Schwarzer Kreuzzug: Hand der Verderbnis

Das jüngste Kind der Familie von „Warhammer 40.000“-Rollenspielen, „Schwarzer Kreuzzug“, eröffnet den Spielern die Möglichkeit, als verderbte Jünger der vier Chaosmächte in den endlosen Krieg gegen das verhasste Imperium der Menschheit zu ziehen. Mit „Hand der Verderbnis“ legt der Heidelberger Spieleverlag den ersten Kampagnenband für „Schwarzer Kreuzzug“ vor.

von André Frenzer

Bei der Rezension von Abenteuerbänden gehört es zum guten Ton, die obligatorische Spoiler-Warnung vorab zu schicken. Wer „Hand der Verderbnis“ noch als Spieler erleben möchte, dem sei angeraten, gleich bis zum Fazit vorzuspringen.

Handlung

„Hand der Verderbnis“ behandelt das Schicksal der imperialen Gefängniswelt St. Annards Buße. Durch einen Zufall erhalten die Charaktere – im Buch konsequent „Ketzer“ genannt – Informationen über ein geheimnisvolles Ritual, das in der Lage ist, die Welt St. Annards Buße in den Heulenden Wirbel – und damit direkt in die Reiche des Chaos und den direkten Kontrollbereich der Ketzer – zu reißen. Als imperiale Gefängniswelt ist St. Annards Buße voll von Möglichkeiten – Millionen von Gefangenen, die nicht gut auf das Imperium zu sprechen sind, wertvolle Rohstoffe, die hier ausgebeutet werden und gigantische Manufakturen, um Waffen und anderes Kriegsgerät herzustellen. Das Interesse der Gruppe an dieser Welt sollte also leicht zu wecken sein, doch stehen ihnen umfangreiche Truppenkontingente des Imperiums, vertreten durch Arbitratoren (die Polizeikräfte im „Warhammer 40.000“-Universum) und Imperiale Armee, gegenüber.

Um diese Probleme zu beseitigen, müssen die Ketzer einen Aufstand unter den Gefangenen anzetteln. Diese sind den Sicherheitskräften zahlenmäßig hoch überlegen und werden diese schon zu beschäftigen wissen, während die Charaktere das finstere Ritual abhalten, das St. Annards Buße in die Umarmung des Chaos reißen wird. Im Vorfeld gibt es natürlich einiges zu erledigen; Bündnisse müssen geschmiedet, die richtigen Personen bestochen und zahlreiche Opfer gefunden werden. Sind die Ketzer erfolgreich, verschwindet St. Annards Buße unter dem Auge der imperialen Flotte einfach im Reich des Warp. Doch tatsächlich beginnen damit die Probleme für die Charaktere erst richtig, denn St. Annards Buße ist eine Gruftwelt der Necrontyr, einer unglaublich alten und mächtigen Rasse, die hier die Jahrmillionen im robotischen Schlaf überdauert hat. Mit dem Eintritt in den Warp erwachen die Necrons und beginnen schon bald damit, die Planetenoberfläche von der „organischen Befleckung“ zu säubern. Ein weiteres Mal müssen die Ketzer ins Gefecht ziehen, um ihre neue Welt zu verteidigen.

Inhalt und Aufmachung

Auf insgesamt 143 Seiten bietet „Hand der Verderbnis“ einen gut strukturierten Inhalt. Die Kampagne ist in drei Kapitel unterteilt, doch zuvor wird eine umfangreiche Beschreibung der Gefängniswelt St. Annards Buße abgeliefert. Neben einer allgemeinen Beschreibung der Welt, finden sich der Aufbau der Gefängnisanlagen, die Sicherheitsvorkehrungen und die wichtigsten NSC in diesem Kapitel wieder.

Das erste Kampagnenkapitel, „Buße lockt“, beschäftigt sich mit der Vorgeschichte. Die Ketzer erhalten von einem alten Kriegsmeister Hinweise auf das Ritual, das St. Annards Buße zum Verhängnis werden soll. Daraufhin müssen sie eine Reise in den imperialen Calixis-Sektor organisieren und sich einen Zugang zur Gefängniswelt erschleichen. Das folgende Kapitel, „Revolte und Verderbnis“ gibt dem Spielleiter dann einige Möglichkeiten an die Hand, mit denen sich die Charaktere beschäftigen sollten, um einen Aufstand der Gefangenen anzuzetteln. Dieses Kapitel ist naturgemäß sehr frei und offen gehalten, bietet zahlreiche Optionen für die Spieler und entsprechend viel Aufwand für den Spielleiter, ist aber auch das Herzstück der Kampagne. Am Ende des Kapitels steht die Durchführung des Rituals, woraufhin St. Annards Buße in den Heulenden Wirbel gerissen wird.

Das dritte und abschließende Kapitel, „Die unsterblichen Legionen“, behandelt schließlich das Erwachen der schrecklichen Necrontyr und ihren Kampf gegen die organischen Invasoren, sprich jedes lebende Wesen auf der Oberfläche des Planeten. Dieses Kapitel bedient sich klassischer Horrorelemente (wie dem spurlosen Verschwinden von Suchtrupps in einem Minenschacht), endet aber tatsächlich in einem gigantischen Dungeoncrawl, denn es wird die Aufgabe der Ketzer sein, tief in die Gruftanlagen der Necrons vorzustoßen und dort den Energiekern zu sprengen.

An der Aufmachung gibt es – wie auch schon bei den vorangegangenen „Schwarzer Kreuzzug“-Publikationen – kaum etwas auszusetzen. Der Hardcoverband ist vollfarbig, reichhaltig illustriert und mit einem klar lesbaren Schriftbild ausgestattet. Einzig die Qualität einiger weniger Illustrationen hinkt im Vergleich zu den Vorgängerbänden leicht hinterher, doch tut dies dem optisch positiven Gesamteindruck kaum einen Abbruch. Auch Übersetzung und Lektorat wissen zu gefallen.

Kritik

„Hand der Verderbnis“ hat einige positive Aspekte vorzuweisen. Zunächst einmal möchte ich die Vielfalt interessanter Nichtspielercharaktere in den Vordergrund stellen, auf welche die Spieler während der Kampagne treffen können. Nahezu alle von ihnen sind ikonische Figuren aus dem „Warhammer 40.000“-Universum, bieten Ecken und Kanten und alle Schattierungen von Grau, die so „Warhammer“-typisch sind. Auch muss man der Kampagne den hohen Abwechslungsreichtum zu Gute halten, den sie bietet – neben List, Verrat und Tücke müssen die Ketzer Verhandlungsgeschick ebenso wie Kampfkraft an den Tag legen, um am Ende auch wirklich die Herren über St. Annards Buße zu sein.

Es bleiben allerdings in meinen Augen zwei große Kritikpunkte, die ich nicht unerwähnt lassen möchte. Zunächst betrifft das die Aufarbeitung des Materials. Weite Teile bestehen eher aus einer groben Beschreibung einer möglichen Rahmenhandlung als aus konkreten Hilfestellungen für den Spielleiter. Das mag als die perfekte Antwort auf Railroading erscheinen, dennoch geht das Buch davon aus, dass die Charaktere gewisse Eckpunkte in der Handlung einfach einhalten – beispielsweise einen Aufstand anzetteln. Als Tipp wird dem Spielleiter sogar an die Hand gegeben, dass er diese Informationen notfalls einfach so an die Spieler geben sollte. Sicher hilft das der Handlung auf die gewünschten Sprünge, elegant ist das allerdings nicht. Besonders irritiert an der groben Ausarbeitung hat mich aber der Umstand, dass der Text hin und wieder von Vorlesetexten, wie man sie aus Abenteuern für blutigen Anfänger kennt, unterbrochen wird. Die passen nun so gar nicht zum restlichen Konzept des Bandes.

Der zweite Kritikpunkt galt bereits für das Grundregelwerk von „Schwarzer Kreuzzug“ und gilt für diesen ersten Kampagnenband umso mehr: In „Schwarzer Kreuzzug“ spielt man nun mal nicht den sympathischen Rebellen, wie man ihn von „Star Wars“ kennt, sondern finstere Dämonenpaktierer, die ihre Macht auf dem Blut imperialer Opfer aufbauen. So sieht auch das Ritual die Opferung zahlloser Menschenleben durch die Ketzer vor, inklusive der rituellen Darbietung vier ganz besonderer Seelen an die Chaosgötter. Es ist ein Segen des Regelsystems, dass es diese Aspekte sehr abstrakt und mit kombinierten Würfelwürfen abhandelt und keine erzählerischen Ansätze unterstützt; dennoch dürfte die Zahl an Spielern, die wirklich Spaß an solchen Aktionen haben, (glücklicherweise) eher gering ausfallen.

Fazit: „Hand der Verderbnis“ bietet viele interessante Nichtspielercharaktere und eine intelligente, streckenweise gut aufbereitete Handlung in der grimmigen Zukunft des 41. Jahrtausends. Es bleibt jedoch „Schwarzer Kreuzzug“ – und damit ungewöhnlich brutal und tabubrechend. Damit ist es sicherlich nicht für jeden Geschmack geeignet.

Schwarzer Kreuzzug: Hand der Verderbnis
Kampagnenband
Sam Stewart, John Dunn, Tim Flanders u. a.
Heidelberger Spieleverlag 2014
ISBN: 978-3942857130
144 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 34,95

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