von Kurt Wagner
Band 4 der Reihe schließt sehr nahtlos an Band 3 „Familienprobleme“ an. Das heißt einerseits, dass hier die „Action Comics“-Ausgaben 1057 bis 1063 plus „2023 Annual 1“ versammelt wurden, aber auch andererseits, dass Aspekte wie SuperCorp aus der 12-teiligen Mini-Serie „Superman (2023)“ nur in Nebensätzen vorkommen. Abgesehen davon spielt auch Bizarro erst einmal überhaupt keine Rolle. Stattdessen befinden wir uns noch komplett im Kampf des Stählernen und seiner Familie gegen die Blue-Earth-Bewegung und ihre enigmatische Anführerin Norah Stone.
Dieser Konflikt eskaliert schnell, denn während eines Daily-Planet-Exklusivinterviews gelingt es der jungen Stone, Clark mithilfe eines dezenten, aber seltsam grün glühenden Armreifs die Superkräfte zu stehlen und diese auf ihren Leibwächter zu übertragen, der sich daraufhin tatsächlich in Superman (samt Anzug!) verwandelt und Clark quer durch Metropolis prügelt. Zwar kann Clark ihn mit einem Trick ausschalten, aber der Schaden ist angerichtet: Scheinbar ist Superman völlig ausgerastet – und Norah Stone schlachtet das Ereignis gnadenlos aus, um weiter Stimmung gegen Aliens zu machen und dafür zu werben, dass ihre Blue-Earth-Anhänger zukünftig die Bürger von Metropolis schützen. Ein Desaster.
Auch daheim bei der Superfamilie kriselt es. Die Warworld-Geschwister Otho und Osul haben nach wie vor Anpassungsschwierigkeiten, vor allem das kämpferische Mädchen Otho, das auch mal zu Gewaltausbrüchen neigt. „Supergirl“ Kara versucht den Kindern, ein wenig Verankerung mit den Hausmythen Kryptons zu bieten, während Clark sich auf die Fährte von Norah Stone macht. Die ist natürlich mitnichten ein normaler Mensch und ihre Pläne für Metropolis sind auch alles andere als hehr. Weil zudem Magie im Spiel ist, holt sich Superman Hilfe bei dem abgehalfterten Magier John Constantine, der hier einen netten Cameo hinlegt. Und dann eskaliert der Kampf um Metropolis auf allen Ebenen.
Autor Phillip Kennedy Johnson gelingt es großartig, den Konflikt zwischen der Superfamilie und der Blue-Earth-Bewegung um Metropolis immer weiter anzuheizen, bis er geradezu epische Dimensionen annimmt. Dabei wird nicht nur Superman selbst einmal mehr kraftvoll in Szene gesetzt, sondern gerade die jüngsten Mitglieder – Otho und Osul – stehen besonders im Fokus, was eine schöne Nebenhandlung zum Thema „Ich finde meinen Platz in einer neuen Welt“ ermöglicht. Mit Norah Stone wurde jetzt keine spektakulär innovative Widersacherin aus der Traufe gehoben, aber immerhin wird durch sie eine hübsche Brücke zu Supermans Abenteuern der Vergangenheit geschlagen, was ein Gefühl von Relevanz erzeugt. Handlungen in der Vergangenheit haben Auswirkungen auf die Gegenwart.
Rafa Sandovals Zeichnungen unterstützen das Ganze unverändert auf hervorragende Art und Weise. Mimik, Proportionen, Detail und Dynamik – hier stimmt einfach alles und demonstriert, auf welch hohem Niveau diese Comic-Serie, die doch eigentlich den Massenmarkt bedient und daher ziemlich schnell produziert werden muss, unterwegs ist. Dieses Gütesiegel kann sich wirklich nicht jedes Popkultur-Franchise auf die Fahnen schreiben.
Gefühlt ziemlich spät – nämlich mit Heft 6 von 8 – tritt dann Bizarro endlich auf. Der Grund für sein Auftreten ist nicht ganz ersichtlich. Er scheint seine Bizarro-Welt verloren zu haben, weil sie im Mahlstrom des sich verändernden Multiversums verschwunden ist. Dafür macht er Superman verantwortlich – deswegen ist er voller Zorn und Hass auf ihn, und will sowohl ihn als auch seine Erde durch einen mächtigen Zauber im Bizarro-Stil verwandeln.
Was folgt, ist eine wahr Tour-de-Force für den Leser. Metropolis versinkt im Chaos, dann wird anscheinend die ganze Welt aus den Angeln gehoben. Alles verdreht sich, aus Menschen werden Monster und Superman kämpft einen schier unendlichen, aussichtslosen Kampf gegen die übermächtige Magie, derer sich Bizarro bedient. Es scheint schon alles verloren zu sein, als ein wirklich unerwarteter Verbündeter auf der Bühne erscheint und sich Bizarro auf ungewöhnliche Weise in den Weg stellt.
Die Comic-Handlung von Jason Aaron ist so wahnsinnig wie deren Antagonist Bizarro. Nur am Anfang sind wir noch ganz nah am Geschehen, dann bekommt die Geschichte zunehmend gewaltige Ausmaße, Raum und Erzählzeit werden immer größer und wir schauen gemeinsam mit einem auktorialen Erzähler zunehmend von Ferne auf die Tragödie. Dabei ist die Zerstörung so allumfassend, dass die Rückkehr zur Normalität eigentlich nur ein Fingerschnippen entfernt sein kann, denn sonst wäre diese Apokalypse erzählerisch nicht mehr einzufangen. In der Art kommt es dann auch. Das muss man als Leser mögen. Immerhin ist die Idee, wer eine aus den Fugen geratene Welt wieder zurechtzurücken vermag, erfreulich konsequent und geradezu augenzwinkernd.
Für die Zeichnungen ist diesmal John Timms verantwortlich, der „comic-artiger“ zeichnet als Rafa Sandoval, mit krasseren Perspektiven und übertriebener Mimik. Die Panel sind deswegen nicht weniger stark, aber man blickt etwas distanzierter darauf, auch auf die stellenweise dargestellte Gewalt. Das ist vielleicht auch ganz gut so. Dennoch finde ich sowohl die Handlung als auch die Optik der Bizarro-Einlage etwas schwächer. So ist es ganz gut, dass hier eine inhaltlich in sich abgeschlossene Heft-Trilogie vorliegt, die auf die Folgehandlung wohl nur wenig Einfluss haben wird.
Fazit: „Die Bizarro-Welt“ ist über weite Strecken tatsächlich gar nicht so bizarr. Denn 5 der 8 hier versammelten „Action Comics“-Ausgaben erzählen zunächst den Kampf von Supermans Familie gegen die Blue-Earth-Bewegung weiter. Das ist tatsächlich auch der spannendere – und absolut lesenswerte – Teil der Handlung. Der Dreiteiler rund um Bizarros Angriff auf die Erde mag zunächst auch noch fast tragisch starten, aber entwickelt dann regelrecht apokalyptische Züge. Dass das nur episodischer Natur bleiben kann und wenig Einfluss auf die Zukunft hat, versteht sich fast von selbst – und nimmt Bizarros Geschichte letztlich doch etwas an Gewicht. Es ist eine Wahnsinns-Einlage, aber es bleibt zu hoffen, dass mit Band 5 wieder zur Hauptgeschichte zurückgekehrt wird.
Superman 4 – Die Bizarro-Welt (Dawn of DC)
Comic
Phillip Kennedy Johnson, Rafa Sandoval, Jason Aaron, John Timms
Panini Comics 2025
ISBN: 978-3-7416-4259-3
240 S., Softcover, deutsch
Preis: 33,00 EUR
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