Zombicide: Undead or Alive

Sie verwüsteten Großstädte, Fantasy-Dörfer und abgelegene Planeten: die Zombies in „Zombicide“, dem von Guillotine Games entwickelten und von CMON herausgebrachten Fun-Hack-&-Slay-Brettspiel. Seit 2012 gibt es den Dauerbrenner jetzt schon in zig Varianten und Erweiterungen. Nun kommt mit dem Wilden Westen ein völlig neues Setting hinzu. Also: Pferde gesattelt und Winchester durchgeladen. Reiten wir los ins Verderben, um zu schauen, wie sich die jüngste Inkarnation von „Zombicide“ so spielt.

von Frank Stein

Grundsätzlich: sehr ähnlich wie alles, was zuvor kam – und ich kenne mittlerweile fünf Grundboxen. Auch „Zombicide: Undead or Alive“ ist ein kooperatives, taktisches Hack-&-Slay-Brettspiel für 1 bis 6 Spieler, das in einem urbanen (hier Western-)Setting angesiedelt ist, über das eine Zombie-Apokalypse hinweggegangen ist. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Überlebenden, die in 10 einzelnen Missionen – es gibt keinen Kampagnenmodus – gewisse Aufgaben erledigen müssen und unterwegs reichlich Zombies bekämpfen dürfen. Dabei darf keiner der Überlebenden sterben, denn sonst ist eine Partie verloren. Das Spiel dauert (laut Missionsliste, die etwas optimistisch rechnet) zwischen 25 und 50 Minuten und ist ab 14 Jahren empfohlen. Ich finde das Alter fast etwas hoch gegriffen, denn obwohl das Thema an sich aus der Horrorfilmecke kommt, mildern die übertriebene Comic-Optik und flapsige Sprüche im Regelwerk das Ganze ab. Etwas verstörend wirken allein die Leichenhaufen in allen Häusern, die als Brutzonen fungieren können. (Dazu später mehr.)

In den Details bietet „Undead or Alive“ natürlich interessante und erfreuliche Neuerungen. Gebäude haben beispielsweise keine Türen mehr, dafür Balkone mit guter Sicht über die Straßen. Lärm wird nun deutlich eleganter abgehandelt. Die Überlebenden gehören jeweils einer von vier Klassen an. Und es gibt eine Eisenbahn, die quer über den Spielplan fährt (indem Spielplanteile im Wechsel umgedreht und verschoben werden). Aber gerade wer neuere „Zombicide“-Versionen, etwa „Green Horde“ oder „Invader“ kennt, dem wird Vieles zugleich extrem vertraut vorkommen, wenn er sich durch das Regelwerk arbeitet. Der größte Reiz des Spiels geht entsprechend von seinem frischen Setting aus, das im März 2021 auf Kickstarter satte 21.160 Unterstützer dazu verführen konnte, über 3,3 Millionen Dollar zu investieren. Ohne Zweifel einmal mehr ein echter Erfolg für Guillotine und CMON.

      Viel Braun auf dem Tisch nach dem Aufbau. Passt zur Tischplatte.

Kurioserweise war mein erster Eindruck beim Auspacken dennoch: Es ist ja doch irgendwie immer das gleiche. Sogar die Art, das Spiel zu verpacken, ist mittlerweile bei CMON standardisiert: Spielplanteile unten (an zwei Seiten von Pappe geschützt), Miniaturenbox obenauf, Regeln ganz oben. Und es mag an der erdigen Farbpalette liegen, die über alles Spielmaterial hinweg mit viel Braun und Grau arbeitet, aber zum ersten Mal war ich nicht so richtig beeindruckt.

Dabei ist die Qualität des Materials gewohnt hoch. Praktische Plastiktableaus (diesmal in Holzoptik, was in Plastik leider etwas billig wirkt) unterstützen das Charaktermanagement, die 14 Überlebenden-Charakterbögen sowie die Ausrüstungskarten bieten schicke Illustrationen und die Spielmarker bestehen aus fester Pappe. Die 9 doppelseitigen Spielplanteile zeigen eine heruntergekommene Western-Stadt mit verwüsteten Häusern, herumliegendem Müll, Blut und Leichenhaufen in den Hinterzimmern – wegen der vielen Toten (auch wenn sie pietätvoll größtenteils unter weißen Laken liegen) vielleicht die düsterste Atmosphäre aller bislang erschienenen „Zombicide“-Spiele. Leider neigen auch diese Spielplanteile erneut zum Verziehen, ein Problem, das CMON einfach nicht in den Griff zu kriegen scheint.

      Einer der schießwütigen Überlebenden.

Der größte Kaufanreiz bei CMON-Spielen liegt für viele natürlich in den Miniaturen, und hier bekommt man ganze 88 davon. Neben den 14 Helden (und einer Gatling-Gun) sind das dann Zombies – viele Zombies. Schlurfer, Fettbrocken, Läufer sehen angemessen morbide und schön detailverliebt aus, an Monstren (den Oberzombies sozusagen) ist diesmal leider nur eins in der Box, weitere muss man gesondert erwerben. Erneut sehr schön: Allen Zombie-Arten wurden alternative Modelle spendiert, sodass eine erfreuliche Vielfalt an untotem Leben auf dem Spielplan umherwankt. Damit man trotzdem nicht den Überblick verliert, wer nun Schlurfer und wer Läufer ist, haben die Macher letztere in etwas dunklerem Grau gegossen. Eine sehr gute Entscheidung, die Verwechslungen verhindert. Spezielle Zombie-Typen, wie teilweise in anderen Grundboxen enthalten, gibt es hier keine. „Undead or Alive“ bietet nur die Basis-Ausstattung. Vielleicht auch ein Grund für meine verhaltene erste Reaktion.

Am Spielkonzept hat sich – ich sagte es bereits oben – auch in „Undead or Alive“ praktisch nichts geändert. Vor einer Partie wählt man sich eine Mission aus. Diese bestimmt den Aufbau des Spielfelds, inklusive verteilter Zielplättchen (Waffenkisten), Brutzonen und Start-Zombies. Mitunter bringt eine Mission ein bis zwei kleine Sonderregeln ins Spiel, die aber leicht verinnerlicht sind. Gespielt wird immer mit 6 Überlebenden, egal wie viele Mitspieler am Tisch sitzen. Die Helden werden entsprechend verteilt. Das mag im Solo-Spiel etwas einschüchternd wirken, tatsächlich aber kann man die Überlebenden sehr gut managen, auch wenn es sich um ein halbes Dutzend handelt, was vor allem daran liegt, dass viele Charakterfähigkeiten sehr einfach gehalten sind (mehr Schaden, mehr Angriffswürfel, mehr Bewegung, mehr Suchaktionen etc.) und auch die Ausrüstung ohne komplexe Regelkomponenten auskommt.

Zur Auswahl stehen 7 Männer und 7 Frauen, es herrscht also schöne Geschlechterparität. Und auch wenn die Frauen hier stilecht Rock tragen, können sie genauso mit schweren Schießeisen umgehen wie ihre männlichen Mitstreiter. Neu ist in diesem Zusammenhang, dass die Überlebenden nicht mehr nur individuelle Charakterfähigkeiten haben, sondern zusätzlich einer von vier Klassen angehören, die einerseits ihre Startwaffe festlegt (Pistole, Gewehr, Bratpfanne oder freie Wahl) und andererseits zusätzlichen Biss verleiht. So können Städter beliebig oft pro Runde in Häusern suchen (der Rest nur ein Mal) und verfügen über bessere Sichtlinie in Gebäuden (die sie ja kennen). Raufbolde beginnen mit 3 statt 2 Punkten Gesundheit und können ein Mal pro Zug einen Sturmangriff durchführen, sich also bewegen und dann zuschlagen. Gläubige vermögen Zombies in einer Zone zu bannen, sodass die ihre gesamte Aktion verlieren, eine unglaublich praktische und lebensrettende Fähigkeit, wenn man überrannt wurde und sich erstmal aus der Übermacht freikämpfen muss. Außerdem können sie Wasser statt Weihwasser zum Entfernen von Brutplättchen nutzen. Revolverhelden schließlich können einen Kugelhagel auslösen und mit einem Revolver mit unglaublichen 6 Würfeln angreifen. All diese Fähigkeiten sind extrem nützlich und senken, taktisch klug genutzt, den Schwierigkeitsgrad auf angenehme Weise.

      Problem ...

Gespielt wird – wie seit dem ersten „Zombicide“ – in Runden, die in 3 Phasen aufgeteilt sind: eine Spielerphase, eine Zombiephase und eine Endphase. In der Spielerphase darf jeder Spieler (im Uhrzeigersinn vom Startspieler ausgehend) all seine Überlebenden (in beliebiger Reihenfolge) 3 Aktionen ausführen lassen. Dazu zählen die typischen Dinge, die es in jedem Miniaturenspiel gibt: bewegen, angreifen, Raum durchsuchen, Ausrüstung tauschen usw. Die Angriffswerte im Kampf werden dabei durch die getragenen Waffen bestimmt. Mit einer vorgegebenen Anzahl Würfel muss man einen festgelegten Zielwert erreichen; jeder Erfolg ist ein Treffer, der 1 bis 2 Schadenspunkte anrichtet und (meist) einen Zombie tötet. Also auch wenn im Spielverlauf eine Zombie-Welle über einen hinwegschwappt: Mit etwas Glück und zwei Kugelhageln (plus einmaligem Nachladen) kann man durchaus ein halbes Dutzend der fahlgrauen Kameraden in einem Zug fällen.

Zwei bislang typische Elemente von „Zombicide“ wurden in „Undead or Alive“ übrigens verändert. Zum einen gibt es keinerlei Türen mehr, die man einschlagen muss. Im Wilden Westen sind alle noch so entspannt, dass überall Tag der offenen Tür herrscht. Zum anderen wurde das Konzept Lärm auf elegante Weise verändert. Früher musste man bei Lärm (wie Waffenfeuer oder dem Einschlagen von Türen) überall Lärmplättchen verteilen und am Ende schauen, wo am meisten Lärm lag, der dann die Zombies anlockt. Jetzt wird nur noch mit einem Lärmplättchen gearbeitet, dass eine leise Bang-Seite und eine laute Boom-Seite hat. Je nach Lärm wird das Plättchen verschoben und bewegt, wobei ein Boom (das etwa ein Kugelhagel oder eine eintreffende Eisenbahn erzeugen) jedes spätere Bang übertönt. Dort, wo das Plättchen am Ende der Heldenphase liegt, herrscht der meiste Lärm. Sehr schön gelöst und spart unnötige Marker. Taktisch Lärm erzeugen, um Zombies in die falsche Richtung zu locken, geht natürlich noch immer, wobei Sichtlinie Lärm aushebelt – und irgendwie herrscht eigentlich fast immer irgendeine Sichtlinie, machen wir uns da nichts vor.

      Gelöst!

Ansonsten neu sind auch die Balkone, die etliche Gebäude aufweisen. Von diesen hat man gute Sicht über zwei Straßen und kann auf Zombies runterballern, ohne direkt von ihnen angegriffen zu werden, weil man ja eine erhöhte Position hat. Der Nachteil: Man sitzt halt auf dem Balkon fest und es gibt nur einen Weg hinauf, der über einen Raum in einem Gebäude führt. Wenn der dann von Zombies geflutet wird, hat man ein Problem.

Apropos Zombieflut: In der Zombiephase steuert das Spiel die untote Plage. Jeder Zombie auf dem Spielplan wird einmal aktiviert und darf entweder angreifen, wenn er sich in einer Zone mit einem Überlebenden befindet, oder er bewegt sich eine Zone auf die nächstbesten Überlebenden zu. Am Anfang sieht das alles noch ganz gemütlich aus, aber spätestens nach 5 bis 6 Runden wird es plötzlich eng. Denn nach der Aktivierung erfolgt die Brut, das heißt in jeder der auf dem Spielplan verteilten Brutzonen tauchen Zombies auf. Von diesen gibt es stets mindestens 3, dazu kommen Monstrum-Brutzonen, die nur aktiv sind, wenn das Monstrum durch die Straßen wankt, sowie Leichenhaufen-Brutzonen, von denen sich in der Regel eine in jedem Haus befindet und die aktiv werden, sobald man das Haus betritt, und aktiv bleiben, bis sie mit Weihwasser gereinigt wurden (dann werden sie aus dem Spiel entfernt). Was genau in den Brutzonen erscheint, entscheidet eine gezogene Zombie-Karte und dann noch das farblich codierte Level der Überlebenden. Denn diese erhalten für jeden Kill Adrenalinpunkte und steigen damit bis zu dreimal auf (von Stufe blau über gelb und orange bis rot). So erhalten die Überlebenden zwar neue Fähigkeiten, aber gleichzeitig werden auch die Gegner immer zahlreicher und lästiger.

In der Endphase wird der Lärm reduziert und der Startspielermarker wandert einen Spieler nach links. Das wird so lang fortgesetzt, bis entweder die Siegbedingungen für die Mission erfüllt sind – oder die für eine Niederlage eintreten (meist der Tod eines Überlebenden).

      Manchmal geht es nicht gut für die Spieler aus ...

Wie man sieht: Vieles ist auch bei „Undead or Alive“ beim Alten geblieben. Wer frühere Versionen von „Zombicide“ kennt, wird sich rasch einfinden. Neu ist noch, ich erwähnte es schon, die passend zum Westernsetting recht prominent eingesetzte Eisenbahn, die aus drei doppelseitig bedruckten Spielplanteilen besteht, die, indem man sie gezielt von der einen auf die andere Seite dreht, den auf den Schienen einfahrenden oder vorbeifahrenden Zug repräsentieren. (Der übrigens ein famoser Zombie-Killer ist, daher locken kluge Überlebende Zombies immer auf Gleise, bevor die Bahn kommt.) Unterm Strich ändert jedoch nichts von all dem das Spiel an sich. Tatsächlich fühlt es sich für mich so an, als wäre „Undead or Alive“ dem Grundspiel „Zombicide 2.0“ von allen jüngeren Varianten sogar noch am ähnlichsten.

Woran sich kurz vor Schluss die Frage anschließt: Für wen ist „Undead or Alive“ zu empfehlen? Wenn man flotte, aber taktisch durchaus spannende Figuren-Ballerspiele mag, ist man bei „Zombicide“ grundsätzlich schon mal richtig. Ist man dann noch Western-Fan, dürfte „Undead or Alive“ die Box der Wahl sein, gerade, wenn man noch kein „Zombicide“ im Regal hat. Doch während etwa die „Invader“- oder (noch deutlicher) die „Night of the Living Dead“-Inkarnationen des Spiels eine spürbar andere Atmosphäre hatten und daher durchaus parallel zu „Zombicde 2.0“ im Spieleschrank Sinn ergeben, erscheint „Undead or Alive“ eher wie eine kosmetische Variante, wobei selbst die Figuren (gerade die Zombies) auf etwas Entfernung so „normal“ wirken, dass sie problemlos vom Western- ins Gegenwarts-Setting übernommen werden könnten. Wer also „Zombicide 2.0“ bereits besitzt, der sollte schon eindeutig Fan des Franchises sein, sonst könnte „Undead or Alive“ – gerade bei dem nicht ganz geringen Preis – eine Enttäuschung sein.

      ... aber manchmal kommt man auch (mit der Bahn) davon.

Eine letzte Anmerkung noch: Ein Designmanko wurde allerdings nach wie vor nicht ausgemerzt: „Zombicide“ ist, wie gesagt, für 1 bis 6 Spieler gedacht. Allerdings muss man je nach Spielerzahl ein paar taktische Nachteile in Kauf nehmen. Wie oben geschrieben, aktiviert jeder Spieler all seine Überlebenden in beliebiger Reihenfolge, bevor der Spieler zu seiner Linken dran ist. Das heißt, wenn man allein spielt, kann man all seine 6 Überlebenden völlig frei agieren lassen (was manchmal, gerade in brenzligen Lagen, extrem wichtig ist). Wenn man zu zweit spielt, muss zunächst einer 3 Überlebende, dann der nächste 3 Überlebende aktivieren. Noch schlimmer wird es zu dritt. Da existieren 3 Aktivierungsblöcke zu je 2 Überlebenden. Bei 6 Spielern wird es dann maximal unflexibel, weil die Aktivierungsreihenfolge der Überlebenden von der Sitzreihenfolge am Tisch festgelegt wird. Das erhöht den Schwierigkeitsgrad merklich! (Um hier für Fairness zu sorgen, empfehle ich die Hausregel, dass alle Spieler nach dem Startspieler einer Runde in beliebiger Reihenfolge dran sind, bis jeder seine Überlebenden aktiviert hat.)

Fazit: „Zombicide: Undead or Alive“ ist ein taktisches Hack&Slay-Spiel mit hochwertigem Spielmaterial, das Laune macht, sofern man auf eine Kampagne und Erzähltexte verzichten kann. Hier geht es wirklich um flotte Action, die in der Regel keinen ganzen Spieleabend einnimmt und Dank der neuen Klassen-Fähigkeiten auch recht zugänglich im Schwierigkeitsgrad ist. Dennoch gilt auch hier: Wer planlos seine Bratpfanne schwingend auf die Zombie-Horden zustürmt, der wird schnell sein Ende finden. Teamwork und kluges Vorgehen sind erfreulich wichtig für den Sieg, vor allem wenn eine Mission auf Zeit läuft. Eine Empfehlung für alle, die gern Miniaturen verschieben und denen das Setting Cowboys vs. Zombies gefällt.

Zombicide: Undead or Alive
Brettspiel für 1bis 6 Spieler ab 12 Jahren
Raphaël Guiton, Jean-Baptiste Lullien, Nicolas Raoult, David Preti
CMON/Asmodee 2022
EAN:  4015566604599
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 112,99

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