Runebound – Dritte Edition (II)

Das Kribbeln, wenn man einen magischen Gegenstand in den Händen hält. Der Schrecken, einem mächtigen Gegner gegenüber zu stehen. Eine Welt voller Phantastik, Monster, Schlachten, Zauber, Ruhm, Ehre. Plötzlich war ich wieder dreizehn.

von Kai Melhorn

Tatsächlich fühle ich mich bei „Runebound“ in meine Jugend und meine ersten Kontakte mit „D&D“ und der ganzen Welt der Rollenspiele zurückversetzt. Fans des Genres mögen mich dafür hassen, aber ich muss zugeben: Es fühlt sich an wie „Talisman“. Weder habe ich die erste oder die zweite Edition von „Runebound“ gespielt, noch habe ich mich mit anderen Vertretern dieser Art Spiele gewidmet. Aber viele Elemente (der ersten Edition) von „Talisman“ fühlten sich genauso an. Viel vergleichen kann ich allerdings nicht, denn seit damals habe ich eigentlich nie wieder ein Spiel dieser Art gespielt. Bis heute.

Das Material

Das große Spielbrett ist schnell entfaltet und bietet einen sehr schön gestalteten Blick auf das Königreich Terrinoth. Die Landkarte ist in Hexfelder unterteilt und lässt den Spieler schon ahnen, dass man sich demnächst auf eine Reise quer durch Ebenen, Hügel, Berge, Flüsse, Wälder und Täler begeben wird. Die Spielfiguren der Helden sind Miniaturen auf mittlerem Niveau aber insgesamt nett anzuschauen und auch ohne Bemalung gut voneinander unterscheidbar. Die dazugehörigen Charakterkarten sind angemessen groß gehalten und bieten durch die schöne Illustration und ein wenig Text einen besseren Einblick in die Seele der Helden. In der gleichen Größe gibt es noch die Karten der Endgegner der beiden Szenarien, die dem Grundspiel beiliegen. Auch diese sind schön illustriert und lassen erahnen, welche Schrecken uns erwarten werden.

Weiterhin gibt es Fähigkeits-, Ausrüstungs- und Questkarten sowie jede Menge Marker. Allesamt sind gut bis sehr gut gestaltet, wobei die Fähigkeitskarten nicht bebildert sind. Alle Komponenten sind robust, gut dimensioniert und lassen sich ebenso gut handhaben. Die Würfel überzeugen mich persönlich nicht besonders. Zwar erfüllen sie ihren Zweck und stellen die verschiedenen Geländeformen des Spielbretts gut dar, aber sie machen keinen sehr wertigen Eindruck und müssen vom Spieler selbst beklebt werden. Das stellt an sich zwar kein Problem dar, aber die leichte Bauart und die kantige Form machen sie nicht zu meinen Favoriten unter den Würfeln.



Das Spiel

Jeder Spieler übernimmt einen Helden, der im Spielverlauf nur ein Ziel hat: Den mächtigen Oberbösewicht zu erledigen. Nur Schwächlinge verlassen sich bei einer solchen Mission auf andere, es gilt also, vor allen anderen siegreich zu sein und als einziger wahrer Held von Terrinoth in die Geschichte einzugehen.

Das Spiel wird mit zwei Szenarien geliefert. Im ersten muss ein Drache erschlagen werden und im zweiten gilt es, einem Nekromanten das Handwerk zu legen, der die Welt der Lebenden mit Tod überziehen möchte.

Die Charaktere starten ohne Ausrüstung und mit nur wenig Bargeld in der Tasche. Außerdem sind sie noch relativ schwach und haben je nur eine einzigartige Fähigkeit, die sie auszeichnet. Zudem gibt es im Spiel die drei Attribute Stärke, Wille und Magie, die ebenfalls zur Unterscheidung der Charaktere beitragen. Zu guter Letzt hat jeder Spieler (und auch die Gegner) ein Set von Kampfchips, die durch Ausrüstung noch aufgestockt werden. Zum Kampfsystem aber später mehr.



Also starten die am Anfang leicht unterschiedlichen Charaktere an unterschiedlichen Orten in Terrinoth und machen sich auf den Weg. Überall auf der Landkarte sind Questpunkte verteilt, und man zieht Runde für Runde weiter, um möglichst viele dieser Quests zu bestehen. Dafür erntet man Erfahrung und Geld. Das Geld wird genutzt, um Ausrüstung auf den großen Märkten der Städte zu kaufen. Die Erfahrung benötigt man, um Fertigkeiten zu erlernen. Durch geschickte Auswahl von Ausrüstung und Fähigkeiten passend zu den grundlegenden Attributen eines jeden Charakters ist es so möglich, mächtige Kombinationen zu schaffen, die den Sieg erleichtern.

Mit diesem Ziel vor Augen sind die Spieler abwechselnd an der Reihe und führen verschiedene Aktionen aus. Alle paar Runden erfolgt ein Weltevent, wodurch die Ausprägung der verschiedenen Szenarien ins Spiel kommt. Auch die Quests sind teilweise spezifisch für das jeweilige Szenario und der Stimmungstext sorgt dafür, dass die Spieler die Veränderung der Welt miterleben können. Nach diversen Runden wird das Ende des Spiels eingeläutet. Ist es bis dahin keinem der Kontrahenten gelungen, den Endboss zu erledigen, haben alle gleichermaßen verloren.

Im Spielverlauf ist beinahe alles vom Glück abhängig. Bewegung: Es wird gewürfelt. Ausrüstung: Die Karten werden zufällig gezogen und auf die Städte verteilt. Fähigkeiten: Werden von einem großen Stapel gezogen und können gut passen oder eben auch nicht. Quests: Werden ebenfalls zufällig von verschiedenen Stapeln gezogen. Leicht oder schwer, lukrativ oder nicht lohnenswert. Man weiß es nicht. Trotz dieser vielen Glückfaktoren kristallisieren sich während des Spiels Möglichkeiten heraus, richtig mächtig zu werden. Normalerweise gibt es neben diverser kleinerer Verbesserungen immer einen echten Sprung, der wie ein Befreiungsschlag wirkt. Ist dieser getan, kann es nicht mehr lange dauern, bis man in der Lage ist, den Boss zu erledigen. Diese Möglichkeiten muss man erkennen und mit aller Macht verfolgen. Wird einem jedoch die passende Ausrüstung vor der Nase weggeschnappt, gilt es möglichst schnell eine andere Möglichkeit zu finden.



Bleibt noch der Kampf. Auch der basiert zu großen Teilen aus Glück, hat aber auch eine taktische Komponente und ist durchaus besonders, deshalb will ich dazu ein paar mehr Worte verlieren.

Der Kampf

Sowohl die Charaktere, als auch ihre Gegner verfügen über ein Set von Kampfchips. Jeder Chip hat zwei Seiten und jeweils ein anderes Symbol. Je nach Symbol kann körperlicher oder magischer Schaden verursacht werden, Schaden abgewehrt und Einfluss auf die Kampfchips genommen werden. Zu Beginn jeder Runde werfen beide Seiten die Chips, wobei immer jeweils ein Mitspieler die Rolle des Bösewichts übernimmt. Nun werden die Chips abwechselnd eingesetzt, bis alle verbraucht wurden. Anschließend geht das Spiel von vorne los, bis einer der beiden Kontrahenten besiegt wurde. Es gilt also die Chips möglichst geschickt einzusetzen, um sich dadurch einen Vorteil zu erspielen. Dabei hat der Spieler der Kreaturen natürlich ein Interesse daran, ebenfalls so gut wie möglich zu spielen, um dem Gegner zu schaden.

Das Kampfsystem hat seinen Reiz. Der Glücksfaktor ist natürlich recht ausgeprägt, aber die Möglichkeiten der Manipulation und die Tatsache, dass meist beide Seiten eine sinnvolle Einsatzmöglichkeit bieten, kompensieren diesen Faktor auch wieder.

Zudem muss man auch überlegen, in welcher Reihenfolge man seine Aktionen einsetzt, um möglichst viel herauszuholen und nicht vom Gegner ausgekontert zu werden. Allerdings sind auch hier die Möglichkeiten begrenzt und man schon relativ schnell raus, was zu tun ist. Vorteile ergeben sich dann eher mal durch Flüchtigkeitsfehler des anderen, was eher zu Frustmoment führt. Zu den Glücksmomenten eines besonders ausgeklügelten und gelungenen Zuges kommt es jedenfalls eher selten.



Spielerinteraktion und Dauer

Die Spielfeldgröße ist für vier Spieler ausgelegt. Die damit verbundenen Wege auf dem Brett sind ihrerseits auf die Anzahl der Runden angepasst. Spielt man zu viert, kommt man sich durchaus in die Quere und muss die Bewegungen der anderen mit in seine Überlegungen einbeziehen, damit man nicht ausgebremst wird. Außerdem sind die Ausrüstungsgegenstände für alle verfügbar, und auch einige Szenariomissionen können nur von einer begrenzten Anzahl von Spielern erfüllt werden. Aber bis auf diese indirekten Konkurrenzsituationen ist die Interaktion nahezu null. Es spielt also jeder vor sich hin und hat nur das Ziel, schneller zu sein als die anderen.

Durch eine gewisse Enge auf dem Brett tritt das alles deutlicher zu Tage, aber damit sind wir auch schon beim nächsten Thema. Selbst zu zweit dauert das Spiel locker mehrere Stunden. Da es genretypisch auch mit wenig Grübelei auskommt und ich es auch solo getestet habe, bin ich der Meinung, dass sich hier nur schwer viel Zeit herausholen lässt. Zumindest, wenn man kein Speed-Questing betreiben will. In einem Spiel zu dritt oder viert kommt hinzu, dass durch die geringe Interaktion auch nur wenig Interesse am Spielzug des anderen vorhanden ist. Man dreht also Däumchen und sitzt gar fünf oder mehr Stunden zusammen an einem Tisch. Ein Faktor dem man bei der Wahl seiner nächsten Einkäufe auf jeden Fall beachten sollte.

Fazit: Ich bin hin und hergerissen. Auf der einen Seite hat dieses Spiel kaum etwas, was mich normalerweise am Spielen reizt. Zudem ist es lang und beschränkt sich für meine durchschnittlichen Spieleabende damit auf Partien zu zweit. Auf der anderen Seite beginnt man als schmächtiger Hänfling und ist nach diesen besagten Stunden in der Lage, einen mächtigen Endgegner zu Fall zu bringen. Das Gefühl, jetzt nur noch ein paar Gold sammeln zu müssen, um den entscheidenden Gegenstand für eine unschlagbare Kombo zu bekommen, ist damals wie heute toll. Zudem hatte ich in meinen Runden am Ende einfach mehrere Stunden Spaß. Und was will man eigentlich mehr?


Runebound – Dritte Edition
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Lukas Litzsinger
FFG/Heidelberger Spieleverlag 2016
EAN: 4015566023383
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,95

bei amazon.de bestellen