Aktuelles

Galactic Cruise

„Galactic Cruise“ erscheint in diesen Tagen auf Deutsch beim PD-Verlag. Das auf Kickstarter ins Leben gerufene Spiel ist ein Erstlingswerk: Sowohl der Verlag Kinson Key Games als auch die Autoren T. K. King, Dennis Northcott und Koltin Thomson haben sich das erste Mal Brettspiel-kreativ ausprobiert, wenn man vom unbekannten „Delivirus“ (2020) einmal absieht. Ist es nun dem Brettspieler eine Freude, Weltraumtrips zu planen und zu bewerben, Raumschiffe zu bauen und auszubauen und für genug Verpflegung an Bord zu sorgen? Wir wissen mehr in T-10, 9, 8, 7, 6, start your engines …

von LarsB

Das Spielmaterial

„Galactic Cruise“ gibt es als Standardversion und, seinen Crowdfunding Genen gerecht werdend, als Deluxe-Version mit schöneren Komponenten. Um es gleich am Start einmal loszuwerden: Die Deluxe-Komponenten sind wirklich sehr hochwertig. Das rechteckige Metallgeld weiß genauso zu überzeugen wie der hochwertige Kunststoff der Werbeplättchen, die in der Standardversion jeweils als Pappplättchen ausgeführt sind. Wenn man die Luxusversion hat, kann man sich das Spiel mit der Pappe kaum mehr vorstellen. Glücklicherweise kann man seine Ansprüche schon direkt bei Bestellung des Spiels verderben, da die Deluxe-Komponenten zurzeit im Bundle mit dem Spiel zu erstehen sind.

Die Wahrheit ist aber auch, dass das Spiel eh sehr gut ausgestattet ist. Wirklich gute Doublelayer-Playerboards, Trays, Trays, Trays. Und die sind von game trayz, der Tray-Hersteller-Referenz. Alles übersichtlich, wirklich funktional und mit viel Liebe – so wie die Raketentrays für die Spielerkomponenten. Das hilft wahnsinnig, die Aufbauzeit des Spiels im Rahmen zu halten. Kleiner Wermutstropfen: Aufgrund der Schwankungen bei der Stärke der verwendeten Pappe, passen womöglich nicht alle Raketenmodule in die dafür vorgesehene Schachtel. Wenn man Glück hat, dehnt sich die Pappe der Schachtel noch etwas unter Plättchenspannung. Was nicht passt, wird passend gemacht.

Die Illustrationen sind wahrlich nett anzuschauen. Das Spielbrett ist unglaublich gut strukturiert. Verantwortlich dafür war Ian O’Toole. Ah, deshalb. Rein optisch erinnert das Spiel schwer an einen hervorragend produzierten Vital-Lacerda-Titel von Eagle-Gryphon Games. Das ist eine Auszeichnung. Das Spiel hat eine tolle Tischpräsenz. Dazu tragen auch die bedruckten Holzfiguren bei, die fern der Standard-Meeple geformt sind. Große hölzerne Zahnräder etwa geben dem Zuschauer einen ersten Hinweis auf die Verzahntheit der Mechanismen.

Hervorzuheben ist das sehr gut geschriebene und strukturierte Regelheft. Alles wird in nebenstehenden Beispielen nochmal konkretisiert. Das Nachlesen von Regeln wurde durch die klar voneinander unterscheidbaren Kapitel sehr erträglich gestaltet . Für das schnelle Nachschauen von Symbolbedeutungen gibt es ein Kompendium. In dem findet man, angehängt als Flavour Text, die Marketing-Beschreibung eines jeden Raketenmoduls. Wie abgefahren ist das denn? Sowieso, die Raketenmodule haben eine besondere Liebe erfahren. Es gibt zum Beispiel eine Pianolounge oder ein Aussichtsdeck für den Ruhe liebenden Gast, ein Zero-Gravity-Deck für den aktiven Gast und den Area-51-Streichelzoo oder einen Wasserrutschen-Park für die Familien. Besonders gut: Die Regeln für die separat erhältlichen Erweiterungen sind bereits übersichtlich in das Regelheft eingearbeitet. Auch das Papier der Hefte fühlt sich gut an. Es sind Spielerhilfen als achtseitige Mini-Handbücher für jeden Spieler beigelegt. Sogar eine Anleitung für das geregelte Einräumen aller Trays ist eine Broschüre gewidmet worden. Ich verstehe allerdings nicht, wie ich das obere Tray unfallfrei aus der Schachtel bekommen soll. Insgesamt ist der Preis gerechtfertigt. In der Vorbestellphase bis zum 25.5.25 ist er gerade noch so zweistellig und damit schon sensationell günstig und deutlich günstiger als bei Kickstarter.

Der Spielablauf

Es ist eigentlich ganz einfach. Ist man am Zug, hat man eine von drei Optionen. Man setzt auf dem Spielbrett einen Arbeiter ein. Andere Arbeiter stören nicht. Die werden beim Einsetzen der eigenen Figur einfach wieder nach Hause geschickt und stehen den Mitspielern wieder zur Verfügung. Sollte man keinen Arbeiter mehr haben, dann holt man eben alle Arbeiter wieder zurück aufs eigene Spielbrett. Es sei denn, die sind gerade im All. Im All? Ja, das ist die dritte Option: Schicke Deinen Arbeiter als Raumkapitän auf eine Weltraumtour. Die Kunden warten schließlich schon. Hoffentlich.

Gut, in Details wird es dann schon etwas anspruchsvoller. Jedem Einsetzfeld sind zwei Aktionen zugeordnet. Ich kann mit dem Einsetzen zwei Aktionen (auch mehrfach) abhandeln. Möchte ich die Aktionen eines benachbarten Einsetzfeldes nutzen, kann ich das, wenn zwischen beiden Aktionen ein Zahnrad liegt. Ist das meines, ist das Wahrnehmen der erweiterten Aktionsauswahl gratis. Sonst muss ich jedem Spieler mit Zahnrad zwischen den Aktionen ein paar Space-Dollar zahlen – abhängig von meinem Standing auf der Ansehensleiste. Zahnräder kann ich legen, um also bei meiner Aktionsauswahl flexibler zu werden. Ich kann aber auch Zahnräder legen, um Technologien für mich freizuschalten. Jetzt wird irgendetwas billiger für mich oder ich kann etwas besser. Zahnräder auf dem allgemeinen Spielplan erhöhen die Lagerkapazität des Spielers für Kraftstoff, Sauerstoff und Nahrung. Das ist gut, wenn man mehr Gäste in größeren Raumschiffen auf weitere Touren schicken möchte. Das ist effizienter. Mehr eingesetzte Zahnräder vergünstigen gleichzeitig auch den Kauf eines weiteren Arbeiters, eines Experten-Arbeiters mit einer speziellen Fähigkeit. Welche das ist, nun ja, auch das variiert von Partie zu Partie.

Sauerstoff, Nahrung und Treibstoff kann ich am Markt kaufen. Dafür muss dieser aber auch die Rohstoffe bereitstellen (lassen). Sind die Regale leer, kann ich für das Auffüllen sorgen. Dann bekomme ich zu Belohnung Geld und Ansehen. Wir erinnern uns, Ansehen verringert die Kosten für das flexible Einsetzen von Arbeitern. Ansehen gibt aber auch Siegpunkte am Ende des Spiels. Wie übrigens auch eingesetzte Zahnräder … Und Ansehen, wenn ich es ausgebe, gibt mir auch zum Beispiel einen dringend benötigten Zusatzrohstoff (auch wenn mein Lager nicht reicht). Letzteres bekomme ich aber auch über Agendakarten, die ich mir aus der Auslage nehmen kann, vorausgesetzt, es liegen dort welche. Diese können auch gegen Boni wieder aufgefüllt werden. Agendakarten können anstatt als Rohstoff zu fungieren aber ebenso tolle Einmalboni für fast jede Spielphase bereithalten. Und ich brauche eine Agendakarte, um, wie oben beschrieben, das Rohstofflager wieder aufzufüllen.

Und es sind noch keine Raumschiff gebaut, keine Blaupausen für einen Raumschiffausbau erworben, keine Kreuzfahrroute geplant, keine Kunden angeworben worden. Module für den Raumschiffausbau kann man bei Erwerb der Blaupausen übrigens direkt bauen, wenn man dafür Ansehen ausgibt. Sonst braucht man dafür eine extra Aktion. Schon gut. Ich höre hier an dieser Stelle auf. Es ist noch kein Raumschiff gestartet, kein Weltraumspaziergang durchgeführt, kein Planet besucht worden. Es gibt übrigens drei Planetenarten, auf denen sich Sonderboni ganz Engine-Builder-mäßig freischalten lassen. Gut, gut! Ich höre jetzt wirklich auf.

Getaktet wird das Spiel über die Weltraumflüge und das Erfüllen von Sondermissionen, die, man ahnt es, sich von Partie zu Partie unterscheiden. So ist das Spiel in drei Abschnitte unterteilt, die jeweils von Zwischenwertungen unterbrochen sind.

Am Ende des Spiels gibt es Siegpunkte für allerlei: für die Raumschiffe, von denen jedes einzelne unterschiedliche Wertungskriterien hat, für die Raketenmodule, die Zahl der gemachten Raumflüge, übrige Rohstoffe, etc.

Das Spielgefühl

Wow! Falsch. WOW! Was ist das denn für ein krasses Spiel?! Hier ist wirklich alles miteinander verzahnt, wie ich ja schon oben beispielhaft zu zeigen versucht habe. Damit müssen Züge wirklich geplant werden. Ohne Kraftstoff, kein Raumflug. Ohne Raumflug, keine Punkte, keine Boni, keine Sonderfertigkeiten. Ohne Werbemittel keine Kunden und kein bonusträchtiger Planetenbesuch. Ohne Geld keine Raketenmodulausbauten und kein Raumflug. Ohne Raumflug wird’s mit dem Geld schwierig.

Was mache ich wann, um mit meinen Startmitteln schnell in einen produktiven Modus zu kommen? Wie optimiere ich die Chance, vom Aktionsfeld herunter geschubst zu werden, um meine Aktionen effektiver durchführen zu können? Baue ich viele kleine Raumschiffe? Baue ich schnell ein großes Raumschiff? Auf welche Kunden spezialisiere ich mich? Hole ich mir Experten-Arbeiter? Wenn ja, wann? Und zu welchem Preis? Es gibt so viele Möglichkeiten. Aber alles, was man tut, eröffnet neue Möglichkeiten. Zum Glück bietet da Spiel mit der Ansehensleiste eine Möglichkeit, „zu atmen“. Fehlt mal etwas, kann man das hier unter Verlust seines Ansehens nachbekommen. Trotzdem: Timing und gute Planung spielen an so vielen Stellen eine unglaublich große Rolle.

Und so Vieles bei „Galactic Cruise“ ist modular. Die Aktionen zum Beispiel werden in jeder Partie neu zusammengewürfelt. Damit ergeben sich in jeder Partie neue „Hotspots“ auf dem Spielplan. Hier möchte man hin, um vom Einsetzfeld heruntergestoßen zu werden. Das gibt nämlich ein kleines Einkommen und einen wieder frischen, eins(a/e)tzbereiten Arbeiter. Die Technologie-Plättchen sind von Partie zu Partie verschieden und erlauben in ihrer Kombination immer wieder neue Strategien. Die 36 Agendakarten haben Einfluss auf die Taktik, genau wie die in jeder Partie unterschiedlichen Boni für unsere Kunden bei Weltraumspaziergängen. Was will ich damit sagen? Das Spiel nutzt sich so schnell nicht ab. Trotzdem hätte ich mir noch ein paar weitere Agendakarten gewünscht. Die Agendakarten am Rand des Spielbretts sind darüber hinaus nicht für alle Spieler gleich gut ablesbar. Durch ihren hohen Textanteil kann das durchaus hinderlich sein. „Moment mal, ich komme mal eben auf die andere Seite des Tisches und lese mir die Agendakarten durch.“

Die Spielerinteraktion ist bei „Galactic Cruise“ sehr positiv. Man freut sich, vom Board geschubst zu werden und fühlt sich förmlich „gedisst“, wenn man dabei umgangen wird. Insbesondere den punktemäßig vorne liegenden Mitspielern könnte so etwas passieren. Catch-up light – so enteilt ein vorne liegender Spieler nicht zu schnell.

Es ist einfach ein frisches Setting, in dem das liebevoll gestaltete „Galactic Cruise“ unterwegs ist. Es ist zweifelsohne ein Expertenspiel und eher nichts für Leute, die „Siedler von Catan“ für ein komplexes Spiel halten. „Galactic Cruise“ ist aber für seine Komplexität sehr zugänglich. Die Aktionen sind sehr klar. Alles ist aufgeräumt. Und die exzellenten Spielerhilfen sind eine echte Unterstützung. Insofern ist „Galactic Cruise“ insbesondere auch eine Empfehlung für die Spieler, die sich mal in den expertigen Bereich vorwagen wollen. Hier verliert er – bei aller Verzahnung – seinen Schrecken.

Fazit: T-2, 1, … „Galactic Cruise“ ist in puncto Gestaltung, Ausstattung, Thema, Zugänglichkeit und Eleganz ein herausragendes Expertenspiel. Dieses Spiel wird aus meiner Sicht eines der Spiele sein, die viele Jahrgänge überleben werden. Da lege ich mich fest. Wer schon einige Spiele gespielt hat und nun mal ein Expertenspiel probieren möchte, dem sei „Galactic Cruise“ sehr ans Herz gelegt. Wer schon Expertenspieler ist, das Thema mag und das Geld erübrigen kann, sollte „Galactic Cruise“ unbedingt ins Auge fassen. T-0, lift off! Oh, warte, ich hab’ ja gar nicht genug Treibstoff …

Galactic Cruise
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
T.K. King, Dennis Northcott, Koltin Thomson
PD-Verlag 2025
EAN: 4260754850122
Sprache: Deutsch
Preis 99,00 EUR

auf pd-verlag.de bestellen