von Frank Stein
Um es gleich vorweg zu sagen: Das Spiel ist nicht neu. Es stammt aus dem Jahr 2019, aus einer Zeit, als Fantasy Flight Games noch nicht bloß aus „Marvel Champions“, „Arkham Horror: Das Kartenspiel“ und „Star Wars Unlimited“ bestand. Umstände und Zufälle haben dafür gesorgt, dass ich das Spiel jedoch erst jetzt auf den Tisch bekommen habe – und, das sei bereits vorweggenommen, es macht so viel Laune, dass ich unbedingt darüber schreiben wollte. Es ist auch nach wie vor käuflich erwerbbar, allerdings vielleicht nicht im Hobbyshop um die Ecke, sondern man muss ein wenig im Internet suchen. Eine Suche, die sich in meinen Augen durchaus lohnt.
Doch worum geht’s nun eigentlich? „Star Wars: Outer Rim“ ist ein Brettspiel für 1 bis 4 Personen ab 12 Jahren, in dem wir für 2 bis 3 Stunden in die Rolle von Schmugglern, Söldnern oder Kopfgeldjägern schlüpfen, die allesamt das Ziel verfolgen, sich einen Namen in der Galaxis zu machen. Das Ganze ist irgendwo in der Zeit vor der Filmhandlung von „Star Wars: Eine neue Hoffnung“ angesiedelt, also ungefähr parallel zu dem Film „Solo – A Star Wars Story“. Kurios ist dabei natürlich, dass wir Figuren übernehmen, die unter „Star Wars“-Fans alle – oder zumindest größtenteils – weltbekannt sind, etwa Han Solo, Lando Calrissian, Boba Fett oder Jyn Erso. Dennoch wird davon ausgegangen, dass jeder dieser schurkischen Protagonisten ein starkes Interesse daran hat, den eigenen Ruhm, im Deutschen „Prestige“ genannt, zu mehren.
Doch ohne Fleiß kein Preis, und darum beginnen wir anfangs mit einer einfachen Schrottmühle von einem Raumschiff und einem ersten „Charakterziel“ und starten so in den halbkreisförmig aufgebauten Teil der „Star Wars“-Galaxis, der den Äußeren Rand, den Outer Rim, repräsentieren soll. Dort bereisen wir zwischen Takodana und Cantonica Planeten wie Naboo und Nal Hutta, Tatooine und Kessel, Lothal und Ord Mantell, um entweder Fracht (legal oder illegal) zu transportieren, Jobs für eine der vier Fraktionen der Gegend (Rebellion, Imperium, Hutten oder Syndikate) zu übernehmen oder Kopfgeldaufträge gegen glücklose Zielpersonen durchzuführen. Dadurch erringen wir nicht nur Prestige, sondern auch eine Menge Credits, die wir dann in Ausrüstung, Crewmitglieder, Luxusartikel und bessere Schiffe stecken können – was mehr Prestige einbringt.
Gespielt wird reihum im Uhrzeigersinn, wobei der Startspieler der Fairness halber mit dem geringsten Startgeld beginnt und der letzte Spieler mit der dicksten Geldbörse loslegt. Wenn ich an der Reihe bin, besteht mein Zug aus drei recht flott durchgeführten Schritten: dem Planungsschritt, dem Aktionsschritt und dem Begegnungsschritt. Im Planungsschritt kann ich entweder mein Schiff bewegen, mich und mein Schiff komplett heilen/reparieren oder 2000 Credits verdienen (als Tellerwäscher in einer Cantina oder als Nerfhirte oder so). Im Aktionsschritt darf ich mit Mitspielern auf dem gleichen Spielfeld handeln, den Markt besuchen, wenn ich gerade auf einem Planeten weile, Fracht und Gefangene abliefern, wenn ich an ihrem Bestimmungsort bin, und gegebenenfalls Kartenaktionen durchführen.
Im Begegnungsschritt schließlich muss ich eine Begegnung abhandeln. Entweder „begegne“ ich einem Feld, ziehe also eine Begegnungskarte (= Ereigniskarte) für den Ort, an dem ich mich befinde, oder ich begegne einem Kontakt, also einer der Nebenfiguren, die zu Spielbeginn verdeckt an den verschiedenen Planeten ausgelegt wurden. Alternativ begegne ich einer Patrouille (jede Fraktion ist mit einem Schiff im Outer Rim unterwegs, das einen auch stoppt und angreift, wenn man gerade nicht gut mit besagter Fraktion kann) oder ich führe eine Begegnungsfähigkeit aus, das heißt meist, dass ich einen Job erledige (die komplexere, aber auch lohnenswerte Art, Prestige und Geld zu erlangen).
Ganz gleich, welche Art von Begegnung ich durchführe, sehr häufig kommt es dabei entweder zu Kompetenzproben oder zu einem Kampf (etwa gegen die schon erwähnten Patrouillen). Kompetenzproben werden mit zwei der sechs achtseitigen Spezialwürfel ausgeführt. Diese zeigen Treffer, kritische Treffer und Fokussymbole (Augen) und erinnern damit sehr an die Spezialwürfel, die man beispielsweise von FFGs „X-Wing“-Spiel kennt. Die Proben werden auf eine Fähigkeit abgelegt, etwa „Wissen“, „Einfluss“ oder „Pilot“, von denen sowohl die Protagonisten als auch deren angeheuerte Nebenfiguren (Crewmitglieder) ein bis drei auf ihrer Charakterkarte aufweisen. Je nach Kompetenz (passende Fähigkeit fehlt, passende Fähigkeit einmal vorhanden, passende Fähigkeit mehrmals vorhanden) ist die Probe leichter oder schwerer zu bestehen.
Der Kampf – egal ob mit Raumschiffen im All oder zwischen zwei Charakteren am Boden – wird ebenfalls mit den Spezialwürfeln bestritten. Angreifer und Verteidiger würfeln Würfel entsprechend ihres Kampfwerts, gegebenenfalls modifiziert durch Waffen oder Crewmitglieder. Wer mehr Treffer würfelt, gewinnt, wobei kritische Treffer zwei Treffern entsprechen. Schaden nimmt aber auch der Sieger, sodass es tatsächlich passieren kann, dass man gewinnt, aber trotzdem aus den Latschen kippt. Sterben können unsere Helden natürlich nicht. Eine gute Bacta-Kur oder eine Weile im Raumdock und schon ist man einen „Planungsschritt“ später wieder vollständig geheilt.
Neben dem Spiel zu zweit bis viert gibt es auch einen Einzelspieler-Modus. Das Spiel verläuft dabei im Wesentlichen wie bei einer Mehrspielerpartie, allerdings trete ich hier gegen eine KI an, also einen Charakter, der im Wesentlichen durch die Karten in einem KI-Deck gesteuert wird. Hierbei gelten für die KI-Figur ein paar Vereinfachungen, was die Regeln angeht. Für mich ist dieser Einzelspieler-Modus allerdings nur ein Behelfskonstrukt. Ja, er funktioniert, aber richtig Laune macht „Star Wars: Outer Rim“ natürlich vor allem mit ein paar gleichgesinnten „Star Wars“-Nerds, die die filmreifen Situationen, in die man immer wieder gerät, auch richtig zu schätzen wissen (etwa wenn Lando ein High-Stakes-Sabacc-Turnier gegen Jyn Erso verliert oder Bossk mit einem Raketenwerfer Greedo auf Tatooine „besucht“).
Wenn man etwas an „Star Wars: Outer Rim“ kritisieren möchte, dann vielleicht, dass die Zahl an Markt- und Begegnungskarten begrenzt ist. 70 Begegnungskarten beispielsweise, das sind nur 10 pro Planeten-Duo. Deren Effekte hat man nach ein paar Partien alle gesehen und dann fühlt sich der narrative Teil des Spiels irgendwann etwas repetitiv an. Einerseits ist das ein Grundsatzproblem praktisch aller Spiele mit narrativer Komponente, andererseits hätten ein paar Karten mehr den Preis für das Spiel jetzt auch nicht explodieren lassen. Dafür hätte ich gern auf den Einzelspieler-Modus verzichtet.
Zum Abschluss noch ein Wort zum Spielmaterial. Das entspricht der typischen Qualität von FFG-Spielen. Die Pappmarker sind robust, der Spielplan sieht hübsch aus, es gibt ein sehr sauber angelegtes Regelwerk und alle Materialien werden von schicken, atmosphärischen Illustrationen geziert, die allerdings aus dem FFG-Bildbestand stammen, das heißt ich kenne sie bereits mehr oder minder gut aus anderen Spielen. Die Spielertableaus neigen bei mir zum Verziehen, was etwas unschön ist. Umso lobenswerter ist das beigelegte Referenzhandbuch, das zum Nachschlagen während einer Partie gedacht ist und unter allen möglichen, alphabetisch sortierten Stichpunkten die passenden Regeln und Sonderfälle auflistet. Bei unseren Partien blieb so kein einziges Mal eine Frage offen.
Fazit: Wer „Star Wars“ mag – und hier vor allem die schurkische Seite der Macht –, der wird an „Outer Rim“ seine helle Freude haben. Das Spiel vermittelt toll die Stimmung durch das All düsender Glücksritter, die am Rande des Rechts um Credits und Prestige ringen und dabei durchaus auch mal die Moral über Bord werfen, um dem Sieg ein Stück näherzukommen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, zum Sieg zu gelangen. Man kann sowohl als Schmuggler als auch als Kopfgeldjäger oder als Schrecken aller Raumpatrouillen Ruhm erringen. Das Spiel mag vielleicht kein Dauerbrenner sein – der narrative Teil fühlt sich halt nach ein paar Partien etwas repetitiv an –, aber wenn es gelegentlich auf den Tisch kommt, ist ein unterhaltsamer Abend garantiert. (Und wer gern „mehr von allem“ möchte, der sucht nach der Erweiterung „Offene Rechnungen“, die noch einmal für frischen Wind im Außenrand sorgt.)
Star Wars: Outer Rim
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
Corey Konieczka, Tony Fanchi
Fantasy Flight Games/Asmodee 2019
EAN: 4015566028005
Sprache: Deutsch
Preis: 64,99 EUR
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