Der Fluch der Hexenkönigin

Nach ein paar Test-Abenteuern präsentiert der Uhrwerk Verlag mit „Der Fluch der Hexenkönigin“ das erste offizielle Abenteuer für das noch junge High-Fantasy-Rollenspiel „Splittermond“.

von Bastian Ludwig

Auf dem Geschlecht derer von Harrenburg, das vor einhundert Jahren die Krone des kleinen Königreichs Midstad an sich riss, lastet ein Fluch der Hexengöttin Hekaria: Ein Kind soll dereinst die bestehende Ordnung ins Wanken bringen. Als das Orakel von Ioria von einem besonderen Kind berichtet, das kurz vor der Erfüllung seines großen Schicksals stehe, zählt der Bewahrer-Orden von Ioria eins und eins zusammen und schickt den Wahrheitsfinder Corino nach Midstad. Der heuert dort die Heldinnen und Helden als Unterstützung an, und schon bald befindet sich das Schicksalskind in ihrer Obhut. Verfolgt von bösen Mächten muss die Gruppe das Kind nun nach Ioria bringen, wo sich entscheiden soll, ob sich sein Schicksal zum Guten oder zum Bösen wenden wird.

„Der Fluch der Hexenkönigin“ ist als Einsteigerabenteuer konzipiert, sodass ich es im Folgenden auch zu einem großen Teil an diesem selbstgewählten Anspruch messen werde. Den erkennt man zunächst einmal daran, dass das Abenteuer versucht, möglichst vielen Charaktertypen gerecht zu werden. Es finden sich Wildnispassagen sowie Stadtschauplätze, Kampf und Action sind ebenso enthalten wie heimliches Vorgehen, Recherchen und Situationen, die soziales Geschick erfordern. Und eine Seefahrt gibt es obendrauf. Allein ein klassischer Dungeon fehlt, um die vollumfängliche Rollenspielerfahrung zu komplettieren, allerdings reisen die Abenteurer dafür in einem Abschnitt auf einem mit allerlei magischen Herausforderungen gespickten Mondpfad und lernen damit ein Spezifikum der Welt von „Splittermond“ kennen. Letztlich sollten also alle denkbaren Charakterklassen Gelegenheit finden, ihre typischen Fertigkeiten anzuwenden.

Der bunte Abenteuer-Blumenstrauß ist eingepackt in eine klassische Queste: Ein Auftraggeber heuert die Gruppe an, Ziel und Belohnung gibt er von Anfang an klar vor, der Feind zeigt sich früh und hat eine berechenbare Vorgehensweise, auf der Reise der Gruppe sind einzelne Episoden wie an einer Perlenkette bis zum Finale aufgereiht. Das ist nicht innovativ, geht für ein Einsteigerabenteuer aber vollkommen in Ordnung.

Einen Punkt gibt es allerdings, der mir als so gar nicht passend für ein solches Abenteuer erscheint: Es besteht zwar die Möglichkeit, dass die Gruppe für einen guten Teil der Geschichte dem entführten Schicksalskind hinterherjagt, die Hauptidee ist aber eigentlich, dass die Heldinnen und Helden das Kind nach Ioria begleiten. Ich habe immer ein bisschen Bauchschmerzen mit permanenten NPCs, die von der Gruppe mitgeschleppt werden müssen. Meiner Erfahrung nach neigen sie dazu unterzugehen, da niemand am Spieltisch ihnen Gesicht und Stimme dauerhaft leiht. Sie werden dann gerne mal zu Gepäckstücken, an die man sich nur erinnert, wenn man sie gerade benötigt.

In „Der Fluch der Hexenkönigin“ ist es aber gerade wichtig, das die Gruppe das Schicksalskind als Charakter wahrnimmt, da die ihm entgegengebrachte Sympathie einen maßgeblichen Motivator der Heldinnen und Helden darstellt. Es braucht also einen Meister, dem es gelingt, dem Kind immer wieder Gehör zu verschaffen und es nicht nur zu einem dieser nervigen Bälger verkommen zu lassen, die ständig in Schwierigkeiten geraten. Zu denen geht nämlich die Zuneigung schnell mal flöten, und man fragt sich dann, warum man sie nicht einfach ausliefert, um sich den ganzen Ärger zu ersparen. Das zu verhindern, kann für einen unerfahrenen Meister leicht zur Überforderung werden.

Dafür wird er ansonsten auf keinen Fall hängen gelassen: Das Abenteuer ist sehr detailliert ausgearbeitet, sodass Spielleiter-Neulingen wirklich alles an die Hand gegeben wird, was sie benötigen, um eine Gruppe durch die Geschichte zu manövrieren. Neben der ausführlichen Schilderung der Handlung gibt es zahlreiche Karten (auch als Kopiervorlagen) und Abbildungen, Charakterprofile und Vorschläge für Zufallsbegegnungen, mögliche Belohnungen nach bestandenen Herausforderungen und ähnliches. Regionalbeschreibungen und Hintergrundtexte sorgen dafür, dass man nicht einmal unbedingt den Weltenband von „Splittermond“ benötigt. Schön sind auch die Meistertexte zum Vorlesen oder Nacherzählen, von denen es für meinen Geschmack sogar noch deutlich mehr hätte geben können.

Fazit: „Der Fluch der Hexenkönigin“ ist ein spannendes, wenn auch nicht besonders innovatives Einsteigerabenteuer, das zahlreiche Situationen für verschiedenste Heldentypen bietet und „Splittermond“-Neulingen einen guten ersten Eindruck der „Splittermond“-Welt Lorakis verschafft, wenngleich die Aufgabe, mit einem permanenten NPC umgehen zu müssen, für unerfahrene Spieler und Spielleiter eine große Herausforderung darstellen kann.


Der Fluch der Hexenkönigin
Abenteuerband
Stefan Unteregger
Uhrwerk Verlag 2014
ISBN: 978-3-942012-83-6
56 Seiten, Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,95

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