „Solar System Geography“. Hier wird endlich unser Sonnensystem auf 30 Seiten näher beschrieben. Das beginnt mit den Planeten, geht zu den zahlreichen bewohnten Monden über und endet bei den diversen Raumstationen und Asteroidenbasen, die im Sol-System verstreut liegen. Hier findet sich dann auch endlich die im Grundregelwerk vermisste Karte, die zwar nicht maßstabsgetreu ist (wäre bei der Entfernung der äußeren Planeten zur Sonne auch kaum sinnvoll), aber einen guten Überblick über die jeweilige Lage der Himmelskörper bietet.

Direkt im Anschluss widmet sich Autor Greg Lynch dem nicht minder spannenden Thema „Travel in the Solar System“. Dabei heißt es bei „WARS“ nicht einfach „Energie“ und zwei Sekunden später ist man mit WARP 5 von der Erde zum Pluto gehoppt, nein, vielmehr kommen hier mathematische und astronomische Methoden zum Tragen, um die Positionen der sich bewegenden Himmelskörper in unserem Planetensystem zu berechnen. Doch die Macher sind nett und lassen uns nicht mit Formelsammlung und Taschenrechner allein zurück, sondern bieten einige höchst hilfreiche Tabellen, die unter anderem die mittleren Entfernungen zwischen den Planeten in AU (Astronomical Units) angeben (für die Reise in Raumschiffen) wie auch die Lichtminuten (für die Dauer von Funksprüchen). Das alles bringt ein unglaubliches Gefühl von Realitätsnähe ins Spiel, womit sich „WARS“ erfreulich abhebt von den „technomagischen“ Settings anderer Sci-Fi-Systeme.

Das letzte Kapitel „The WARS Campaign“ richtet sich auf kurz an den Spielleiter, um ihm ein paar zusätzliche Anregungen zur Gestaltung einer Kampagne im kriegsgebeutelten Sonnensystem zu geben. Quay und Shi als Spielercharaktere werden dabei ebenso diskutiert, wie die Frage nach dem eigenen Schiff und wie man eine gemischte Gruppe in Zeiten zusammenhält, in denen jeder gegen jeden kämpft.

Fazit: Für jeden, der sich trotz der Tatsache, dass das „WARS“-Rollenspiel de facto schon wieder Geschichte ist, auf Abenteuer in unserem Sonnensystem im Jahre 2391 einlassen will, ist „Battlefront“ ein unschätzbares Kompendium an Zusatzregeln und Hintergrundinformationen. Das Buch beantwortet zahlreiche Fragen, die das Grundregelwerk offen ließ und ergänzt selbiges damit perfekt. Mit beiden Werken (und vielleicht noch dem Kampagnenbuch „Incursion“, dem dritten und letzten der augenblicklich existierenden „WARS“-Rollenspielprodukte) lässt sich bereits solide in das Sci-Fi-Setting einsteigen, das ich als echten Geheimtipp des letzten Jahres betrachte.


Battlefront
Quellenbuch
Greg Lynch
Mongoose Publishing 2005
ISBN: 1-905176-10-4
160 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 29,95

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