Punisher-Anthologie

Sein Credo trägt er wortwörtlich auf der Brust: einen riesigen, weißen Totenschädel. Dieses Totenschädel-Emblem ist wie kaum ein anderes Symbol aus dem Marvel-Universum auch außerhalb der Comic-Welt verbreitet, egal ob Militär, Feuerwehr oder politische Bewegungen. Der Mann dahinter ist Frank Castle, ein Mann, der durch und durch von Rache getrieben ist. Mit der nun erhältlichen Panini-Anthologie erhalten alle Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger eine Vielfalt an Geschichten des „Punishers“ präsentiert.

von Daniel Pabst

Panini Comics hat im Laufe der Jahre zahlreiche Sammelbänder zu populären Comic-Figuren – sowohl aus dem Marvel-, als auch aus dem DC-Universum – veröffentlicht. Diese Anthologien enthalten jeweils zwischen zehn und 20 Geschichten und versammeln die wichtigsten Momente der Figuren in einem Hardcoverband. Das bietet Comic-Fans – und solchen, die es werden wollen – jeweils einen Überblick der unterschiedlichen Comic-Jahrzehnte (von den Ursprüngen bis zur Neuzeit). Vor den Geschichten gibt es Kommentare von Comic-Kennern, welche eine hilfreiche und teils notwendige Erklärung liefen. Wie kam es zum jeweiligen Comic, wer sind die Autoren, Zeichner etc. und inwiefern ist die Geschichte von Relevanz für den aktuellen Status der Figuren? Wie man es bei einer Anthologie erwartet, erzählt jeder Comic eine abgeschlossene Geschichte und bildet keine direkte Fortsetzung der jeweils vorherigen Erzählung. Die „Punisher-Anthologie“ kommt auf insgesamt 324 Seiten.

Was enthält die jetzt veröffentlichte „Punisher-Anthologie“, mit dem Untertitel „Bestrafer und Vollstrecker“? Zunächst einmal beinhaltet die Sammlung zehn Geschichten. Den Anfang macht der erste Auftritt des Punishers in „Amazing Spider-Man 129“ aus dem Februar des Jahres 1974. Es folgen (in chronologischer Reihenfolge) Geschichten aus „Amazing Spider-Man Annual 15“ (1981), „Punisher 1“ (1986), „Punisher War Journal 1“ (1988), „Punisher War Zone 1“ (1992), „The Punisher Kills the Marvel Universe 1“ (1995), „The Punisher 1“ (2000), „The Punisher 1“ (2011), „The Punisher 13“ (2016) und „The Punisher“ (2022). Nach und nach lernt man den wortkargen Attentäter und Gegenspieler von Spider-Man kennen. Was für ein Mensch war Frank Castle, bevor er die Rolle des Punishers annahm? Wie konnte es nur dazu kommen, dass ein Mann tödliche Selbstjustiz anwendet?

Fangen wir von vorne an: Eigentlich sollte die Figur des schwarz-weiß gekleideten Rächers nur wenige Auftritte erhalten, sozusagen als einer von vielen Bösewichten, die es zu besiegen gilt, damit die Helden strahlen können. Doch die Figur fand bei Fans und dem Kreativteam fleißige Unterstützer. In „Amazing Spider-Man Annual 15“ (1981) durfte sich ein junger Frank Miller als Penciler an die Figur des Punishers wagen. Zu dieser Zeit konnte noch keiner ahnen, dass Frank Miller später mit Hits wie „Batman: The Dark Knight Returns“ (1986), „Batman: Year One“ (1987) und „Sin City“ (1991) zu einem der größten Comic-Schöpfer aller Zeiten aufsteigen würde!

Durch die Kreativität, die den Machern der „Punisher“-Geschichten gelassen wurde, schaffte es der Punisher zu immer mehr Auftritten. Im Jahre 1986 gab es dann seine „Krönung“, da er eine eigenen Comic-Reihe erhielt. Und entgegen den Erwartungen vieler wurde auch diese Serie zum Erfolg. Es folgten 80 Ausgaben „Punisher War Journal“ (1988). Nach dem Abschluss dieser Reihe, konfrontiert in „Punisher War Zone“ (1992) der Punisher die New Yorker Mafia. Hier setzte man dann auf doppelseitige Splashpages, also eine Doppelseite zum Drehen mit einer großen Illustration. Bei all den Comics wurde deutlich, dass diese Kunstform mehr und mehr begeistern konnte und Unterhaltung bot.

Doch danach wurde es bis 2000 plötzlich sehr ruhig um den Punisher. Nicht nur die Zukunft dieser Figur, sondern aller Marvel-Comics war gefährdet. Es benötigte frische Ideen, und im Falle des Punishers kamen diese von einem aufstrebenden, britischen Comic-Autoren namens Garth Ennis. Mit den Streamingdienst-Adaptionen seiner Werke „Preacher“ oder „The Boys“ ist er mittlerweile weltberühmt geworden. Und genau wie diese Serien zeichnet sich auch seine Version des Punishers durch eine extrem rohe, brutale Art und den exzessiven Einsatz schwarzen Humors aus. Es folgten über 100 Comics, welche bis ins Jahr 2009 reichen sollten. Danach versuchten sich andere Autoren an der Figur des Punishers und die Figur durchlief einige Gruppierungen und weitere Charakterwechsel.

Der kürzliche Höhepunkt dieser Figur war für viele sicherlich die Disney-Serie „The Punisher“ (2017-2019). Dieses Muster des Aufstiegs und Falls des Punishers zeigt sich gut im Laufe der Anthologie-Reihe. Zeitweise genossen seine Figur und sein Symbol große Popularität, beispielsweise beim Autor von „American Sniper“ (Chris Kyle). Auch von vielen US-Soldaten im Irakkrieg wurden die Comics verbreitet und gelesen. Hier spiegelt sich also in der Welt der Comic-Figuren auch ein Teil der realen Welt wider. Um mit der Zeit zu gehen, wurde daher aus dem Vietnamkriegs-Veteran mit den Jahren ein Irakkriegs-Veteran. Für Veteranen bot der Punisher durchaus eine Möglichkeit und Reflexionsfläche, um mit ihren Erlebnissen umzugehen.

Nachdem rechtsextreme Bewegungen und Gruppierungen das Totenkopf-Symbol für sich missbrauchten, entschloss man sich bei Marvel zu einer klaren Linie der Abgrenzung und verlieh dem Punisher ein neues Logo. Dieses Hörner-Totenkopf-Motiv gleicht nun einem japanischen Oni. Selbstverständlich gibt es auch dieses in der „Punisher-Anthologie“ zu sehen. Inhaltlich bleibt es aber auch bei den neueren Geschichten brutal. Nur ist diese Art in den heutigen Zeiten nicht mehr so polarisierend, revolutionär und schockierend wie zu früheren Zeiten. Es gibt einfach zu viele weitere (männliche) Figuren, die in der Film- und Comic-Welt durch ihre mitunter gnadenlose Art zu Berühmtheiten geworden sind – man denke nur an Figuren wie John Wick oder den neueren James Bond.

Die Fülle an Geschichten aus den unterschiedlichen Zeitepochen gibt einen guten Einblick in den Wandel einer Comic-Figur, die, anders als anfangs gedacht, zu einer eigenen Marke geworden ist. Die in diesem Band enthaltenen zahlreichen Kommentare und Erklärungen sind mit 19 Seiten umfangreich genug, um die Figur besser verstehen und einordnen zu können. Es steckt weitaus mehr dahinter, als man anfangs meinen könnte. Besonders interessant ist der „Punisher“ dadurch, dass die Geschichten über die Jahrzehnte hinweg von den realen Geschehnissen beeinflusst wurden. So diente er den Künstlern und Autoren als Ventil, um ihre Kreativität und Ideen auszuleben.

Leseprobe

Fazit: Diese Anthologie zeigt die Entwicklung der Comic-Figur des „Punishers“. Wer weiß, ob dieser ruchlose, brachiale Rächer auch in der nahen Zukunft den Zeitgeist einfangen wird? Deutlich geworden ist an dieser Figur, dass es Ausnahmeautoren oder -künstler benötigt, um eine Comic-Figur interessant genug zu machen, damit sie gelesen wird. Vielleicht wird er im nächsten Jahr seinen großen Auftritt in der TV-Serie „Daredevil: Born Again“ haben? Bis dahin kann man mit dieser Anthologie den „alten Punisher“ auf seinem Rachefeldzug begleiten. Schockierend, kontrovers und aus der Comic-Welt dennoch nicht wegzudenken: Das ist Frank Castle alias der „Punisher“.

Punisher Anthologie
Comic
Diverse
Panini Comics 2024
ISBN: 978-3-7416-3678-3
324 S., Softcover, deutsch
Preis: 35,00 EUR

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