Rabenkrieg VI: Der Fluch der Hornechse

Die al'anfanische Armee steht kurz davor, den Krieg gegen das Kemi-Reich zu gewinnen. Die Mauern der Tempelfestung Laguana sind das letzte Hindernis, was es zu bezwingen gilt. Denn die kemische Prinzessin Rhônda IX. Setepen muss am heiligsten Ort der Glaubenswelt der Kemi gekrönt werden. Da eine Zerstörung der Tempelfestung für Rhônda nicht infrage kommt, liegt es an den Helden als Mitglied der Rabenkrallen, dort einzudringen und der Streitmacht Einlass zu verschaffen. Doch der Weg durch die echsischen Ruinen unterhalb des Tempels birgt viele Gefahren.

von Ansgar Imme

Fast genauso schnell wie der Kriegszug der Al'Anfaner war auch der Veröffentlichungsrhythmus der sechs Bände der Kampagne durch den Ulisses Verlag. Erneut waren es nur 3 Monate Wartezeit bis zum letzten Band. In nur 15 Monaten von Juli 2020 bis September 2021 haben es die beiden Autoren Armin Abele und David Schmidt (und natürlich der Verlag) geschafft, die Kampagne zu publizieren. Die beiden anderen Kampagnen (Bornland und Elfen) brauchten da jeweils länger oder sind sogar noch gar nicht fertig. Unabhängig von manchen Kritikpunkten der Kampagne ist diese Planung sehr zu loben.

Wie zuvor erscheint auch dieses Abenteuer auf 64 Seiten und in Vollfarbe, wobei es neben Einleitung und Anhang drei Kapitel für die Handlung enthält. Der Aufbau und Inhalt der Einleitung ist eine Kopie der Vorgängerbände. Auf den Inhalt als wie auch die Kritik wird auf die vorhergehenden Rezensionen verwiesen.

Zur Handlung des Abenteuers

Die Streitmacht der A'Anfaner sowie der Kemi unter Prinzessin Rhônda erreicht über die kemische Stadt Setepen die Insel Laguana, wo die Tempelfestung Ne'charka-rê Tá liegt. Als Hauptkloster des Laguana-Ordens und Heiligtum der Kemi ist eine Zerstörung ausgeschlossen, wenn Rhônda von ihrem Volk akzeptiert werden will. Daher werden andere Lösungen gesucht, um die Kemi-Truppen zu überwinden.

Es soll einen Weg durch uralte Katakomben aus der Zeit der Echsenreiche geben, durch die man in die Festung gelangt. Doch der letzte, der diesen Weg ging, wurde nicht mehr bei Sinnen gefunden. Die Rabenkrallen und damit auch die Helden erhalten den Auftrag, dieses Hindernis zu überwinden und der Armee die Tore von innen zu öffnen.

Doch schnell zeigt sich, dass es nicht nur einen Weg ins Innere gibt, sondern ein Labyrinth voller Gefahren und Prüfungen wartet. Die Rabenkrallen müssen sich aufteilen, und die Helden gehen ihren Weg allein. Die Herausforderungen aus alten Echsenzeiten erfordern nicht nur körperliche, sondern auch geistige Anstrengungen, die bis zum Tod führen können.

Wenn es den Helden gelingt, steht der endgültige Sieg der Al'Anfanger und verbündeten Kemi kurz bevor. Aber die bereits während des gesamten Feldzugs bedrohliche Gefahr im Hintergrund erhebt sich jetzt aus dem Schatten und droht, den Schwarzen General Oderin du Metuant und seine Anhänger ins Unheil zu stürzen.

Kritik

Nach dem Höhepunkt der Kampagne im letzten Band fällt mit dem Abschluss die Qualität wieder auf das mittlere Maß der anderen Bände. Das ist nicht gleich schlecht, aber das Abenteuer ragt auch nicht wirklich heraus und hat sogar einige Schwächen. Während der vorherige Band ein sehr offenes Spiel anbot, ist die Struktur im letzten Band wie auch bei den anderen Teilen der Kampagnen wieder deutlich mehr auf einen roten Handlungsfaden ausgelegt. Es gibt durchaus einzelne spannende und stimmungsvolle Momente und Szenen, in denen die Spieler frei agieren können, aber der Weg wird doch immer wieder deutlich auf einen gewissen Ablauf zurückgeführt.

Dies ist insofern schade, als dass gerade bei einer Belagerung auch verschiedene Optionen des Eindringens und Überwindens der Gegner ins Auge springen. Doch alle Optionen werden – zwar mit Begründungen – sehr schnell abgebügelt (schlimmer: durch NSC versucht, während die Spieler und Helden zuschauen), sodass nur der Weg durch die Katakomben als Lösung verbleibt. Dabei wirkt es zunächst so, als ob man Optionen haben soll, da die Festung, Verteidiger und Angreifer mit ihren Besonderheiten beschrieben werden. Aber am Ende kann man diese nicht nutzen. Eine Möglichkeit, die deutlich vertan wurde!

Im Gewölbe der vergangenen Echsenherrscher war der rote Faden bis zum Railroading zu erwarten. Solange es sich nicht um einen Großdungeon handelt, sind Handlungsmöglichkeiten meist beschränkt. Dies wird hier aber leider noch deutlich gesteigert, da es nur eine Abfolge von Räumen ist, in denen jeweils Herausforderungen warten. Von der Stimmung gefällt dieser Abschnitt durchaus, da sich die Helden in einer vergangenen Zeit bewähren müssen und somit ein Sprung aus dem Kriegsgeschehen heraus in eine ganz andere Art von Abenteuer erfolgt. Dieser Bruch im Spielgeschehen ist aber gut erklärt und eingebaut sowie bietet überraschende Momente, wenn die Helden teils entgegen ihrer Natur handeln müssen. Spieler mit Liebe zum freien Handeln werden schnell enttäuscht bis genervt sein, wenn sie feststellen, dass sie einfach einer Raum- und Handlungs-Kette folgen und letztlich Aufgaben erledigen müssen. Zwar bemühen sich die Autoren, dies abwechslungsreich zu gestalten, in dem sowohl körperliche, kämpferische und geistige Aufgaben warten. Aber am Ende bleibt eben der Eindruck, dass die Ergebnisse ihrer Handlungen unwichtig sind, da es doch immer weitergeht.

Der letzte Abschnitt kann den Gesamteindruck auch nicht nach oben ziehen. Zwar sind hier mehr Handlungsfreiheiten zu finden, aber es handelt sich vor allem um ein Sammelsurium einzelner Szenen nach der Eroberung. Diese haben teilweise keine wesentliche Bedeutung für die Gesamthandlung und wirken nachgeschoben. Zudem ist manches (wie auch übrigens die ersten Seiten des Bandes zur Ankunft in Setepen) mehr eine Aufzählung, als dass Anregungen für das Ausspielen gegeben werden, sodass man sich fast wie in einem Roman vorkommt. Eher enttäuschend ist auch der Verlauf und Einbau der Intrige der Verschwörer gegen den Schwarzen General. Schon während der Kampagne hielt sich dies sehr im Hintergrund und blitzte nur einzeln auf. Wenn die Spieler die Einwürfe dazu nicht gezielt verfolgten, blieb etliches im Dunklen. Der letzte Auftritt ist dazu fast schon dilettantisch zu nennen, wenn ein hochrangiger Verschwörer unbedingt den General in letzter Minute vergiften möchte.

Hier stellt sich bei Vorliegen aller Bände die Überlegung, ob man die Verschwörung nicht besser ganz hätte weglassen sollen, da sie zu sehr am Rande verlief und von den Spielern vielleicht gar nicht genug beachtet und als Bedrohung wahrgenommen wurde. Ebenso muss man sich fragen, ob die Option des Kämpfens für das Horasreich als heimlicher Widersacher gegen den Feldzug wirklich sinnvoll war. An vielen Stellen muss man sich doch sehr verbiegen und die Erfolge gegen Al'Anfa können sich nur sehr in Grenzen halten, da das Endergebnis nun mal festgeschrieben ist.

Fazit: Der Höhepunkt der Kampagne wurde im vorherigen Band erreicht, auch wenn es hier um den endgültigen Triumph Al'Anfas geht. Einzelne Szenen, Beschreibungen und Momente des Abenteuers machen Spaß und sind spannend. Neben der sehr strukturierten Handlung mit weniger Freiheiten wirkt manches jedoch stückhaft und betont gewollt eingebaut. Als Abschluss ist der Band schon zwingend, da hier nun mal erst der Sieg der Rabenstadt steht. Man sollte allerdings nicht zu hohe Erwartungen haben.

Rabenkrieg VI: Der Fluch der Hornechse
Abenteuerband
Armin Abele, David Schmidt
Ulisses Spiele 2021
ISBN: 978-3-96331-176-5
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

bei amazon.de bestellen