Tunnel. Das Licht der Finsternis

Ein Sprichwort sagt: „Wer tief gräbt, kann hoch bauen.“ Und so stoßen die zwei Briten Roderick Gordon und Brian Williams mit der Handlung ihres ersten Romans tief ins Erdinnere vor, um eine groß angelegte Geschichte über eine vergessen gegangene Zivilisation unter Tage aufzubauen. „Das Licht der Finsternis“ bildet den Auftakt zu einer geplanten Trilogie. Parallel zur ersten Veröffentlichung des Romans in deutscher Übersetzung erscheint im Hörverlag das darauf gestützte Hörbuch, gelesen von Profisprecher Andreas Fröhlich.

von Simon Ofenloch

 

Der vierzehnjährige Will ist ein Außenseiter mit ganz eigenen Interessen und Vorlieben und einem besonderen Äußeren. Denn Will liebt es, zu graben. Und er ist ein Albino. Mit schneeweißem Haar und hellblauen Augen. Auch zu seiner Familie hat Will nicht das beste Verhältnis. Mit seiner Mutter, einer egozentrischen Medienwissenschaftlerin, die ihr Dasein vor allem vor dem Fernsehbildschirm fristet, hat Will wenige Berührungspunkte. Seiner dominanten Schwester Rebekka geht er lieber aus dem Weg. Und auch sein Vater, der verschrobene Archäologe Doktor Burrows, ist Will keine große Stütze im Leben. Immerhin aber verbindet Vater und Sohn eine große Leidenschaft. Eben das Graben. Das Buddeln. Das Ausheben von Tunneln und unterirdischen Höhlen.

Eines Tages ist Doktor Burrows wie vom Erdboden verschluckt. Stecken die seltsamen, unheimlichen Gestalten dahinter, die Will in den vorangegangenen Tagen immer wieder in den Straßen des Londoner Stadtteils Highfield gesehen hat und denen ein eigenartiger erdig-muffiger Geruch anhaftet? Mit seinem neuen und einzigen Freund Chester begibt sich Will auf die Suche nach seinem Vater. Die Spur des Archäologen führt ins Erdinnere. In ein unter Tage verborgen gelegenes Reich, in dem sich ein älteres London erhalten hat, das Charles Dickens als das seine erkannt hätte. Beherrscht wird diese Welt von den „Styx“, schaurigen Gestalten, die keine Eindringlinge dulden.

Tief unter der Erde erfährt Will erschütternde Neuigkeiten über seine eigene Existenz. Und während die Suche nach seinem verschollenen Vater zunächst erfolglos bleibt, wird seine Freundschaft zu Chester auf eine harte Probe gestellt.

Abenteuer im Erdinnern haben in der Fantasy und der Science Fiction eine lange Tradition. Sowohl ältere Autoren wie Jules Verne („Reise zum Mittelpunkt der Erde“) und Edgar Rice Burroughs („At the Earth’s Core“) als auch neuere Schreiber wie Neil Gaiman („Niemalsland“) und Wolfgang Hohlbein („Unterland“), um nur einige wenige zu nennen, haben dieses Feld bereits beackert. In dieser Verwandtschaft bietet das Storykonstrukt von Roderick Gordon und Brian Williams kaum Neues. Die Geschichte fängt spannend und verheißungsvoll an und endet schließlich in bekannten und wenig originellen Entwicklungen.

Was der Geschichte zugute kommt, ist ihre erzählerische Leichtigkeit, ihr überzeugendes Figurenpersonal und einige hinreißend geschilderte Situationen. Was dem Hörbuch zugute kommt, ist die Person, die es zum Klingen bringt. Andreas Fröhlich, der als Hörbuchleser nie ein Unbekannter war, weil er sich langjährig Meriten als Hörspielsprecher verdient hat, versteht es, unterschiedlichen Figuren jeweils passende Stimmen zu verleihen, ohne dabei gekünstelt oder angestrengt zu wirken.

Fazit: Nicht die Quadratur des Kreises, aber eine unterhaltsame, leicht verständliche und überschaubare Geschichte mit überzeugenden Figuren in unterhaltsamen Szenarien. Das Gemeinschaftswerk der Studienfreunde Roderick Gordon und Brian Williams möchte mehr sein, als es eigentlich ist. Man wird sehen, ob womöglich die folgenden Teile dem Anspruch gerecht werden können.


Tunnel. Das Licht der Finsternis
Gekürzte Lesung nach dem Roman von Roderick Gordon und Brian Williams
Andreas Fröhlich (Erzähler)
Der Hörverlag 2008
ISBN: 978-3-86717-285-1
8 CDs, ca. 571 min., deutsch
Preis: EUR 29,95

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