Red Rising

Lasst uns mal eben zusammen 800 Jahre in die Zukunft springen. Wir Menschen haben unser Sonnensystem bis in den letzten Winkel bewohnbar gemacht und eine neue gesellschaftliche Ordnung auf die Beine gestellt. In dieses Setting entführen uns die Romane des amerikanischen Science-Fiction-Schriftstellers Pierce Brown. Genannt hat er diesen Zyklus „Red Rising“, und Jamey Stegmaier hat daraus ein Spiel entwickelt.

von Oli Clemens

Vor euch liegt der Spielplan mit vier Orten: Jupiter, Mars, Luna und Das Institut. An jedem Ort liegen bei Spielbeginn zwei Charakterkarten aus, und zwar so gefächert, dass sie überlappen. Die folgenden Infos jeder Karte sind aber immer für uns verfügbar: Basiswert in Punkten, Farbe und Name der Karte. Das brauchen wir auch, um im Lauf des Spiels eine optimale Kartenkombi für die Endwertung auf die Hand zu bekommen.

Wir selbst haben anfänglich fünf Charakterkarten auf der Hand, die wir natürlich geheim halten. Das können im Spiel schon mal mehr werden. Dazu bekommen wir ein Haustableau, das uns nicht nur farblich von den anderen unterscheidet, sondern jedem von uns auch einen unterschiedlichen Bonus für das Spiel gewährt. In „Red Rising“ steckt also auch eine kleine Prise Asymmetrie. Passend dazu gibt’s noch einen Shuttle-Marker, den wir an den Start der Flottenleiste über den Orten legen, und 10 Einflussmarker in der Farbe meines Haustableaus.



In einem Kistchen, das an einen Wolfskopf erinnert, liegen ziemlich viele Helium-3-Steinchen als Vorrat. Außerdem wird noch ein Herrschaftsmarker bereit gelegt, von dem wir aber noch die Finger lassen sollen. Er wird später im Verlauf des Spiels häufig von Spieler zu Spieler wandern und zum Schluss Siegpunkte bringen.

Nach der Spielvorbereitung, die keine 5 Minuten dauert, merke ich, wie wenig ich wirklich über den Roman-Zyklus „Red Rising“ weiß. Die unterschiedlichen Häuser, die Namen auf den Karten, Helium-3 – alles ist fremd für mich. Das stört mich aber gar nicht, denn vor mir liegt ein Spiel, das ich schnell verstanden habe.

Ich spiele eine Karte aus meiner Hand auf einen der vier Orte aus und aktiviere den Effekt, der unten auf der Karte aufgeführt ist. Danach ziehe ich die oberste Karte eines anderen Ortes und bekomme den Bonus des Ortes.
Wenn ich keine Karte aus der Hand ausspielen möchte, nehme ich stattdessen die oberste Karte des Nachziehstapels, lege sie an einen Ort, ohne ihre Aktion auszuspielen, und nehme mir ebenfalls den Bonus des Ortes. Kompliziert ist was anderes, und so bin ich sehr schnell im Spiel. Auch ist mir das Spielprinzip sehr vertraut, denn es leiht sich den Mechanismus von „Fantastische Reiche“, über das wir natürlich im Ringboten auch schon berichtet haben.



Auch die Orts-Boni sind sehr einfach gehalten. Auf dem blauen Ort rücke ich einen Schritt auf der Flottenleiste vor. Je weiter ich dort gelange, desto mehr Punkte werde ich zu Spielende bekommen. Oder ich sammele Helium-3-Kristalle ein, wenn ich den roten Orts-Bonus aktiviere. Jedes davon bringt mir zum Schluss Punkte. Bei Grün darf ich einen meiner Einflussmarker einsetzen und fighte bis zum Schluss um eine Mehrheitenwertung. Und bei Gelb bekomme ich den Herrschaftsmarker und aktiviere meinen persönlichen Bonus des Haustableaus, mit dem ich spiele.

Trotz der eher schlichten Regeln entwickelt sich ein spannendes Spiel. Ich will ja die perfekte Kartenhand bekommen. So muss ich also immer abwägen, was ich abspiele und was ich aufnehme. Denn die Karten gehen starke dynamische Beziehungen zueinander ein. So bringt die braune „Kindermädchenkarte“ zwar nur 10 Punkte in ihrem Basiswert, aber jede andere silberne, weiße oder kupferne Karte auf der Hand wird durch sie 5 Punkte wertvoller. Die rosafarbene Karte „Evey“ ist alleine schon 15 Punkte wert, zusammen mit „Darrow“, dem Helden der Romane, aber gleich mal 15 mehr. Habe ich aber auch „Mickey“ auf der Hand, gehen mir wieder 15 Punkte flöten. Ich versuche also dauerhaft eine Balance der Punkte in meine Hand zu bekommen. Dazu muss ich mich von Karten trennen, um neue zu bekommen. Auch das erinnert doch sehr stark an „Fantastische Reiche“. Der Vergleich ist offensichtlich gewollt. Jamey Stegmaier weist sogar in der Anleitung ausdrücklich darauf hin, dass er zwei Dinge miteinander verbinden wollte. Seine Liebe zu den Romanen und eben das genannte Kartenspiel.

Wir spielen reihum und alle versuchen, die punkteträchtigste Kartenkombi auf die eigene Hand zu bekommen.
Die Partie endet, wenn drei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind: Sieben Helium-3-Kristalle wurden eingesammelt, jemand hat sieben Einflusssteine im Institut eingesetzt und jemand hat das siebte Feld der Flottenleiste erreicht. Das Spiel kann auch enden, wenn ein Spieler alleine zwei der Bedingungen vorweisen kann. Dann geht es ans Errechnen der Punkte für jeden. Dazu liegt dem Spiel ein Wertungsblock bei, der das ganz einfach macht.



Punkte gibt es für die Basiswerte der Karten und die Synergien zu anderen Karten der eigenen Hand, die eigene Position auf der Flottenleiste, die Anzahl der gesammelten Kristalle und anteilig für eingesetzte Einflusssteine im Institut. Wer gut spielt, kitzelt aus jeder einzelnen Karte um die 35 bis 40 Punkte heraus, auch wenn der Basiswert weit darunter liegen sollte. Eine Partie dauert in Vollbesetzung anfänglich schon gute 60 Minuten, weil man viel Zeit darauf verwendet, Kartentexte zu lesen. Das wird aber mit jeder Partie schneller gehen, weil man die Karten besser kennt.

In der Schachtel liegt für jeden ein unterschiedlich farbiger Satz an Spielmaterialien aus Kunststoff. Zusammen mit der Gestaltung der 112 Charakterkarten und den Spieltableaus entwickelt sich „Red Rising“ zu einem bunten Tischfeuerwerk. Die Anleitung ist super strukturiert und bleibt jederzeit übersichtlich. So sind die schlanken Regeln auch in kürzester Zeit vermittelt.

Fazit: Auch ohne einen der Romane gelesen zu haben, fahre ich voll auf „Red Rising“ ab. Die vielen unterschiedlichen Charakter-Karten machen mich einfach neugierig. Kenntnisse der Romanhandlung braucht es keine, um Spaß zu haben. Letztlich bin ich immer auf der Suche nach der optimalen Auslage und taktiere dabei, wie ich noch an Punkte komme. Das erinnert an „Fantastische Reiche“. Im Gegenteil dazu habe ich aber bei „Red Rising“ statt Fantasy nicht nur ein Science-Fiction-Thema, sondern auch viel mehr taktische Momente. Die kurze Spieldauer sorgt in der Regel dafür, dass wir mindestens mal eine zweite Runde anhängen!

Red Rising

Kartenspiel für 1 bis 6 Spieler ab 14 Jahren
Alexander Schmidt, Jamey Stegmaier
Corax Games 2022
EAN: 7141236663140
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,00

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