von Ansgar Imme
Wie auch die „Simyala“-Rollenspiel-Kampagne findet auch die Buchreihe ihre Fortsetzung. Meist gelten die Mittelbände einer Buch- oder auch Filmreihe als schwächer als ihr Beginn oder das Ende, da sie Handlungen fortführen oder künftige Ereignisse vorbereiten müssen. Andererseits gilt im vielleicht bekanntesten Film-Universum – „Star Wars“ – der zweite Teil der klassischen Trilogie bis heute als Höhepunkt der Saga. Und auch wenn es sich bei „Bote der Finsternis“ nur um den zweiten von vier Bänden handelt, befinden wir uns doch irgendwie in der Mitte. Und es stellt sich die Frage, ob eine Steigerung zum ersten Band zu erleben ist.
Vom Autorenduo Lena Falkenhagen und Thomas Finn hat vor allem Letzterer schon einige Erfahrungen in Trilogien oder Mehrbändern. Aber auch ansonsten bringen beide profunde Kenntnis in der Spielwelt „Das schwarze Auge“ mit, sind sie doch ehemalige Autoren für Hintergrundbände und Abenteuer wie auch Romane. Und ganz abseits von „DSA“ haben sich beide als Romanautoren vorwiegend im phantastischen und historischen Genre einen Namen gemacht.
Auf fast 500 Seiten erwartet die Leser die Fortsetzung der Geheimnisse um die uralte, verborgene Elfenstadt Simyala und deren Widersacher, wie die mehrere Jahrtausende alte Dunkelelfe Pardona, den Piratenkapitän Beorn den Blender und als Übel hinter allem den Namenlosen Gott.
Ein Lob bereits vorweg: Neben einem kleinen aventurischen Glossar am Ende des Bandes wurde im vorderen Einband auf einer Doppelseite eine schöne farbige Übersichtskarte der Handlungsorte beigelegt, sodass man während des Lesens immer wieder mal nachschauen kann, wo sich die Protagonisten befinden. Ebenso sind zwei Stadtkarten mit Markierung wichtiger Orte enthalten, die auch innerhalb der zwei wichtigsten Handlungsorte eine Orientierung ermöglichen.
Zum Inhalt
Nach der Befreiung Allerichs von Falkengrund und dem Sieg über die Schergen des Namenlosen versuchen Wulfhardt, Franya und Lindion das Geheimnis eines Smaragds zu ergründen, welchen sie von der Fee Ulfindel in ihrem Abenteuer erhalten haben. Es zeigt sich, dass ein Blick in den Edelstein das Abbild eines uralten elfischen Artefakts zeigt – der Harfe der Zwölfwinde. Mit dieser soll man angeblich die zwölf aventurischen Winde befehligen können. Wollen die Schergen des Namenlosen diese erbeuten, um Unheil über die Welt zu bringen?
Die Wege der Freunde trennen sich: Franya reist mit der elfischen Gräfin Naheniel von Quellentanz nach Punin, wo in der dortigen Magierakademie die Harfe verwahrt sein soll und sie diese an sich bringen wollen. Wulfhardt hingegen hat Hinweise auf den Heiligen Geron den Einhändigen gefunden, welcher vor zweitausend Jahren schon einmal Simyala gefunden haben soll. An einer Gedenkstele im Reichsforst erhofft er sich weitere Hinweise und begibt sich mit Lindion, seinem orkischen Halbbruder Alrik sowie Allerich auf die Suche.
Die thorwalische Skaldin Eyvin startet mit ihrer neuen Freundin Vike von der Hafenstadt Havena den Weg nach Punin, wo sie ihren Vater Beorn den Blender vermutet. Doch es stellt sich heraus, dass sie aus unerfindlichen Gründen von Dienern des Namenlosen verfolgt und gefunden werden können. Dies kulminiert in einer gefährlichen Auseinandersetzung.
In Punin kreuzen sich schließlich die Wege der beiden mit Franyas und auch ein erstes Aufeinandertreffen mit ihrem Vater Beorn lässt nicht auf sich warten. Im Austausch erkennen sie, dass ihre jeweiligen Erlebnisse miteinander verbunden sind und sie gemeinsam unbedingt die Harfe vor den Widersachern des Namenlosen sichern müssen. Doch ihr Plan nimmt einen anderen Verlauf als vorgesehen und sie benötigen ein Bündnis mit einer Sekte der Halbgöttin Mada, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Aber ihre Gegner scheinen ihnen immer einen Schritt voraus zu sein …
Wulfhardt und seine Begleiter müssen sich in der Wildnis ganz anderen Gefahren erwehren, als sie den alten Geheimnissen nachforschen. Dabei entdeckt Wulfhardt, dass einst auch schon sein Vater diese Mysterien zu ergründen versuchte. Diese Erkenntnis bezahlt er mit einem bitteren Verlust. Sein Weg führt ihn mit den Gefährten zunächst zu einer alten Feste, die schon länger als Stützpunkt des kaiserlichen Geheimdienstes dient und von wo aus ihn die letzte Nachricht zu seinem Vater erreichte. Allerdings endet seine Reise erst überraschend in seiner Heimat in Darpatien. Seine Gefährten und er müssen sich mit einer Intrige herumschlagen, die in höchste Kreise reicht und zeigt, dass die Pläne des Namenlosen schon viel weiter vorgedrungen sind, als sie dachten.
Bewertung
Es ist gerade bei spannenden Romanen, die zudem nach und nach Geheimnisse aufdecken, immer schwer, den Inhalt wiederzugeben, ohne zu viel zu verraten. Wem die obige Zusammenfassung nicht spannend genug erscheint, dem sei versichert, dass die Handlung noch wesentlich packender, wendungsreicher und überraschender ist. Das liegt vor allem daran, dass die beiden Autoren sich stärker von der Abenteuer-Vorlage lösen als im ersten Band.
Neben der Handlung um Eyvin bildet vor allem der Handlungstrang Wulfhardts einen neuen Teil (welcher sich wiederum noch in zwei Abschnitte aufgliedert), der im zweiten Abenteuer und in der Kampagne gar nicht enthalten war. Hier verbinden die Autoren elegant Hintergründe aus der Spielwelt mit der Handlung und führen damit auch einen Teil der Vergangenheit Wulfhardts fort, mit dem man nicht unbedingt gerechnet hatte. Dadurch dass dieser Strang ganz neu ist, können sie zudem aus dem Vollen schöpfen und Handlung, Orte, Widersacher oder Informationen vollkommen frei einbauen und auch Leser, die die Rollenspiel-Kampagne gespielt haben, überraschen. Besonders dieser Teil wirkt damit besonders gut und abwechslungsreich.
Da das zweite Abenteuer der Kampagne sehr offen gestaltet ist, wirkt sich dies auch in der Romanhandlung aus. Als Spieler wird man vermutlich einen anderen Ablauf erlebt haben und vor allem die Erlebnisse in der Akademie anders wahrnehmen. Trotzdem gibt es natürlich oft ein Wiedererkennen oder ein Verbinden mit einer leicht anderen Handlung. Aber auch ohne jedwede Kenntnis der Rollenspiel-Kampagne oder überhaupt des Rollenspiels „DSA“ kann man mitfiebern und das Buch genießen. Als „DSA“-Kundiger bekommt man durch die jahrelange Erfahrung und Kenntnis der beiden Autoren um Aventurien erneut noch tiefere Einblicke über die Erwähnung von Orten, historischen Ereignissen oder Orten, mit denen man sofort eigene Erinnerungen verbindet.
Zu loben ist dazu, dass die Autoren die Lebendigkeit der Spielwelt auch verdeutlichen, wenn Wulfhardt etwa auf Folgen der Handlungen Eyvins und Vikes trifft und Orte nicht statisch auf die Ankunft der Romanfiguren warten. Man hat einfach den Eindruck, dass die Welt lebt und auch ohne den Roman die Zeit fortschreitet. Im Gegensatz zum ersten Roman wird auch aventurisches Hintergrundwissen nicht so sehr mit dem Holzhammer über allwissende Charaktere vermittelt, sondern nebenbei eingestreut, was einfach natürlicher wirkt. Gleichzeitig erhält ein neutraler Leser, der das Rollenspiel nicht kennt, trotzdem wichtige Informationen zur Einordnung von Personen, Orten oder Göttern.
Wie in Band 1 beginnt die Handlung etwas ruhiger und braucht einige Seiten, um mehr Fahrt aufzunehmen. Das heißt nicht, dass man sich anfangs langweilt, da durchaus Geheimnisse aufgedeckt werden beziehungsweise eine gefahrvolle Stimmung herrscht. Aber nach vielleicht 80 Seiten ziehen das Tempo, die Spannung und die Gefahr, die den Protagonisten droht, deutlich an. Vor allem die beiden neuen Handlungsstränge um Wulfhardt und seine Gefährten wissen zu überzeugen und lassen ein Feuerwerk an Mysterien und neuen Entdeckungen auf den Leser niedergehen. Doch auch Franya, Eyvin und Vike haben viel zu erleben und müssen sich vor allem einem mächtigen Widersacher stellen. Dann ist es in allen drei Handlungen am Ende schade, dass sie erst mal zu einem Ende kommen, da man doch unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht und wie die jeweiligen Personen auch wieder zueinander finden.
Sowohl die Personen als auch die Orte werden durch die beiden Autoren erneut hervorragend zum Leben erweckt. Wulfhardt wirkt nicht mehr so allwissend, sondern auch zweifelnder und mitfühlender, Lindion lernt man von einer anderen Seite kennen, Franya muss sich Ängsten aus der Vergangenheit stellen und zwischen Vike und Eyvin kriselt es trotz aller Zuneigung. Allerich und der heimliche Held Alrik bleiben als einzige etwas zurück, was angesichts der Personenriege vielleicht verständlich ist. Aber auch die Orte, vor allem Punin, werden fühlbar zum Leben erweckt, sodass man stets Bilder vor Augen hat.
Fazit: Nach einem guten Einstieg im ersten Band ist noch einmal eine deutliche Steigerung in Spannung, Tempo, Dramatik und Abwechslungsreichtum im zweiten Band zu sehen. Durch die Erweiterung der Abenteuer-Handlung um zusätzliche Geschehnisse erhält auch ein Kenner der Kampagne und des Abenteuers einen deutlichen Zugewinn an Lesefreude. Für Neueinsteiger in die Welt Aventurien und „Das schwarze Auge“ leidet aber keineswegs der Lesespaß, sondern man bekommt eine bunte und spannende Handlung serviert, die eben auch für diese Leser das Vergnügen hochhält.
Im Schatten Simyalas 2 – Bote der Finsternis
Rollenspiel-Roman
Lena Falkenhagen, Thomas Finn
Piper 2025
ISBN: 978-3-492-70962-0
496 S., Paperback, deutsch
Preis: 17,00 EUR
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