Der Ruf des Berges

Vor mehr als 20 Jahren wurde die Heldenzeit der Zwerge ausgerufen. Doch die Zwergenvölker sind uneins in ihren Zielen und streiten untereinander. Als es in der Grafschaft Isenhag zu unheimlichen Visionen kommt und gleichzeitig auf den Hochkönig der Zwerge ein Anschlag verübt wird, liegt es an den Helden, diese Vorkommnisse aufzudecken und die Übeltäter zu entlarven. Aber selbst dann gibt es noch Hinweise auf eine größere Bedrohung ...

von Ansgar Imme

Schon vor der 5. Edition von „Das Schwarze Auge“ („DSA“) und damit schon seit vielen irdischen Jahren wurde für die Zwerge von einer „Heldenzeit“ und neuen Herausforderungen und einer Schicksalsschlacht gesprochen. Doch Abenteuer um die Zwergenvölker blieben eher rar, ganz zu Schweigen davon, dass man sich obigen Themen bei den Zwergen widmete. 

Mit „Der Ruf des Berges“ leiten die Autoren Felix Pietsch und Christoph Trauth die Ereignisse um das Schicksal der Zwerge ein, welches durch eine sechsbändige Kampagne fortgeführt wird. Die beiden Autoren haben für die 5. Edition bereits etliche Abenteuer  und Beiträge zu Spielhilfen und Regionalbänden verfasst und auch deren Redaktion übernommen und weisen damit eine profunde Kenntnis der Spielwelt auf. 

Zum Inhalt

Die Helden begeben sich auf dem Großen Fluß auf eine Schiffsreise in Richtung der zwergischen Stadt Calbrozim. Als sie einem durch Piraten angegriffenen Schiff zu Hilfe eilen, können sie einen Mordanschlag auf den inkognito reisenden Hochkönig der Zwerge Albrax verhindern. 

Dieser beauftragt sie mit Ermittlungen, um die Hintergründe herauszufinden. Als sie in Calbrozim eintreffen, stoßen sie auf Konflikte zweier Zwergengruppen, in dessen Folge der Sohn des Grafen der Stadt ermordet wird. Die weiteren Erkundigungen der Helden ergeben, dass eine Verschwörung von abtrünnigen Zwergen dahintersteckt, die durch eine unbekannte Person aus den nördlich gelegenen Wäldern finanziert wird. 

Die Suche nach diesem Auftraggeber führt die Helden tief in die Wälder und Berge des Tannwalds. Sie erhalten Hinweise, dass ein alter Schutzbann gegen die Drachen abnimmt und erkennen schließlich, dass verblendete Geoden hinter den Plänen stecken. Diese werden von einem uralten Widersacher der Zwerge unwissentlich gelenkt, welcher dadurch seine Freiheit wiedererlangen will.

Es gilt, einen Pakt mit einem Feind der Zwerge zu schließen, um einen noch größeren Feind bezwingen zu können. In den Ruinen einer alten unterirdischen zwergischen Stadt müssen sie sich dem mächtigen Gegner stellen und um ihr Leben kämpfen. 

Kritik

Das Thema Zwerge und deren Heldenzeit wurde seit vielen Jahren bei „DSA“ unberührt liegen gelassen. Umso mehr freut es einen, dass mit einem umfangreichen und leicht epischen Abenteuer die Zwerge wieder in den Mittelpunkt gerückt werden. Mit 112 Seiten haben die Autoren und der Verlag sich viel Platz genommen, um das Abenteuer auszubreiten. Dies nutzen sie gleich zu Beginn, um auf zehn Seiten zwergische Begriffe zu erläutern und eine längere Abhandlung über Historie und Vergangenheit der Zwerge zu schildern. Dies schafft ein gutes Verständnis für den Spielleiter über die spätere Handlung sowie die verschiedenen Gegner und deren Motive. Dazu ist dies auch für andere Abenteuer rund um Zwerge gut nutzbar, ebenso wie die spätere Kurz-Spielhilfe zur Stadt Calbrozim.

Angesichts von über 100 Seiten, einer umfassenden Handlung, verschiedenen Orten und Personen ist dagegen das Inhaltsverzeichnis nicht tragbar. In bisherigen Rezensionen zu „DSA“-Abenteuern wurde schon mehrfach dieses Problem thematisiert. Bei 64-Seiten-Abenteuern kann man das eher mal verschmerzen. In einem so umfangreichen Band, welcher auch längere Regelelemente im Anhang sowie Handouts enthält, führt dies aber oft genug zu Blätterei, zudem auch kein Index enthalten ist (welcher allerdings hier im Gegensatz zu Regelbänden auch kein Muss ist). 

Das Abenteuer nutzt die klassische Drei-Akt-Struktur. Die Handlung ist abwechslungsreich, spannend und bietet viele Herausforderungen. Gleichzeitig ist eine gute Mischung aus Recherche, Kämpfen, Verhandlungen und Rollenspiel vorhanden. Damit werden einerseits unterschiedliche Spielertypen bedient und andererseits kommen auch die Stärken der Spielercharaktere zum Tragen. Zudem wird durch die Autoren versucht, eine gewisse Stimmung und Atmosphäre in die Handlung zu tragen. Während sich die Spieler im ersten Abschnitt in der weitestgehend noch gewohnten Umgebung einer Stadt bewegen, steigt die Fremdartigkeit und Bedrohlichkeit durch den düsteren Tannwald im zweiten Teil sowie dann durch die verlassene und beengte Zwergenmine im Abschlusskapitel immer weiter an. Auch die Gegner wie auch die Entdeckungen nehmen zu, wenn sich diese von Zwergen zu Geoden und Elementaren bis zu leibhaftigen Drachen steigern. 

Der erste Part bedient vor allem Spieler und Charaktere, die Nachforschungen und erste kleine Kämpfe zu schätzen wissen. Hinweise sammeln, Folgen kombinieren und viele Möglichkeiten zum Rollenspiel stehen im Vordergrund. Die Recherche aber auch schon Erkenntnisse auf der Anreise werden durch Talentproben unterstützt, deren Ergebnisse den Wissensgewinn der Helden symbolisieren. Mit einer kurzen Stadtbeschreibung inklusive Karte und einer Personenauswahl erhält der Spielleiter zudem ausreichend Anlaufpunkte für die Helden. Mittels verschiedener Ereignisse, die zu Hinweisen führen, können die Spieler und Helden die Verdächtigen eingrenzen. Je nach Spieler- und Spielleiterlaune kann dieser Teil durchaus stringent gespielt werden, bietet aber auch die Möglichkeit, das Ganze auszuweiten. 

Auch wenn man bei einer Reise durch eine Wald- und Gebirgslandschaft noch mehr Freiheit erwarten könnte, ist im zweiten Akt die Handlung im Vergleich zum Auftakt begrenzter. Es gilt, verschiedene Orte zu erreichen und dort in Begegnungen Wissenswertes in Erfahrung zu bringen. Ein bestimmter Verlauf wird durch Fortschrittsmarker honoriert, die einen Vorteil oder Nachteil am Ende des Kapitels bei der Gewinnung eines Verbündeten bringen. Die Begegnungen sind durchaus interessant und bieten Herausforderungen, trotzdem fühlt es zumindest beim Lesen etwas sehr geführt an. Man wird aber am Ende des Abschnittes durch die Begegnung und mentale Auseinandersetzung mit einem Kaiserdrachen belohnt. Hier stellen die Autoren wirklich viele Optionen zur Verfügung, wie diese Begegnung verlaufen, welche Erkenntnisse man gewinnen und wie man diese Macht als Verbündeten gewinnen kann. 

Im Abschlussteil bleibt am wenigsten Handlungsfreiheit für die Spieler. Mit Ausnahme der Erkundung der kleinen Zwergenstadt läuft alles auf das Ziel der Konfrontation mit dem Endgegner zu. Dafür steigt die Stimmung und auch bereits in der Vorbereitung die Macht der ersten Gegner, auf die man trifft. Hier können sich Spieler mit Faible für Taktik und Kampf so richtig ausleben. Für Spieler, die aufs Suchen und Plündern stehen, bietet die Zwergenstadt einige Möglichkeiten. Und für Rätselfreunde wird mit einem Soduku-ähnlichen Mosaikrätsel auch etwas parat gehalten. Der eindeutige Höhepunkt ist natürlich das epische Finale im Kampf gegen den magisch gestärkten Drachen, der dort seit Jahrtausenden gefangen gehalten wurde. Durch dessen Macht läuft es aber mehr auf eine Konfrontation gegen seine – immer noch sehr mächtigen – Handlanger hinaus. 

Insgesamt bietet das Abenteuer eine gute Mischung verschiedener Spielstile und Orte, die für fast alle Spieler und Helden etwas bietet und Erfolge ermöglicht. Der Freiheitsgrad in der Handlung nimmt naturgemäß in einem offiziellen Abenteuer ab, da es sich nicht um eine Sandbox handelt, sondern nun mal zumindest ein gewisses Ende vorgegeben ist. Damit müssen sich die Spieler abfinden. 

Fazit: Endlich mal wieder Zwerge! Geboten wird eine bunte Mischung aus Rollenspiel, Recherche und Kampf in einer eher unbekannten und noch nicht bespielten Gegend. Das ermöglicht viel Spielspaß. Auch wenn die einzelnen Elemente an sich wenig Neues bieten, sind sie doch gekonnt zusammengesetzt und treiben eine Spielgruppe durch eine spannende Handlung. Einzig mit dem Ende muss man sich anfreunden können, dafür wird man immerhin mit Epik und seltenen Widersachern belohnt. 

Der Ruf des Berges
Abenteuerband
Felix Pietsch, Christoph Trauth
Ulisses Spiele 2025
ISBN: 978-3-98732-170-2
112 S., Hardcover, deutsch
Preis: 39,95 EUR

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