Starship Captains

Ein Raumschiff mit Warpgondeln im Logo, Uniformen in den Farben rot, blau und gelb und ein Entwickler, dessen Dackel Spock heißt: Wer bei dem Brettspiel „Starship Captains“ nicht direkt eine „Star Trek“-Parodie wittert, der hat Jahrzehnte Popkultur verschlafen. Doch wie lebt es sich als Captain einer offenbar fragwürdigen Besatzung? Und wie viel Roddenberry finden wir zwischen den Sternen? Wagen wir uns auf die Reise …

von Frank Stein

Eine „Star Trek“-Parodie, das war bislang vor allem der Kinofilm „Galaxy Quest“ und neuerdings die TV-Serie „Star Trek – Lower Decks“. Während ersterer mit seiner sehr speziellen Prämisse (Erdenschauspieler einer TV-Weltraumserie werden widerwillig zu echten Weltraumhelden) kaum zum Vergleich herangezogen werden kann, ist letztere – gerade weil sie extrem gelungen ist – in Punkto Humor und Thematik doch gewissermaßen die Messlatte, an der sich jede andere „Star Trek“-Parodie messen muss. Mal schauen, wie sich „Starship Captains“ da schlägt.

Nicht nur der Boxendeckel, auch das Innere dieser Standard-Spielschachtel (ca. 30x30x7 cm) birgt eindeutig „Star Trek“ und Humor. „Star Trek“-Anleihen finden sich etwa bei den Schiffstafeln, die wie eine zusammengedrückte Enterprise-D aussehen, bei den Farben der Fährichfiguren (rot für Navigation, gelb für Sicherheit, blau für Wissenschaft oder Technik), bei den Pappraumschiffchen, die man über den Spielplan schiebt und die ein wenig Nebula-Klasse-Charme versprühen und natürlich bei den Missions- und Technologiekarten. Die holen sich ihre Bezüge allerdings nicht nur bei „Star Trek“, etwa auf Karten wie „Der erste Kontakt“, „Handel mit Emotionschips“ oder gar „Roddenberries sammeln“ (der einzig wirklich offensichtliche Sprachwitz des Spiels), sondern auch bei „Star Wars“, etwa beim „Arenakampf“, „Die Jünglinge retten“ oder „Verlorene Welt“, und anderen SF-Franchises (eine weitere Karte heißt zum Beispiel „Sternentor“).

Da blitzt auch durchaus der gesuchte Humor mit auf. Der würzt vor allem das gesamte Regelwerk, wobei er sich hier dankbarerweise auf Intro und kleine „Logbuch“-Kommentarfelder beschränkt. Niemand muss Angst haben, dass die Regeln unklar wären, weil sie zu flapsig formuliert sind.

Zum Spiel

Doch worum geht es jetzt genau? Jede Spielerin und jeder Spieler übernimmt je einen frisch gebackenen Captain und zieht an Bord eines mäßig instandgehaltenen Raumschiffs mit einer kleinen Besatzung los, um im Rahmen einer 4-Jahres-… äh 4-Runden-Mission zu Ruhm und Ehre zu kommen. De facto heißt das: Vor Spielbeginn wird das Hauptspielbrett ausgelegt, das Sternensysteme zeigt, die durch Flugrouten verbunden sind. Darauf werden nach dem Zufallsprinzip Missionen verteilt (oder Zahlendreiecke, die anzeigen, dass hier demnächst eine Mission erscheinen wird). Die Technologien werden gemischt und eine gewisse Anzahl auf dem Technologiespielbrett ausgelegt. Diese kann man im Spiel direkt erwerben. Drei Fraktionsspielbretter (für die „Flotte“, die Piraten und die Roboter-Zivilisation der Tincan) werden ausgelegt. Auf diesen kann man Fraktionspunkte sammeln, die sich später in Siegpunkte umrechnen lassen. In den allgemeinen Vorrat kommen Artefakte, Piraten, Medaillen, Schadensmarker und weitere Crewmitglieder. Dann erhalten alle Captains ihre Schiffstafel, sieben Mannschaftsmitglieder (von denen allerdings nur vier am Start sind, der Rest hat Pause) und sieben Schadensmarker, die sich negativ auf die Frachtkapazität und freie Slot für Schiffstechnologien auswirkt. Ja, dein Schiff ist zu Beginn ein ziemlicher Schrotthaufen.

Alle starten von der Heimatstation der Flotte, dann wird, beim Startspieler einer Runde beginnend, im Uhrzeigersinn gespielt, wobei ein recht flotter Wechsel stattfindet, denn in jedem Zug kann man nur extakt eine von drei Sachen machen: einen Raum aktivieren, eine Mission abschließen oder passen (dann ist man für den Rest der Runde raus). Sowohl Räume als auch Missionen sind farbcodiert und können nur mit den passenden Crewmitgliedern aktiviert beziehungsweise bewältigt werden, das heißt es geht nicht zuletzt darum, seine Mannschaft sinnvoll einzusetzen. Die Räume entsprechen anfangs ungefähr der Navigation, der Waffenkontrolle, dem Forschungslabor und dem Reparaturservice, denn man kann mit ihnen zwei Planeten weit fliegen (rot), einen Piraten – anfangs zufällig auf Raumrouten verteilt – abschießen (gelb), eine Technologiekarte nehmen (blau) oder einen Schaden reparieren (grau; den grauen Raum kann übrigens jeder Fähnrich und sogar die ansonsten recht nutzlosen grauen Kadetten aktivieren). Später können durch Technologiekarten farbige Spezialräume dazukommen, die effektiver sind, etwa das rote Holodeck, die gelbe Müllpresse oder das blaue Versuchslabor.

Da das Ziel des Spiel lautet, möglichst viel (Ruhmes)Punkte zu sammeln, muss man natürlich vor allem Missionen erfüllen. Das funktioniert, indem man einen Planeten anfliegt, die dortige Mission an sich nimmt und dann diese löst, indem man ihr Personal zuweist. Lösen kann im Grunde jedes Personal. Belohnungen gibt es jedoch nur für farblich passendes. Dann bekommt man zum Beispiel Artefakte, Androiden, Medaillen oder Fraktionspunkte. Artefakte sind jeweils zweifarbig und können, wenn man zwei gleiche Farben ablegt, als Ersatz für einen farbigen Fähnrich dienen. Androiden dagegen sind Universaltalente und dürfen einmalig eine Farbanforderung beim Lösen einer Mission erfüllen. (Räume aktivieren können sie nicht.) Medaillen schließlich erlauben Beförderungen. Man kann entweder einen  grauen Kadetten zu einem fabrigen Fähnrich befördern, einen Fähnrich von einer Abteilung in eine andere versetzen oder (für drei Medaillen) einen Fähnrich zum Commander aufwerten, der dann doppelt so effektiv ist, sprich zwei Aktionen in seinem Zug ausführen kann.

So spielt man Zug um Zug, bis man passen muss. Dann beginnt die nächste Runde, wobei in jeder Runde ein paar kleine Boni an die Captains verteilt werden, sodass die eigene Mannschaft von sieben auf immerhin neun Mitglieder anwachsen kann. Am Ende der vierten Runde erfolgt dann die Schlusswertung und je nach Punktwert gibt es einen kleinen witzigen Epilog im Regelwerk (immerhin 56 verschiedene an der Zahl).

Zwei Sätze noch zum zusätzlichen Solomodus. Im Grunde spielt sich dieser wie das Spiel zu mehreren Leuten, nur wird neben dem Solo-Spieler oder der Solo-Spielerin noch ein „Captain Shadow“ simuliert, der seine Schiffsaktionen zufällig per Aktionskarte durchführt. Er selbst sammelt keine Siegpunkte, kann durch seinen Übereifer aber durchaus Missionen wegschnappen und Piraten töten, die man selbst vielleicht gern übernommen hätte, sodass man am Ende mit einer schlechteren Wertung dasteht.

Kritik

„Starship Captains“ hat für mich ein großes Problem: Es ist zu schnell vorbei. Vier Runden sind echt nicht viel, zumal man erst in der letzten Runde endlich seine komplette Mannschaft hat und das Gefühl verspürt, jetzt so richtig durchstarten zu können. Dazu kommt, dass man gerade in den ersten beiden Runden, in denen man nur vier Besatzungsmitglieder hat, irgendwo noch den Eindruck hat, als würde man nur den Zeh in den großen Teich des weiten Alls stecken. Einmal fliegen, bissl reparieren, vielleicht eine Technologie nehmen oder (!) eine Mission lösen (das benötigt ja normalerweise zwei bis drei Leute an Personal). Erste Runde vorbei. Und die zweite genauso. Artefakte und Androiden helfen ein wenig, aber nicht viel. So war es wirklich bei allen Spielpartien am Ende so, dass das Gefühl aufkam: „Wie jetzt? Schon vorbei? Ich bin doch gerade erst losgeflogen.“ Abgesehen davon: Ich habe keine Ahnung, wie man in vier Runden 60 oder 70 Punkte ergattern soll. 42 war das erreichte Maximum bei uns. Vielleicht lässt sich das noch auf 50 optimieren, aber darüber hinaus bin ich skeptisch. Was schade ist, denn die Epiloge sind witzig, und tatsächlich ist das Punktesammeln der Hauptanreiz, das Spiel mehrfach zu spielen.

Denn ansonsten ist da recht wenig. Das narrative Element ist zu vernachlässigen. Eine Kampagne gibt es nicht. Die Interaktion unter den Spielenden ist praktisch nicht vorhanden. Gut, man nimmt sich hier und da mal eine Mission oder einen Piraten weg, aber letztlich sind wir doch alle Captains der Flotte, also gute Freunde. Das Spiel ist wirklich Mechanik (und ein bisschen Schmunzeln) pur.

Die ist gar nicht schlecht, nicht dass wir uns da falsch verstehen. Es macht absolut Spaß, seine Züge zu optimieren und Personal klug zuzuweisen, um möglich hier und da noch den Siegpunkt extra rauszuholen. Auch thematisch passt das alles schön zusammen, etwa dass nur bestimmte Spezialisten für diese oder jene Aufgaben an Bord geeignet sind, dass Missionen nicht von jedem gleich gut gelöst werden können, dass Artefakte, Piraten, Technologien und Medaillen geschickt eingesetzt werden müssen, um Spielvorteile zu erringen. Auch der „Schichtplan“, also dass stets drei Besatzungsmitglieder aus der Vorrunde in der aktuellen Runde nicht zur Verfügung stehen – es sei denn, sie werden von einem Commander zum Dienst gerufen –, sorgt für zusätzliche Planungsfinesse.

„Star Trek“-Feeling kommt dabei zugegeben nur bedingt auf. Wie erwähnt: die Spielmechanik, das Knobeln, um Punkte zu ergattern, überwiegt jedes bisschen Narration deutlich. Individuelle Besatzungsmitglieder, wie humorvoll auf der Spielschachtel angedeutet, gibt es nicht, auch keine Schiffe mit besonderen Stärken oder Schwächen. Am Ende machen ein paar farbige Figürchen und ein Pappschiff mit Gondeln eben doch kein „Star Trek“ aus. Irgendwie braucht es dazu doch die bekannten Gesichter, Schiffsklassen, Institutionen usw. Selbst wenn das Spiel beispielsweise komplett in „Lower Decks“-Optik dahergekommen wäre, wäre ich mir nicht sicher, ob es sich, in Ermangelung von Charakteren an Bord, wie ein gelungenes „Star Trek“-Spiel angefühlt hätte. Die Charaktere mit ihren Stärken und Schwächen sind schon nein Kernelement des Franchises.

Fazit: „Starship Captains“ sieht sehr hübsch auf dem Tisch aus. Es ist milde humorvoll (auf den Missionskarten), erinnert milde an „Star Trek“ (im Hintergrund, der Optik und den Verweisen) und kommt milde kompetitiv daher. Spaß macht auf jeden Fall der Mechanismus und die Herausforderung, möglichst viele Siegpunkte in der geringen Spielzeit zu ergattern. Diese geringe Spielzeit ist zugleich ein großes Manko, denn nach vier Runden fühlt sich fast jede Partie wie zu früh abgebrochen an. Natürlich kann man einfach „hausregeln“, dass man zwei Runden länger spielt. Das geben die Regeln locker her. Letztlich sammelt man dadurch einfach mehr Punkte. Für mich dennoch kein Dauerbrenner (es gibt bessere „Star Trek“-Spiele, wie „Star Trek Expeditions“, und bessere „Weltraum-Explorations“-Spiele, wie „Merchants of Venus“ oder „Firefly – Das Spiel“), aber auf jeden Fall etwas Leichtes und Flottes, das im Rahmen eines  Spielenachmittags mit mehreren Spielen und/oder „Familienspielern“ gern mal wieder auf dem Tisch landen wird. Der Preis jedoch ist für den gebotenen Spielspaß beziehungsweise Wiederspielwert gute 20 Euro zu hoch (vermutlich den vielen Plastikfiguren geschuldet, die in diesem Spielformat gar nicht nötig gewesen wären). Hier sollten Interessierte unbedingt nach Angeboten schauen.

Starship Captains
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
Peter B. Hoffgaard
Czech Games Edition/Heidelbär Games 2023
EAN: 4260664070849
Sprache: Deutsch
Preis: 59,95 EUR

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