von Bernd Perplies
Das Buch firmiert unter dem treffenden Namen "Aliens". Und was draufsteht, ist auch Programm. Keine Regeln, kein Schnickschnack, nur vier Seiten knapper Einführung und dann über 160 Seiten voller Fremdrassenbeschreibungen (den Abschluss bilden - mal schwarz, mal weiß - zwei leere Bögen für die Erstellung eigener "Species Profiles", wobei die Regeln hierzu im "Narrator's Guide" zu finden sind).
Über das Äußere gibt es nicht viele Worte zu verlieren. Der vollfarbige Hardcoverband reiht sich optisch und qualitativ nahtlos in die bestehende Produktlinie ein. Von dem in Grüntönen gehaltenen Cover grüßt eine Reihe beliebter Aliens den angehenden Käufer, das Inhaltsverzeichnis mit seiner alphabetischen Auflistung aller "Species Profiles" ist zwangsläufig angenehm vollständig - im Gegensatz zum Vorgängerband "Starships" - und das Innenlayout überzeugt durch eine klare Gliederung, gute Lesbarkeit und zahlreiche, überwiegend schön farbkräftige Bilder aus den verschiedenen TV-Serien. Als einziges Manko wäre anzumerken, dass nicht jeder Eintrag ein Portrait erhalten hat, sodass der Leser, der nicht gleichzeitig alle "Star Trek"-Episoden auswendig kennt, nur rätseln kann, wie wohl die Axanar, Betelgeuseans, Capellans, Ekosians, Kelvans, Ligonians, Medusans oder Zaranites (um sie alle aufgelistet zu haben) aussehen.
Inhaltlich ist vor allem die Menge an Informationen höchst erfreulich. Alle bekannten Alienvölker - also solche, auf die man als "regular cast" während einer guten "Star Trek"-Kampagne nicht verzichten möchte - sind vorhanden und auch zahlreiche unbekanntere Fremdrassen für die kurze Begegnung zwischendurch wurden berücksichtigt. Natürlich gibt es Dopplungen zu den Alien-Kapiteln in den beiden Grundregelwerksbänden, aber gerade diese Einträge werden durch Zusatzinformationen aufgewertet und nicht bloß erneut abgedruckt. Besonders zu würdigen ist, dass explizit die neue Serie "Enterprise" ihren Eingang in das Quellenbuch gefunden hat - nicht nur durch Aufnahme der Suliban und Axanar, sondern auch durch inhaltliche Berücksichtigung beispielsweise im Eintrag für die Andorianer und durch den regulären Eintrag "Enterprise" in der Rubrik "Eras" jedes "Species Profiles", in welchem für viele Fremdrassen die Umstände, unter denen sie auf eine Spielergruppe (der 2150er) treffen könnten, umrissen werden.
Das durchschnittliche "Species Profile" umfasst 2-4 Seiten, wobei Ausnahmen je nach Bedeutsamkeit des Volkes noch etwas kürzer oder länger sind. Jedes Profil weist dabei folgende Einträge auf: Persönlichkeit, Heimatwelt, Geschichte & Kultur, Sprache & Namen, Bevorzugte Professionen, Rassenmodifikatoren, Spezielle Fähigkeiten, Begegnungen, Beispiel-NSC sowie Epochen (auch hier machen einige unwichtigere Alienvölker Ausnahmen, indem sie beispielsweise die Umstände einer Begegnung oder den gesellschaftlichen Zustand in den verschiedenen Epochen wegfallen lassen). Wo es angebracht erschien, haben die Autoren zusätzlich in blau abgesetzten Kästen weitere Informationen spieltechnischer Art hinzugefügt: Es seien nur der Crashkurs in klingonischer Ehre oder die Richtlinien für den Umgang mit gottähnlichen Entitäten wie den Q genannt. Das hat zur Folge, dass jedes Profil gleich dreifach nützlich ist. Erstens gewährt es Informationen über die jeweilige Spezies, zweitens ermöglicht es den Spielern, jedes der 58 Völker als Spielercharakter zu wählen - und wer wollte nicht schon einmal einen Gorn oder einen Jem'Hadar in der Gruppe haben? - und drittens gibt es dem Spielleiter eine ganze Menge sofort einsetzbare Alien-NSCs zur Hand, die er ohne große Vorbereitung zur Ausschmückung eines Abenteuers auftauchen lassen kann.
Es liegt in der Natur eines solchen Sammelwerks, dass es natürlich nie erschöpfend ist. Wirklich erschöpfende Beschreibungen von Fremdrassen findet man nur in Quellenbüchern, die ihnen allein gewidmet sind - wie es beispielsweise für die Klingonen in Zukunft bei Decipher geplant ist. Andererseits ist mir - abgesehen von der monströsen Sammlung der "Star Trek-Fakten & Infos" kein reguläres Lexikon/Sammelwerk bekannt, das mehr Informationen auf einmal zu den beliebtesten Völkern des "Star Trek"-Universums zwischen seinen Buchdeckeln versammeln würde. Insofern ist das "Aliens"-Buch, obgleich als Teil der Rollenspiel-Produktlinie gedacht, durchaus auch für den normalen Trekkie ein Lustgewinn, denn ohne dass er das Gefühl hat, in Zahlen zu ersticken, die ihn nicht die Bohne interessieren, erhält er hier zahlreiche neue und mitunter äußerst spannende Informationen aus dem Universum seiner Wahl (oder wusstet ihr, dass die Breen unter ihren Panzern im Wesentlichen einer Götterspeise ähneln?).
Fazit: Ein sehr gelungenes Quellenbuch für das "Star Trek"-Rollenspiel, das mit einer Menge an Informationen aufwarten kann und Abenteuer und Exotik in jede Kampagne bringen sollte. Auch nicht-rollenspielende Trekkies können mal einen Blick riskieren, wenn sie mehr über die zahlreichen Alienvölker im "Star Trek"-Universum wissen wollen. Nicht ganz unknackig ist mal wieder der Preis, aber über diese Entwicklung auf dem Rollenspielmarkt könnte man ohnehin eine eigene Geschichte schreiben.
Aliens
Quellenbuch
Bill Bridges, Doug Sun, Kenneth Hite u. a.
Decipher 2003
ISBN: 1-58236-907-0
176 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 34,95
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