Ultima Ratio – Im Schatten von Mutter – Regelwerk 2.0

„Ultima Ratio – Im Schatten von Mutter“ will den Beweis antreten, dass es für Eigenentwicklungen im professionellen Design durchaus noch eine Nische im deutschen Rollenspielmarkt gibt. Mal sehen, wie das gelingt!

von André Frenzer

Der Untertitel von „Ultima Ratio – Im Schatten von Mutter“ lautet „Ein Dystopisches Science-Fiction-Rollenspiel“. Damit sind bereits die wichtigsten Grenzen gesteckt. Während das Cover der Erstauflage von einem großen Logo geprägt wurde, lächeln uns vom Cover der Zweitausgabe zwei Bewohner dieser dystopischen Welt entgegen und vermitteln so einen ersten Eindruck von dem Spiel. Das weiß schon einmal zu gefallen, doch wie verhält es sich mit dem Spiel selbst?

Hintergrund


Eröffnet wird der 64-seitige Softcoverband mit einer knappen Hintergrundbeschreibung. Die Geschichte des Settings liest sich nicht ungewöhnlich: Vor wenigen hundert Jahren erreichte die Menschheit, welche auf Generationenschiffen ihren sterbenden Heimatplaneten verließ, eine neue Heimat: Lukea. Hier gründen sie ein neues Reich, erforschen und besiedeln nahegelegene Sternensysteme, gründen Kolonien und stoßen schließlich auf andere Spezies, welche diesen Teil des Weltraums bewohnen. Manche Begegnung verläuft friedlich, andere kriegerisch. Nach einem großen Konflikt mit einer insektoiden Rasse kommt es zu einem Bürgerkrieg, der das lukeanische Reich an den Rand der Vernichtung führt. Doch schließlich rauft man sich wieder zusammen und lebt nun in einem Zustand brüchigen Friedens, der von Innen wie Außen bedroht wird.

Einen gehörigen Schuss Dystopie bringt dann „MUTTER“ ins Spiel, eine künstliche Intelligenz, welcher die Verwaltung aller täglichen Angelegenheiten auf Lukea obliegt. MUTTER sorgt dafür, dass es ihren KINDern – also allen Bürgern des Reiches, die über einen implantierten Kredit-Identifikations-Nano-Datenspeicher, kurz KIND, verfügen – stets gut geht. Das erreicht MUTTER durch totale Überwachung. Wer ohne KIND außerhalb des Systems lebt, gilt als vogelfrei und Gegner des Systems. Einzig in den äußeren Kolonien ist das Leben etwas lockerer. Damit legt „Ultima Ratio – Im Schatten von Mutter“ eine ganze Reihe von Spielmöglichkeiten aus – von militärischer SF-Action über cyberpunkige Konzern-Einbrüche bis hin zu Wild-West-Flair in den äußeren Kolonien. Leider bleibt der Hintergrund nur sehr knapp umschrieben und lässt noch viele Lücken offen.

Regeln

Trotz der Kürze des sich anschließenden Regelwerks ist „Ultima Ratio – Im Schatten von Mutter“ kein leichtgewichtiges Regelwerk. Stattdessen gibt es eine ganze Menge unterschiedlichster Regeln, die manches Mal sehr knapp beschrieben werden und so mehrmaliges Lesen erfordern, um wirklich verständlich zu sein. Ebenso präsentiert sich manche Regel nicht sonderlich eingängig. Prinzipiell werden Proben gegen einen vom Spielleiter festgelegten Schwierigkeitsgrad gewürfelt. Dem Spieler stehen dabei eine zu ermittelnde Anzahl vierseitiger Würfel (das gesamte System basiert auf W4) und ein Modifikationswert zur Verfügung, der auf den Wurf addiert werden darf. Die Modifikation und die Anzahl der Würfel ergeben sich aus der Art der Probe (handelt es sich beispielsweise um eine einfache, eine komplexe oder gar eine kooperative Handlung) sowie daraus, ob auf eine Fertigkeit, eine Eigenschaft oder ein Attribut gewürfelt wird. Der grundsätzlich simple Mechanismus erfordert also etwas Übung, bis klar wird, wie ein Würfelpool zusammengestellt wird.

Charaktere in „Ultima Ratio – Im Schatten von Mutter“ setzen sich aus verschiedensten Werten zusammen. Neben Attributen – welche die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit definieren – gibt es Fertigkeiten (also erlernte Fähigkeiten) sowie Eigenschaften, die eine Art „moralischen Kompass“ für den Charakter bilden. Die Fertigkeiten unterteilen sich später auch noch in spezielle Fertigkeiten, welche nur von bestimmten Professionen – Charakterklassen – erlernt werden können, und allgemeine Fertigkeiten. Ein paar spezielle Spezieskräfte, die nur bestimmten Völkern zur Verfügung stehen, runden das ebenfalls recht komplexe Konstrukt ab. Die Charaktererschaffung erfolgt über ein modernes Punktekaufsystem.

Weitere Inhalte

Das „Regelwerk 2.0“ präsentiert sich angenehm komplett. Neben dem eigentlichen Regelkern finden sich auch ein Ausrüstungskapitel in dem Band wieder, in dem neben (natürlich) Waffen noch einige andere nützliche Gegenstände vorgestellt werden. Daneben gibt es auch noch sogenannte T.B.A. (Transhumane Bionische Augmentation). Hierbei handelt es sich um bionische Prothesen und Implantate. Einige Fahrzeuge und Drohnen runden das Ausrüstungskapitel ab. Abgerundet wird der Band durch einige beispielhafte Nichtspielercharaktere sowie fünf hervorragend illustrierte Archetypen, die entweder ebenfalls als NSC dienen können oder zum sofortigen Losspielen bereitstehen.

Optik und Layout

Wie erwähnt erscheint „Ultima Ratio – Im Schatten von Mutter“ als vollfarbiger Softcoverband (es gibt allerdings auch eine 4 EUR teurere Hardcovervariante). Die verwendeten Illustrationen bewegen sich auf einem professionellen, anspruchsvollen Niveau und sehen hervorragend aus. Auch wenn der Band in keinster Weise eine Bleiwüste ist, hätte ich mir hier allerdings noch mehr Illustrationen gewünscht.

Auch das Layout ist professionell und ist gut lesbar. Zur besseren Orientierung und Abgrenzung von Spielwerten arbeitet das Layout mit Tabellen, welche die Informationen verdichtet darstellen; durch den hohen Crunch-Faktor der Regeln gibt es so einen ganzen Haufen Tabellen, welche den Text zusätzlich auflockern. Außerdem gibt es reichlich Zwischenüberschriften, die das Auffinden von bestimmten Abschnitten erleichtern.

Das „Regelwerk 2-0“ wurde offensichtlich einem guten Korrektorat unterzogen – so finden sich kaum Rechtschreibfehler in dem Band wieder. Das Lektorat wiederum hätte ruhig die eine oder andere Formulierung an den Regeln ändern dürfen. So bleibt es dabei, dass man manche Regeln mehrfach lesen muss oder sie erst im Kontext mit anderen Regelblöcken wirklich versteht. Das erhöht die Schwierigkeit beim Durcharbeiten des Regelwerks in meinen Augen unnötig.

Fazit: „Ultima Ratio – Im Schatten von Mutter“ ist ein angenehm kompaktes, aber dennoch sehr komplexes Regelwerk, welches auf wenigen Seiten alles zusammenführt, was man für einen Start in das lukeanische Reich braucht. Regelfüchse und Science-Fiction-Freunde kommen hier voll auf ihre Kosten.

Ultima Ratio – Im Schatten von Mutter
Grundregelwerk
Nikolas Tsamourtzis
Verlag Heinrich Tüffers 2017
ISBN: 978-3-941340-13-8
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,95

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