Star Wars – Am Rande des Imperiums: Einsteiger-Set

Das stehen wir also: Vor dem siebten Neustart eines „Star Wars“-Rollenspiels. Nach einer First Edition, Second Edition und Second Edition Revised and Expanded von WestEnd-Games sowie einer an „D&D“ angelehnten First, Revised und Saga Edition von Wizards of the Coast dürfen wir uns nun auf die Inkarnation aus dem Hause Fantasy Flight Games freuen, die sich lose an die Regeln für die „Warhammer“-Rollenspiele anlehnt. Das Einsteiger-Set ist nun auf Deutsch beim Heidelberger Spieleverlag erschienen.

von Bernd Perplies

Genau wie im Fall der „Warhammer 40.000“-Rollenspielprodukte hat FFG auch für „Star Wars“ ein allgemeines Regelset geschaffen, das in mehreren Rollenspiel-Unterreihen Verwendung findet, die jeweils Teilaspekte des „Star Wars“-Universums zum Thema haben, zugleich aber komplett untereinander kompatibel sind. „Am Rande des Imperiums“, das erste Setting, handelt von der Welt, in der sich Leute wie Han Solo, Chewbacca, Lando Calrissian, Jabba der Hutte und Boba Fett herumtreiben. Es geht um Geschäfte in schmutzigen Gassen auf Randwelten, die unteren Ebenen von Coruscant, schäbige Cantinas und geheime Asteroidenverstecke. Schmuggler, Piraten, Kopfgeldjäger, Scouts, Händler und Kolonisten stehen im Fokus. Die Rebellion interessiert hier kaum jemanden, die Macht ist ein Mythos und das Imperium stellt ein notwendiges Übel dar, während jeder einzelne versucht, sein Glück dort draußen zwischen den Sternen zu finden.

Das Einsteiger-Set ist eine etwa DIN-A4-große Schachtel aus dünner Pappe, in der sich alles befindet, was man für ein paar erste Spielrunden benötigt: ein Kurzregelwerk, ein Abenteuer, Würfel, vier vorgefertigte Charaktere, Spielmarker und ein doppelseitiges Poster mit Gebäudeplänen, einer kleinen Stadtkarte und einem Raumschiff – natürlich YT-1300-Klasse. Das Spielmaterial ist FFG-typisch hochwertig und in Vollfarbe, wenngleich die Pappschachtel selbst etwas instabil anmutet und leicht verknickt. Doch allein das Set aus 14 Spezialwürfeln, das man für diese neuste Inkarnation eines „Star Wars“-Rollenspiels braucht, hat einen Wert von ca. 10 EUR, womit der Rest der mit 24,95 EUR veranschlagten Box nur noch schlappe 15 EUR kostet.

Sowohl als Spieler, als auch als Spielleiter wird man von dem Einsteiger-Set wirklich an die Hand genommen. Im Grunde genügt es zu Beginn der ersten Spielrunde, die Charakterbögen, die sehr genau beschreiben, was welche Werte bedeuten, auszuteilen, den gelben Rolltext auf der Rückseite des vierseitigen Einführungsbogen für blutige Rollenspielanfänger vorzulesen und dann Seite 1 des Abenteuerbands aufzuschlagen. Gut, flüssiger spielt sich das Ganze natürlich, wenn der Spielleiter vorher das Abenteuer „Die Flucht aus Mos Shuuta“ durchgelesen und halbwegs verinnerlicht hat. Aber eigentlich könnte man sich auch gemeinsam durcharbeiten, denn das in sechs Begegnungen (und ein wenig Zwischenspiel) aufgelöste Abenteuer ist so aufgebaut, dass es der Gruppe während des Spiels die grundlegenden Regelmechanismen beibringt. Vorlesetexte helfen dem Spielleiter dabei, für Atmosphäre zu sorgen, genauso die Gebäudepläne und die Helden und Schurken zeigenden Spielmarker.

Das Abenteuer ist denkbar simpel und sozusagen schon in der Überschrift zusammengefasst. Die Charaktere – je nach Spieleranzahl die Twi’lek-Kopfgeldjägerin Oskara, der menschliche Schmuggler Pash, der Kolonistendroide 41-VEX und der Wookiee-Söldner Lowhhrick – haben aus dem ein oder anderen Grund die Nase voll, für den Hutten Teemo zu arbeiten, der die kleine Stadt Mos Shuuta auf dem berühmt-berüchtigten Wüstenplaneten Tatooine beherrscht. Also wollen sie abhauen. Da die Stadt mitten in der tiefsten, lebensfeindlichen Einöde liegt, brauchen sie ein Raumschiff, um zu verschwinden. Als ein trandoshanischer Kopfgeldjäger mit seinem heruntergekommenen YT-1300-Frachter in Mos Shuuta landet, halten sie die Gelegenheit für gekommen.

Das Abenteuer ist recht gradlinig aufgebaut, aber ein erzählfreudiger Spielleiter und neugierige Spieler können sich auch ein wenig links und rechts vom Pfad bewegen. Tipps, was man in Mos Shuuta noch entdecken könnte, finden sich gegen Ende des 32-seitigen Hefts. Allerdings ist das Ganze schon ziemlich auf Geschwindigkeit und cineastisches Handeln ausgelegt (wir reden hier immerhin von einer Flucht), sodass es eher unwahrscheinlich ist, dass selbst eine notorisch grüblerische Spielgruppe länger als einen Abend braucht, um Tatooine den Rücken zu kehren. Wer danach direkt weiterspielen will, kann sich übrigens das kostenlose PDF-Abenteuer „Der lange Arm des Hutts“ runterladen, das in einem dreiteiligen Handlungsverlauf über die Heimatwelt der Twi’lek und Geonosis zurück nach Tatooine führt und vielleicht zwei bis drei Abende dauert (zum Zeitpunkt der Rezension war allerdings die deutsche Website down, wo man die Datei finden soll).

Wer Weiterspielen will, greift dann zu dem 48-seitigen Regel-Softcover, der eine Art Light-Version der Grundregeln von „Am Rande des Universums“ darstellt. Beschrieben werden darin der Würfelmechanismus, der Kampf, der Fertigkeiteneinsatz, Talente, Ausrüstung, Fahrzeuge & Raumschiffe sowie ein paar Feinde. Ein Index erleichtert das schnelle Auffinden, ein Inhaltsverzeichnis gibt es witzigerweise nicht. Das alles reicht durchaus für ein paar Testrunden, irgendwann will man dann natürlich von allem mehr.

Grundsätzlich basiert „Am Rande des Universums“ auf einer nicht ganz unkomplizierten Würfelmechanik. Es existieren sieben (!) verschiedene Spezialwürfel (wobei der Machtwürfel nur zu Beginn der Spielsession benötigt wird), die sechs verschiedene Symbole zeigen. Die grünen Begabungswürfel sind von der Eigenschaft des Charakters abhängig und stellen den Grundwert an Würfeln dar, die man für eine bestimmte Fertigkeitsprobe werfen darf. Besitzt der Charakter „Ränge“ in besagter Fertigkeit, werden Begabungswürfel durch die besseren, gelben Trainigswürfel ersetzt. Ein Charakter, der beispielsweise Stärke 4 und Athletik 0 hat, bekommt 4 grüne Würfel. Ein Charakter mit Gewandtheit 3 und Artillerie 1 bekommt 2 grüne und 1 gelben. Herrschen bei einer Probe vorteilhafte Bedingungen, kann der Spielleiter zusätzlich blaue Verstärkungswürfel gewähren, negative Umstände werden durch den Zusatz von schwarzen Komplikationswürfeln einbezogen. Die Schwierigkeit einer Probe schließlich wird durch violette Schwierigkeitswürfel symbolisiert, die je nach Herausforderung mit 1 (einfach) bis 5 (extrem schwierig) Würfeln zu Buche schlagen. Ganz besondere Herausforderungen werden zusätzlich durch den roten Herausforderungswürfel dargestellt.

Wenn nun eine Probe gewürfelt werden soll, nimmt der Spieler die grünen und gelben Würfel, die seiner Fertigkeit entsprechen, der Spielleiter fügt den Schwierigkeitsgrad, Vorteile und/oder Komplikationen durch Hinzugabe von violetten, blauen und/oder schwarzen Würfeln hinzu und dann würfelt der Spieler den ganzen Pool. Auf der Habenseite gibt es Erfolgssymbole, Vorteilssymbole und Triumphsymbole, dagegen stehen Fehlschlagsymbole, Bedrohungssymbole und Verzweiflungssymbole. Erfolg und Fehlschlag, Vorteil und Bedrohung sowie Triumph und Verzweiflung heben sich jeweils gegenseitig auf. Am Ende lässt sich nicht nur ersehen, ob ein Charakter Erfolg hatte oder nicht, sondern auch, ob ihm dabei etwa ein Missgeschick (mehr Bedrohungssymbole als Vorteilssymbole) oder etwas Erfreuliches (mehr Vorteilssymbole als Bedrohungssymbole) widerfahren ist. So kann man zum Beispiel einen Gegner mit einem Blasterschuss treffen, gleichzeitig aber überhitzt die Waffe und ist eine Runde nicht einsetzbar. Oder man wird vom Feind erwischt, fällt aber hinter eine Kiste und hat zukünftig Deckung im Kampf. Dieses komplexe Würfelsystem bedarf etwas Eingewöhnungszeit – und vor allem eines flexiblen Spielleiters –, aber dann lassen sich mit einem einzelnen Wurf erstaunlich interessante und wendungsreiche Aktionen abhandeln.

Vielleicht noch zwei Sätze zum Kampf: Der Kampf läuft in Runden ab, wobei zu Beginn des Kampfs erst einmal jeder Teilnehmer seine Initiative wirft. Dadurch entsteht eine Reihenfolge, die allerdings nicht auf einzelne Handelnde festgelegt ist, sondern nur SC- und NSC-Slots bietet. Ist ein SC an der Reihe, können die Spieler einen aus ihrem Kreis auswählen, der noch nicht gehandelt hat. Dieser darf dann seinen Zug durchführen. Im Falle eines NSC-Slots läuft es genauso. Die erwürfelte Reihenfolge bleibt den ganzen Kampf gleich, die ausgewählten Handelnden können jedoch frei variieren. Jeder, der am Zug ist, darf beliebig viele Nebenaktionen durchführen (Worte zurufen, sich umschauen, einen Gegenstand fallenlassen, etc.), dazu ein Manöver (Zielen, Bewegen, Waffe nachladen, etc.) und eine Aktion (Kampf- oder Fertigkeitenprobe ablegen), wobei die Aktion auch für ein zweites Manöver verwendet werden kann. Rollenspieltypische Details wie Entfernungen, Schadensreduktion durch Rüstung, schwieriges Terrain und Deckung finden natürlich alle ihren Platz, insgesamt bleibt das Regelwerk aber auch hier schlank, um ein rasches Spiel ohne viel Nachblättern zu ermöglichen.

Fazit: Alles in allem muss ich sagen, dass das „Star Wars – Am Rande des Imperiums: Einsteiger-Set“ seine Sache sehr gut macht. Es ist simpel genug gehalten, um einen schnellen Einstieg zu erlauben, aber zugleich hinreichend komplex, damit man eine ganze Weile damit spielen kann, bevor man an die Grenzen stößt. Natürlich halten sich gerade die Beschreibungen zum Universum und seinen Rassen stark in Grenzen, aber das Schöne an „Star Wars“ ist ja, dass die meisten Leute zumindest die Filme kennen und daher mit einem Wookiee, einem Rodianer oder einem Twi’lek sofort etwas anfangen können. Als preiswerter Appetithappen (der gerade Casual Gamer bemerkenswert lange unterhalten kann) absolut zu empfehlen.

Spielgruppen, die mit dem Universum bisher noch gar nichts am Hut hatten, sollten ergänzend vielleicht noch ein oder zwei Nicht-Rollenspiel-Bücher wie „Star Wars: The New Essential Guide to Alien Species“ oder „The Essential Atlas: Star Wars“ dazu erwerben, um einen generellen Überblick über die Welten und Rassen des „Star Wars“-Universums zu bekommen. Und noch ein Tipp: Wer ein Smartphone oder einen Tablet-PC sein Eigen nennt, kann sich die Sonderwürfel auch bei Google Play und im AppStore für ca. 4 EUR als App runterladen (die App umfasst noch die Würfel für „Star Wars – X-Wing“ und alle normalen Rollenspielwürfel). Das ist deutlich preiswerter als das normale Würfel-Set.


Star Wars – Am Rande des Imperiums: Einsteiger-Set
Regelwerk
Daniel Lovat Clark, Chris Gerber
Fantasy Flight Games/Heidelberger Spieleverlag 2013
EAN: 4015566018105
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 24,95

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