Astro City: Local Heroes

Normalerweise denken Helden in größeren Dimensionen. Ihre Gegner sind Superschurken, die nicht selten ganze Staaten, Welten oder gar das Multiversum in den Schwitzkasten nehmen. Ihr Kampf führt sie quer durch die USA, rund um den Globus, ins Weltall und in andere Realitäten. In der Comic-Reihe „Astro City“ von Kurt Busiek und Brent Anderson ist alles anders: Hier werden die Alltags-Geschichten der Helden erzählt, sowie der Menschen, die mit diesen Helden leben. „Local Heroes“ versammelt neun Erzählungen aus einer Welt, die hinter die Maske und den Spandexanzug schaut.

von Bernd Perplies

 

Superhelden-Comics sind die meiste Zeit über schlichtweg fantastisch – nicht nur, weil sie überlebensgroße Action mit Protagonisten in bunten Kostümen bieten, sondern auch – und vor allem –, weil sie alle Realität jenseits der dramatischen Notwendigkeiten ausblenden. Wie altern ein Superheld und seine Helfer? Wie erlebt ein zufälliger Passant den epischen Kampf zweier quasi Unsterblicher inmitten einer belebten Einkaufsstraße? Was passiert, wenn ein gewöhnlicher Mensch der Verführung des maskierten Rächertums verfällt und in eine Schlacht gerät, die einige Nummern zu groß für ihn ist? Solche Fragen kümmern Mainstream-Comic-Reihen selten. In Kurt Busieks außergewöhnlicher Weltenschöpfung „Astro City“ geht es jedoch um nichts anderes!

Nach „Der gefallene Engel“, dem Porträt eines gescheiterten Superschurken, der ein neues Leben beginnen will, liegt mit „Local Heroes“ nun der zweite Band der erfolgreichen Reihe „Astro City“ vor. Der 232 Seiten starke Comic mit Klappbroschur und einem schicken Cover von Alex Ross, versammelt neun Episoden aus dem Leben der Bewohner der gleichnamigen Metropole – oder genauer die Einzelbände „Astro City: Local Heroes“ #1 bis #5, „Astro City“ #21 und #22 sowie das „Astro City Special: Supersonic“ und den „Astro City“-Beitrag aus der Comic-Anthologie „9-11 (vol. 2)“. Damit stehen übrigens noch immer die Bände „Astro City“ #1 bis #13 aus, die – so hofft der Fan – irgendwann noch nachgereicht werden. Zwar wurden diese bereits vor vielen Jahren beim Speed-Verlag veröffentlicht, das wissen heutzutage aber nur noch einige wenige Eingeweihte (entsprechend schwer sind die Bände zu bekommen).

Die vorliegenden Erzählungen sind vielfältig in der Thematik, doch haben alle die gleichen Erzählhaltung: Erfahrungen normaler Menschen oder „unnormaler“ Superhelden in einer Welt voll strahlender Recken und sinistrer Schurken zu bebildern. So berichtet in „Neulinge“ der Portier eines großen Hotels, wie unterschiedlich Fremde bei einem Besuch in Astro City auf die allgegenwärtige Gefahr und Spannung in dieser Stadt reagieren. In „Große Erwartungen“, wird der Darsteller einer Superhelden-Soap-Serie derweil unwillentlich zu einem echten Helden, als er einen Raubüberfall vereitelt. Schon bald beginnen die begeisterten Medien Schein und Wirklichkeit zu vermischen – und als plötzlich die ersten Superschurken auf der Matte stehen, um dem Aufschneider zu zeigen, wer Herr der Stadt ist, steckt dieser in ganz schönen Schwierigkeiten.

„Die schimmernde Rüstung“ erzählt von einer selbstbewussten Self-Made-Frau, die nach dem perfekten Mann sucht und ihn in dem außerirdischen Superhelden „Atomicus“ gefunden zu haben glaubt. Doch in dem Glauben, dass sie seine Liebe nur verdient, wenn sie ihm ein ständiges Katz-und-Maus-Spiel rund um seine geheime Identität liefert, richtet sie mehr Schaden an, als ein Held auf Dauer einstecken kann. „Idylle“ schließlich folgt einer verzogenen Gameboy-Göre aus der großen Stadt zu ihren Verwandten ins ländliche Caplinville, wo sie feststellen muss, dass nicht nur die Menschen gute Nachbarn sind, sondern auch die Superhelden von einem anderen Kaliber, als die fernen Heroen, die über den Himmel ihres normalen Zuhauses hinwegziehen.

Dies sind nur vier beispielhaft herausgegriffene Episoden aus dem Panoptikum lesenswerter, kleiner Geschichten, die uns Autor Busiek und sein Zeichner Anderson in „Local Heroes“ vorsetzen. Ungeachtet des Episodischen stehen dabei durchaus persönliche Schicksale im Vordergrund, und auch Action und Dramatik wird geboten. Doch die Perspektive bleibt immer auf Straßenhöhe, bei den einfachen Menschen oder aber den Superhelden, die eigentlich keine sind oder deren beste Zeit lange hinter ihnen liegt. Dieser „Realismus“ ist es, der die Comic-Reihe so ungewöhnlich und gleichzeitig so interessant macht – selbst wenn mal nicht das Schicksal der Erde auf dem Spiel steht, sondern „nur“ ein versehentlich ausgebuddelter und reaktivierter Kampfroboter „aus der alten Zeit“ ein Wohnviertel in Schutt und Asche legt.

Fazit: Auch in „Local Heroes“, dem zweiten bei Panini auf Deutsch erschienen Band der „Astro City“-Reihe, bestätigt sich, was sich in „Der gefallene Engel“ bereits gezeigt hat. Kurt Busieks Weltenschöpfung ist ein höchst unterhaltsamer Seitenweg des Superhelden-Comic-Franchises, der all die alltäglichen Fragen stellt, Probleme aufzeigt und Begebenheiten schildert, die auf der großen Showbühne, auf der sich die namhaften Kostümträger für gewöhnlich prügeln, keine Rolle spielen. Wer Superhelden-Comics mag, sollte sich diesen cleveren Kommentar zum Genre nicht entgehen lassen.


Astro City: Local Heroes
Comic
Kurt Busiek, Brent Eric Anderson u. a.
Panini Comics 2008
ISBN: n. a.
232 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 24,95

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