Die Wipfel des Düsterwalds-Set

Über den Sinn von Einführungsabenteuern und Spielleiterschirmen, wie in diesem Set für das Fantasy-Rollenspiel „Abenteuer in Mittelerde“ unter anderem enthalten, kann man trefflich streiten. Sie machen jedoch beide einen soliden ersten Eindruck und was sich genau dahinter verbirgt und was sie taugen, verrät diese Rezension.

von Markus Kolbeck

Das 2019 für „Abenteuer in Mittelerde“ erschienene „Die Wipfel des Düsterwalds“-Set beinhaltet einen vierteiligen Sichtschirm für den Spielleiter, ein 36-seitiges (mit den Umschlagseiten) Einstiegsabenteuer und sechs Charakterblätter mit den vorgefertigten Charakteren aus dem „Spielerhandbuch“. Das Abenteuer heißt im englischen Original „The Eaves of Mirkwood“ für „Adventures in Middle-earth“. Das Set ist eigentlich keine Loseblattsammlung, nur die Charakterblätter sind lose. Das Abenteuer ist ein geheftetes Softcover. Der Sichtschirm ist aus festem Karton.

„Abenteuer in Mittelerde“ beruht auf einer Adaption der Regeln von „Der Eine Ring“ nach dem Regelwerk für „Dungeons & Dragons“ („D&D“) der 5. Edition. Der Uhrwerk-Verlag hat „Der Eine Ring“ schon eine gewisse Zeit eingestellt. Jetzt lässt 2020 auch der englische Originalverlag Cubicle 7 „The One Ring“ und „Adventures in Middle-earth“ auslaufen. Der Truant-Verlag übersetzt aber weiterhin die englischen „Adventures in Middle-earth“-Bände für die „Abenteuer in Mittelerde“-Reihe. Der Verlag Free League Publishing (der englische Name des schwedischen Verlags Fria Ligan) verhandelt mit Mittelerde-Lizenznehmer Sophisticated Games über eine Möglichkeit, neue Mittelerde-Regelwerke herauszubringen, vielleicht sogar „The One Ring“ und „Adventures in Middle-earth“. In welcher Form, muss man noch abwarten (Stand: August 2020).

Der Spielleiterschirm

Der Sichtschirm dient dazu, Würfel und Unterlagen des Spielleiters / der Spielleiterin vor den Augen der Spieler zu verbergen. Gleichzeitig sind auf der dem Spielleiter zugewandten Seite nützliche Regelzusammenfassungen abgedruckt, mit dem Ziel, dass der Spielleiter so wenig wie möglich abgelenkt wird, indem er im „Spielerhandbuch“ oder „Spielleiterhandbuch“ nachlesen muss. Stattdessen sollte ein kurzer Blick auf den Sichtschirm genügen, um sich über Details der Regeln in Kenntnis zu setzen. Wie gut gelingt das diesem Spielleiterschirm?

Als erstes fällt auf, dass er aus sehr stabilem Karton gemacht ist. Die Vorderseite wird von einer schönen Ansicht von Seestadt (Esgaroth) eingenommen, einem zentralen Ausgangspunkt für Abenteuer in Wilderland (Rhovanion). Da kann man sich spektakulärere Ansichten vorstellen, wie das Flammenauge Saurons. Fast eine Seite des Schirms wird von einer Übersicht über die anfänglichen Einstellungen der elf relevanten Völker zueinander eingenommen. Es gibt auch eine Tabelle der dunklen Schwächen. Eine Übersicht des Leids, das Spielercharakteren widerfahren kann, wird samt Quellen, Beispielen und dem Schattenpunktezuwachs aufgelistet.

Es gibt ferner Tabellen über verdorbene Gebiete, Untaten und verdorbene Schätze, die alle drei Schattenpunktezuwächse verursachen können. Es folgen Regelzusammenfassungen für Reisen, Audienzen, Verderben und Unternehmungen in der Gefährtenphase. Die Zusammenfassungen sind nur grundlegend, ohne Nachschlagen im Regelwerk kommt man nicht aus. So gibt es auch immer wieder Verweise auf die beiden Regelbücher mit Seitenangaben. Eine Aufbruchstabelle und eine Ankunftstabelle fehlen auch nicht. Schließlich gibt es noch eine Auflistung mit Seitenreferenzen für das Regelwerk.

Das Einstiegsabenteuer

Diesen Teil sollten nur Spielleiter lesen wegen Spoilergefahr! Dieses relativ kurze Szenario ist für eine zwei- bis dreistündige Spielsitzung gedacht und dient dem Einstieg in die Welt von „Abenteuer in Mittelerde“, speziell für angehende Spielleiter. Man braucht dazu mindestens die Regeln von „D&D 5“ in der kostenlosen Online-Version oder das „D&D 5“-Spielerhandbuch. Die beiden Regelbände von „Abenteuer in Mittelerde“ sind nützlich, braucht man aber nicht unbedingt, da eigentlich alles im Abenteuer erklärt wird. Kenntnisse von den Büchern oder Filmen „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ sind von Vorteil.

Die Abenteurer treffen in der Stadt der Waldmenschen am westlichen Rand des Düsterwalds aufeinander und lernen sich kennen. Sie reisen in den Düsterwald und treffen auf eine Gruppe Zwerge in Not, denen sie zur Hilfe eilen (sollten). Danach gibt es eine Feier und die gesamte Gruppe gerät in Gefangenschaft. Nach einer Audienz müssen die Charaktere sich dem Hauptfeind stellen. Das Abenteuer erklärt einiges, aber wie zum Beispiel Kämpfe ablaufen, muss man vorher den Regelwerken entnehmen. Es enthält ausgearbeitete Reise-Aufbruchs-, Reise-Ereignis- und Ankunftstabellen. Auch die Erfahrungspunkte für wichtige Proben, die dem Bewältigen von Herausforderungen dienen, werden genannt. Das Abenteuer enthält zwei Übersichtsskizzen in Farbe von Schauplätzen des Abenteuers, an denen Kämpfe stattfinden können. Ferner sind noch zwei Farblandkarten der Region abgedruckt, eine für den Spielleiter, eine für die Spieler.

Kritik

Die vielen Verweise auf die Regelbücher sind ein klares Manko dieses an sich gelungenen Sichtschirms, da der Spielleiter dann doch immer nochmal im Regelwerk nachlesen muss. Jedoch sollten die betreffenden Stellen Dank der Seitenreferenzen schnell gefunden werden können. Ansonsten ist er eine schöne Informationsquelle. Ein großes Plus ist auch, dass der Schirm sehr stabil ist. Ungünstig ist aber, wenn man bereits den Spielleiterschirm für das zugrundeliegende „D&D 5“ besitzt oder sich zulegen will. Man kann eigentlich nur einen Schirm auf den Tisch stellen – den für „D&D 5“ oder den für „Abenteuer in Mittelerde“. Welchen soll man dann benutzen? Eine Lösung wäre es, wenn man die Seiten des „D&D 5“-Sichtschirms kopiert, die Kopien in Klarsichthüllen unterbringt und auf den Tisch legt. Dann kann man den Spielleiterschirm für „Abenteuer in Mittelerde“ normal benutzen. Wenn man „Abenteuer in Mittelerde“ spielt, ist wohl die Benutzung des passenden Sichtschirms am naheliegendsten.

Das Abenteuer ist schon eine runde Sache und sollte relativ leicht erfolgreich geleitet werden können! Die Lageskizzen kann man den Spielern für die Kämpfe auf den Tisch legen, nicht schlecht. Die sechs vorgefertigten Beispielcharaktere ermöglichen einen schnellen Start in das Abenteuer, sodass man die Charaktergenerierungsregeln aus den Regelbänden erstmal beiseite lassen kann. Das Szenario bietet Gelegenheit zur sozialen Interaktion, es gibt eine Audienz und Reisewürfe, etliche Herausforderungen, Verderben und Action. Es wird auch Wert auf Landschaftsbeschreibungen à la Tolkien gelegt. Es ist sicherlich keine bloße Aneinanderreihung von Monstern, wie man „D&D“ manchmal nachsagt. Allerdings hätte ich mir bei einem Einführungsabenteuer noch mehr Fantasie gewünscht – es ist doch sehr bodenständig (Rettung von Zwergen, etc.).

Fazit: Das Abenteuer betrachte ich als gelungen. Es bietet einen schönen Einstieg in die Welt von J. R. R. Tolkien und in die Welt der Regeln von „Abenteuer in Mittelerde“. Jedoch wäre es nicht schlecht, wenn ein unerfahrener Spielleiter vorher die grundlegenden Konzepte dieses Rollenspiels als Spieler bei einem erfahrenen Spielleiter einübt. Dann hat er es wesentlich leichter, muss man doch im Grunde genommen vier Regelbücher kennen, die zwei von „D&D 5“ und die zwei von „Abenteuer in Mittelerde“. Der im Set enthaltene Spielleiterschirm hat – wie bereits geschrieben – das Manko der vielen Seitenreferenzen, ist aber trotzdem grundsätzlich nützlich für den Spielleiter. Er ist so stabil, dass er wahrscheinlich die ganze Lebenszeit der Regelbände lang hebt.

Die Wipfel des Düsterwalds-Set
Einführungsabenteuer & Spielleiterschirm
Jon Hodgson, Gareth Ryder Hanrahan
Truant 2019
ISBN: 978-3934282933
32 S., Softcover & Karton, deutsch
Preis: EUR 29,95

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