Das Geheimnis des Krähenwassers

Rollenspielregelwerke mal einfach so durchzublättern, ist ja schön und gut, aber so richtig von Nutzen sind sie erst, wenn man dazu auch ordentliche Abenteuer hat. Mit „Das Geheimnis des Krähenwassers“ beginnt der Uhrwerk-Verlag die Veröffentlichung der offiziellen „Splittermond“-Abenteuer. Also auf nach Lorakis.

von Bastian Ludwig

Eine mysteriöse Krähenplage sucht die Stadt Arwingen heim; die Tiere tauchen in großer Zahl auf und sind ungewöhnlich aggressiv. Der Magier Asmus Jalander bittet die Abenteuergruppe, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen. Dabei kreuzt sich ihr Weg mit dem Farons von Leytal, dem letzten Spross eines einst mächtigen Adelsgeschlechts. Hat er etwas mit den Krähenangriffen zu tun?

„Das Geheimnis des Krähenwassers“ ist das zweite offizielle Einsteigerabenteuer von „Splittermond“, nach der Idee des Verlages ist es also eine der ersten „Splittermond“-Erfahrungen, die viele Spieler machen dürften. Mehr noch als dem ersten offiziellen Abenteuer „Der Fluch der Hexenkönigin“ merkt man das dem Heft an verschiedenen Ecken auch an.

Angesiedelt ist die Handlung in der Arwinger Mark, der Startregion von „Splittermond“. Hier entspinnt sich eine klassische, aber nicht uninteressante Geschichte um (milde Spoiler voraus) eine uralte magische Krankheit. Die Krähenplage in Arwingen bietet dabei einen spannenden Aufhänger, aus dem sich Motivation für verschiedene Heldentypen ableiten lässt; die Suche nach der Lösung des Krähengeheimnisses gibt der Geschichte einen roten Faden.

Dass sie dadurch gleichzeitig ziemlich linear daherkommt, ist für Neuspieler sicherlich nicht schlecht, denn auf diese Weise hat die Gruppe immer eine gute Vorstellung davon, was sie als nächstes tun könnte. Ein offeneres Setting kann gerade bei unerfahrenen Spielern durchaus auch mal zu Ratlosigkeit führen.

Besonders gut gefällt mir die Möglichkeit, dass Mitglieder der Gruppe selbst erkranken können – mit unangenehmen Folgen. Dadurch entsteht eine persönliche Verbundenheit der Spieler zum Geschehen und eine Dringlichkeit, die der Spannung sehr zugute kommt.

Eingebettet ist die Handlung in die drei großen Rollenspielszenarien Stadtabenteuer, Wildnisreise und Dungeon-Erkundung; man will die Neuspieler ja nicht nur mit der Welt und den Regeln, sondern auch dem Rollenspiel an sich vertraut machen.

Die Passage in Arwingen ist mit zahlreichen Hinweisen, die es zu entdecken gibt, Begegnungen mit NSCs und einigen Actioneinlagen gut gefüllt. Bei Wildnisreisen besteht ja immer die Gefahr, dass sie repetitiv werden in ihrem Wechsel aus der Bekämpfung wilder Tiere, der Nahrungssuche, der Nachtlagerorganisation und der überraschenden Begegnung mit irgendwelchen Reisenden oder Waldbewohnern; da in diesem Fall aber auch noch ein verlassenes Dorf, ein überfallenes Kloster und zahlreiche Ruinen am Wegesrand für Abwechslung sorgen, geht dieser Teil voll in Ordnung. Etwas öde sind hingegen die Dungeons gestaltet. Hier gibt es für meinen Geschmack zu viele zwar hübsch beschriebene, aber letztlich doch an Rätseln, Kämpfen und Herausforderungen arme Räume. Eine etwas größere Vielfalt hätte hier gut getan, um das Dungeoneering nicht auf ein Räumeabklappern zu reduzieren.

Über das reine Abenteuer hinaus bietet der Band auch noch einige Hinweise für frische Spielleiter. Warum die in das Abenteuer gepackt wurden und nicht in den Abschnitt „Splittermond für Spielleiter“ des Grundregelwerks, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall sind sie hilfreich, auch wenn man über den einen oder anderen Punkt sicherlich trefflich streiten kann. Beispiel: Darf ein Spielleiter wirklich nicht in die Gedanken und Handlungen eines Spielers eingreifen? Was, wenn der sich völlig out of character verhält und Dinge tut, die seine Figur in dieser Welt in einer bestimmten Situation niemals machen würde? Aber das ist Geschmackssache und über solche Feinheiten können sich Neu-Spielleiter ja im Laufe der Zeit Gedanken machen.

Zum Schluss ein paar Worte zur Präsentation. Es ist mir schon bei mehreren „Splittermond“-Bänden aufgefallen und auch hier zeigt es sich wieder: Die „Splittermond“-Materialien sind stets sehr stark als Lesebände konzipiert. Lange Fließtexte, in denen Atmosphäre, Handlung und Regelinformationen miteinander verwoben sind, prägen das Gesamtbild. Das ist sehr angenehm, wenn man gemütlich auf der Couch sitzt und das Abenteuer zum ersten Mal liest, am Spieltisch wird es aber schnell unhandlich, die nötigen Informationen spontan aus einem Fließtext herausfriemeln zu müssen. Natürlich versuchen die Autoren, die Texte nutzerfreundlich zu gestalten. Es gibt Tabellen, Übersichtskästchen, Szenenzusammenfassungen und Ähnliches. Aber als Spielleiter kommt man trotzdem kaum umhin, den Text mit Textmarkern zu bearbeiten oder sich selbst Notizblätter zusammenzustellen. Vielleicht ließe sich hier noch etwas machen: Fettdruck im Fließtext zum Beispiel oder eine stärkere Trennung zwischen Atmo-, Handlungs- und Regeltexten.

Fazit: „Das Geheimnis des Krähenwassers“ wird seinem Anspruch als Einsteigerabenteuer bestens gerecht. Eine klassische Geschichte wird spannend und geradlinig erzählt und gibt Neuspielern die Möglichkeit, viele Facetten eines Rollenspiels auszuprobieren. Im Vergleich mit „Der Fluch der Hexenkönigin“ würde ich sagen, dass „Das Geheimnis des Krähenwassers“ für Anfänger leichter zu leiten ist, weil die Geschichte etwas linearer daherkommt und es keine permanenten NSCs gibt, mit denen man sich herumplagen muss. Mit beiden Abenteuern zusammen haben Neulinge auf jeden Fall erst mal gut zu tun. Vielleicht wäre es darum an der Zeit, dass die Redaktion auch komplexere, epischere Abenteuer bereitstellt, um mit „Splittermond“ auch Hardcorespieler abzuholen.


Das Geheimnis des Krähenwassers
Abenteuerband
Tobias Hamelmann
Uhrwerk Verlag 2014
ISBN: 978-3-942012-84-3
56 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,95

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