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Stupor Mundi

Hätte Kaiser Friedrich II. heute statt im 13. Jahrhundert gelebt, würde ihn man wohl den politischen GOAT nennen. Die Fans des Staufers verehrten ihn als Friedensbringer und visionären Erneuerer alter Strukturen. Für seine Gegner im Vatikan war er schlicht der Anti-Christ auf dem Kaiserthron. Da aber damals der Begriff GOAT noch nicht existierte – übrigens ein Jugendslangwort, das „Greatest Of All Time“ und damit einen echten Überflieger meint –, nannte man Friedrich stattdessen „Stupor Mundi“, das Staunen der Welt.

von Oli Clemens

Bei „Stupor Mundi“ verkörpern wir die Gefolgsleute des Kaisers und spielen in einer unbegrenzten Anzahl von Runden um die meisten Siegpunkte. Dabei wechseln sich zwei Phasen stets miteinander ab, nämlich „Reisen“ und „Aktionskarte spielen“. 

Beim Reisen geht es per Boot von Rom auf fünf Etappen in einem Rondell Richtung Barcelona und von dort aus zurück nach Rom. Dort, wo mein Schiff Anker wirft, kann ich in der folgenden Aktionsrunde meine strategischen Planungen umsetzen und die Märkte besuchen, Verbündete anwerben oder neue Aktionskarten kaufen.

Parallel baue ich noch an meinem privaten Burgprojekt. Je weiter ich es vorantreibe, desto mehr Boni wirft es am Ende einer Runde für mich ab. Und dann sollte ich mich auch noch an dem Bau des Kaisersitzes, dem Castel del Monte, beteiligen und nicht vergessen, meine Fachkräfte zu fördern. Ich sag euch, für euch als Friedrichs Gefolgsleute gibt es in diesem Eurogame reichlich zu tun.


   
Der Aufbau von „Stupor Mundi“ nimmt schon ein bisschen Zeit in Anspruch. Drei Spielbereiche müssen vorbereitet werden: die Baustelle des Castel del Monte mit seinen Ediktplättchen und die dazugehörigen Fortbildungstracks für eure Fachkräfte, das Reiserondell und die eigene Auslage. Schnell wird euer Auge sicher auf die tollen Bauklötze fallen, die Türme, Mauern und Hauptgebäude der Burgprojekte verkörpern. Alles ist aus Holz und lässt mein inneres Kind jubeln! So entsteht eine sehr bunte und überbordende Spiellandschaft zwischen euch, an die sich eure Augen erst einmal gewöhnen müssen. Zu den zahlreichen Symbolen, die ihr euch aneignen müsst, um die entsprechenden Spielmechaniken auszulösen, kommt noch die Lust am verschnörkelten Detail dazu.

Die wichtigste Phase eures Zugs passiert an eurem persönlichen Playerboard, nachdem ihr euch entschlossen habt, ob euer Schiff auf dem Rondell weiterfährt oder an seiner aktuellen Position verweilt. Dann werdet ihr nämlich eine eurer Handkarten ausspielen und beim Einslotten unter eurem Playerboard eine gewichtige Entscheidung fällen: offen oder verdeckt!

Spielt ihr die Karte offen aus, folgt ihr der aufgedruckten Aktion. Entweder gibt es dann Nachschub von einer der drei  Grundressourcen Stein, Getreide oder Geld oder sie lässt euch Karten nachziehen. Zudem verfügt jeder von euch noch über zwei individuelle Karten, die euch etwas machen lassen, das die anderen nicht können.

Spielt ihr die Karte aber verdeckt aus, löst ihr eine der fünf Hauptaktionen aus. So könnt ihr den Markt besuchen und dort Rohstoffe kaufen oder verkaufen, euch bessere Handkarten organisieren, eure Fachkräfte befördern, um Boni zu aktivieren, Verbündete anwerben, um stetig Siegpunkte anzuhäufen oder eure Burg-Baustelle Stück für Stück voran zu treiben.

Dieser Mechanismus gefällt mir besonders gut. Die Karten zeigen nämlich auf der Rückseite zwei Soldaten mit gekreuzten Speeren. Jede Speerspitze deutet dann immer auf eine mögliche Hauptaktion. Nur diese kann ich spielen, nehme mir aber gleichzeitig die Flexibilität, die andere spielen zu dürfen. Auf diese Weise könnt ihr dann mal gleich unter Beweis stellen, ob ihr Multitasking über gleich mehrere geplante Züge betreiben könnt, denn bei „Stupor Mundi“ gilt: Alles ist miteinander verwoben.

Steine und Getreide brauchst du, um den Bau deiner Burg voranzutreiben. Gleichzeitig kannst du aber nicht unbegrenzt Ressourcen anhäufen, die du dir auf dem Markt für Bares kaufen kannst. Dafür müssen nämlich zunächst Mauern gebaut werden, um freie Lagerplätze zu schaffen. Für punkteträchtige Verbündete hast du nur Platz, wenn du vorher Türme gebaut hast. Damit das alles aber günstiger und effizienter läuft, solltest du erst einmal deine Fachkräfte ausbilden. 

Alle Leute, mit denen ich „Stupor Mundi“ zum ersten Mal gespielt hatte, machten in ihren ersten Zügen dicke Backen, weil sie nicht einschätzen konnten, welche der Möglichkeiten sie zuerst nutzen sollten. Diese anfängliche Verunsicherung sorgt in der Regel dafür, dass dann auch mal ein Zug lange dauert. Entspannung kam aber stets zu Beginn der zweiten Runde, weil sich dann die Verkettung einzelner Aktionen und Effekte im Kopf festgesetzt hatte, und das spürst du dann auch deutlich am Tempo. „Stupor Mundi“ kann nämlich wunderbar vorausgeplant werden, wenn du dich erst einmal in deinen Gedanken eingegroovt hast.

Auch wenn du deine Züge eigentlich sehr solistisch planst und auch ausführst, habt ihr am Castel del Monte, Hof des Kaisers, die Gelegenheit, euch das Leben schwer zu machen. Eure Verbündete werfen nämlich ihre Punkte üppiger aus, wenn ihr für entsprechende Strukturen bei Friedrich II. sorgt. Beispielsweise gibt es Punkte, wenn die kaiserliche Baustelle möglichst weit fortgeschritten oder seine Geldreserve möglichst gut gefüllt ist. Andere belohnen dich, wenn du vielleicht mehr Gefolgsleute als er hast oder deine Fachkräfte besser ausgebildet sind als seine. Andere fordern dich knallhart dazu auf, erfolgreicher gewirtschaftet oder gebaut zu haben als Friedrich II. Da lohnt es sich bei dem Reisen mit dem Schiff, an den passenden Häfen anzuhalten, um die potenziell attraktivsten Verbündeten in den eigenen Besitz zu überführen. 

Über Edikte, die an den verschiedensten Stellen des Spiels erlassen werden können, kann ich Einfluss auf die  Infrastruktur des Kaisers nehmen, indem ich an dessen Hof etwas hinzufüge oder wegnehme. Natürlich fällst du deine Entscheidungen nicht aus dem hohlen Bauch, sondern schaust dir genau an, wie du am meisten und die anderen am wenigsten durch deine Entscheidung profitieren können. Da kommt es schon mal zu Geraune in der Runde, denn die Siegpunkte, die durch die Verbündeten ausgeschüttet werden, ist eure sicherste und wichtigste Quelle zum Sieg.

„Stupor Mundi“ entwickelt sich zu einem harten Wirtschaftsspiel, bei dem du dir Gedanken um deine Ressourcenknappheit machen musst. Gespielt wird solange, bis entweder jemand seine Burg fertiggestellt hat, keine Aktionskarten mehr auf dem Reiseplan aufgefüllt oder Edikte nicht mehr verfügbar gemacht werden können. In meinen Partien führt der letzte Umstand am häufigsten zum Spielende, denn Edikte sind im Gegensatz zu Aktionskarten und Burgteilen kostenlos und belohnen mich noch dazu mit Geld, Getreide oder Stein und auch mal mit einem Siegpunkt. 

Auch wenn mir „Stupor Mundi“ als Gesamtpaket so richtig gut gefällt, ist es nach hinten raus vielleicht ein bisschen lang. Ich hätte mir gewünscht, dass die Anzahl der Edikte und Aktionskarten etwas reduziert wäre, um schneller zum Ende zu kommen.

Ist eine der drei Spielende-Bedingungen eingetreten, stoppt eure Partie „Stupor Mundi“ recht abrupt und ihr werdet noch für den Fortschritt eurer Baustelle und eure angesammelten Münzen belohnt. Dann wisst ihr, wer auf der Siegpunktleiste am weitesten vorne steht. In euren ersten Partien dauert das vielleicht 2 bis 3 Stunden, wenn aber alle wissen, wie sie zum Erfolg kommen, reduziert sich die Spieldauer deutlich. 

Die Anleitung kann mit ihren 24 Seiten abschreckend wirken. Die extrem übersichtliche Gliederung mit Beispielen macht es aber leicht, mit ihr und ihren Regeln klarzukommen und entsprechend lässt sich „Stupor Mundi“ auch gut erklären. Außerdem sind 8 Seiten einem Anhang gewidmet, der jede Karte und jedes Plättchen erklärt und euch sogar noch kompakte Regeln für den Solo-Modus schenkt. Und eine zweite Anleitung auf Englisch liegt auch noch in der Box.

Fazit: Wenn ihr Spaß an Wirtschafts-Eurogames mit Mittelalterthema auf Expertenniveau habt, fällt „Stupor Mundi“ direkt in euer Beuteschema. Das Material ist sprachneutral und ein richtiger Hingucker, der auch in der Hand einiges hermacht.

Stupor Mundi
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
Nestore Mangone 
Pegasus Spiele 2025
EAN: 4250231742040
Sprache: Deutsch und Englisch
Preis: 49,99 EUR

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