Aktuelles

Richard Wagners Der Ring des Nibelungen

Mit seiner Comic-Adaption von „Der Ring des Nibelungen“ wagt sich der preisgekrönte Comic-Künstler P. Craig Russell an ein monumentales Werk: Richard Wagners vierteiligen Opernzyklus. Die Graphic Novel, im englischen Original erstmals 2001 erschienen und in deutscher Übersetzung vom Verlag Cross Cult veröffentlicht, überträgt das musikalische Epos ins moderne Medium der Bildergeschichte – und bietet damit eine neue Perspektive auf eines der bedeutendsten Werke der Musik- und Sagengeschichte.

von Simon Ofenloch

Richard Wagners sogenannter „Der Ring-Zyklus“ basiert lose auf der Nibelungensage und nordischer Mythologie. Im Zentrum steht ein mächtiger Ring, geschmiedet aus Gold, der seinem Träger unermessliche Macht verleiht – aber auch unweigerlich Verderben bringt. Der Zyklus folgt den Schicksalen von Göttern und Menschen, Riesen und Zwergen, Helden und Monstern, erzählt von Wotan, dem Göttervater, den Zwillingen Siegmund und Sieglinde, bis hin zu Siegfried und Brünnhilde, neben Alberich, Hagen, den Walküren und dem Drachen. Liebe, Verrat, Machtgier und Untergang durchziehen die vier Teile – „Das Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ – bis zur finalen Katastrophe, zum Untergang, zum Ende der Weltordnung.

Dem US-amerikanischen Comic-Künstler Philip Craig Russell gelingt in seiner Adaption Bewundernswertes: Er verdichtet Wagners umfangreiche Tetralogie auf beinahe 450 Comic-Seiten, ohne dabei die erzählerische Tiefe zu schmälern. Dabei folgt er dem Libretto erstaunlich eng, mit Streichungen dort, wo Redundanzen vermieden werden können, und Umplatzierungen, wenn sie das Verständnis erleichtern. Besonders auffällig ist die visuelle Umsetzung der musikalischen Leitmotive: Ob das Schwert „Nothung“, der Fluch des Rings oder Brünnhildes Feuerring – Russell findet für jedes Thema eine passende Bildentsprechung und -sprache.

Der Zeichenstil ist opulent, die Gestaltung der Bilder abwechslungsreich. Die Motive mit klaren Linien und ausdrucksstarken, intensiven Farbflächen erinnern stilistisch mal an Jugendstil, mal an klassische Superheldencomics. Dramatische Momente werden oft mit ganzseitigen Panels oder dynamischen Layouts, auch auf prächtigen Doppelseiten, inszeniert. Dabei wechseln sich ruhige, kontemplative Passagen mit theatralischen Höhepunkten ab – ganz im Geiste Richard Wagners.

Besonders gelungen ist die visuelle Charakterisierung der Figuren: Wotan erscheint imposant und altersweise, mit durchdringendem Blick, während Siegfried eher jugendlich-unbekümmert gezeichnet ist. Auch die mythologischen Orte – Walhall, der Walkürenfelsen, Alberichs Reich – sind atmosphärisch und symbolkräftig umgesetzt. Die deutsche Übersetzung ist gelungen: Sie trifft den Ton der zugrundeliegenden Vorlage, wirkt aber nie antiquiert oder sperrig.

Fazit: P. Craig Russell hat mit „Der Ring des Nibelungen“ eine Graphic Novel geschaffen, die sowohl Wagner-Enthusiasten, Mythen- und Fantasy-Interessierte als auch Comic-Fans begeistern kann. Die Adaption beeindruckt durch ihre visuelle Kraft, auch in der Farbgestaltung, Werktreue und narrativen Dichte. Als Gesamtkunstwerk aus Text und Bild auf eindrucksvollen 450 Seiten eine gelungene Inszenierung der besonderen Art. 

Richard Wagners Der Ring des Nibelungen
Comic
P. Craig Russell, Patrick Mason, Lovern Kindzierski
Cross Cult 2023
ISBN: 978-3-96658-943-7
448 S., Hardcover, deutsch
Preis: 49,99 EUR

bei amazon.de bestellen (Partnerlink)