Puppenspiel (Heldenwerk)

Das neueste „Heldenwerk“ führt die Helden tief in den aventurischen Süden, genauer gesagt nach Mirham. In dieser altehrwürdigen Stadt, die mittlerweile unter al’anfanischer Kontrolle steht, müssen sie einen heiklen Auftrag erledigen. Wie gelungen ist die mittlerweile 39. Ausgabe der „Heldenwerk“-Reihe?

von André Frenzer

Bereits die Rückseite des vollfarbigen Softcovers sorgt bei mir für ein ungutes Gefühl. Bei „Puppenspiel“ soll es sich um ein waschechtes Detektivabenteuer handeln. Zwar wurde diese oft doch recht komplexe Abenteuerstruktur von manchem „Heldenwerk“ elegant gelöst, doch ist der knappe Platz von 16 Seiten doch für andere Genres deutlich dankbarer. Aber lassen wir uns überraschen und wenden uns zunächst der Handlung zu.

Alles könnte nämlich eigentlich so einfach sein: Die Helden werden von einem Auktionshaus rekrutiert, eine hölzerne Waldmenschen-Statuette zu einem verschrobenen Sammler nach Mirham zu bringen. Dieser plant eine kleine, private Versteigerung, um mit dem Verkauf der Statuette seine gröbsten Schulden beseitigen zu können. Einmal vor Ort angekommen, müssen die Helden erfahren, dass sie wohl das Ende der Versteigerung abwarten müssen, um überhaupt ihren Sold zu erhalten. Es kommt natürlich, wie es kommen muss: Noch während des gemeinsamen Abendessens mit den Gästen der Auktion verschwindet die Statuette – und jeder im Haus gilt erst einmal als verdächtig …

Autor David Frogier de Ponlevoy gelingt es, auf wenigen Seiten einen Schmelztiegel unterschiedlichster Charaktere und Interessen zu vereinen. Damit spiegelt das Abenteuer gelungen den politischen Intrigensumpf, der Mirham heute ist, wider. Egal ob es konkurrierende Adelige, getarnte Phexgeweihte oder andere Händler sind: Jeder hat ein gutes Motiv, um den Gastgeber zu bestehlen und jeder ist auf den jeweils anderen so schlecht zu sprechen, dass gegenseitige Beschuldigungen nur eine Frage der Zeit sind. Da ist es fast schon schade, dass dem Abenteuer – Achtung: Spoiler! – keine rein mundane Lösung vergönnt ist, sondern es in dem Haus des Händlers einen uralten Zauber gibt, der auch heute noch Auswirkungen zeigt – und dem unsere Helden auf die Schliche kommen müssen, wollen sie das Rätsel um die verschwundene Waldmenschen-Statuette lösen.

Wie bereits öfters erwähnt, leiden „Heldenwerk“-Abenteuer mitunter unter der geringen Seitenzahl, die das besondere Format zur Verfügung stellt. Auch „Puppenspiele“ hätte die eine oder andere Seite mehr gut zu Gesicht gestanden. Dabei gelingt es dem Autor durchaus, interessante Charaktere in wenigen Sätzen zu zeichnen und auch alle relevanten Spielwerte sind vorhanden. Der erste Teil des Abenteuers, Anheuerung und Anreise werden sehr knapp gehalten und dennoch mit einigen Ideen versehen, das weiß zu gefallen. Haus und Gäste des bestohlenen Händlers werden knapp aber ausreichend beschrieben – vor allem, da die Recherche der Helden ja leider nichts zutage fördern wird. Der abschließende Teil des Abenteuers, der sich mit dem Zauber und seinen Auswirkungen beschäftigt, verfolgt eine sehr reizvolle Idee, deren Umsetzung ich mir sehr gut vorstellen kann. Leider wird gerade hier der Spielleiter auf seine Improvisationskünste vertrauen müssen, denn die vorhandenen Informationen umreißen wirklich nur das absolut Notwendigste.

Optisch unterscheidet sich „Puppenspiel“ abermals kaum von den üblichen Layouts der anderen Ausgaben der „Heldenwerk“-Reihe. Das Layout ist bekannt, die Illustrationen machen einen guten Eindruck. Ein wenig irritiert hat mich das Gemälde der versammelten Gäste, da nicht jede Beschreibung der Figuren auf dem Bild wiederzufinden ist. Entschädigt wird der Spielleiter aber durch eine übersichtliche Karte des Anwesens, welche die Recherchen der Helden durchaus unterstützen kann. Das Korrektorat hat wiederum eine gute Arbeit abgeliefert, sodass ich technisch zufrieden bin.

Fazit: „Puppenspiel“ ist ein fokussiertes Abenteuer mit einem gelungenen Kammerspiel. Leider hätte gerade das reizvolle Finale mehr Seitenzahlen vertragen können. Improvisationsfreudige Spielleiter finden hier aber reichlich Material für einen spannenden Abend.

Puppenspiel (Heldenwerk)
Abenteuerband
David Frogier de Ponlevoy
Ulisses Spiele 2021
ISBN: n. a.
16 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 4,99

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