Marvel Champions: Das Kartenspiel

Einmal ein Held sein und die Bösen verkloppen, sogar ein Superheld: Das ist jetzt möglich mit „Marvel Champions: Das Kartenspiel“, dem neuesten Streich vom Lizenzkartenspiel-Primus FFG, der uns einlädt, allein oder mit unseren Freunden kooperativ die Welt vor einem Schurken zu schützen. Ist der Hype um das Spiel gerechtfertigt?

von Lars Jeske

Die Marvel Comics verkaufen sich seit über 80 Jahren und die bombastischen Action-Verfilmungen sind seit über einem Dutzend Jahren überaus erfolgreiche Blockbuster und bestes Popcorn-Kino. Dass es noch weitere Märkte gibt, die erfolgreich beackert werden können, zeigt beispielsweise die Umsetzung als „Marvel Champions: Das Kartenspiel“. Es ist weder das erste Spiel mit Marvel-Charakteren, noch wird es das letzte sein. Hier also das Living Card Game von Fantasy Flight Games (FFG). Neben der jahrelang erfolgreich genutzten Tolkien-Lizenz und mehrerer Iterationen des „Game of Thrones“-Kartenspiels steht nun also die nächste Luxus-Lizenz für FFG bereit.

In den letzten Jahrzehnten hat sich als Alternative zu Sammelkartenspielen, mit den zufälligen Karten in den Booster-Packs, das Modell der Living Card Games (LCG) etabliert. Man kauft also vorgefertigte Packs mit festen Karten, die dann das Spiel ergänzen. Um diesen Anreiz zu schaffen, auch Nachschub zu wollen (und nicht kaufen zu müssen), muss das Grundspiel jedoch überzeugen. Für „Marvel Champions: Das Kartenspiel“ hat man sich nicht lumpen lassen. Die Profis in Sachen LCG waren am Werk: Michael Bogg („Android: Netrunner“-Erweiterungen), Caleb Grace („Der Herr der Ringe“) und selbstverständlich Nate French („Herr der Ringe“, „Warhammer“, „Arkham Horror“, „A Game of Thrones“, „Legend of the Five Rings“). Sie haben ein massenkompatibles und einsteigerfreundliches Best-of der bisherigen LCG-Spiele geschaffen, ohne sich zu wiederholen. Somit hat mit etwas Glück und knapp 18 Monaten Ungewissheit dieses Kartenspiel auch eine deutsche Übersetzung von Asmodee erfahren und erfreut sich nunmehr auch hier großer Beliebtheit. Warum dies so ist, beleuchten die nachfolgenden Rubriken. Das beste Argument überhaupt aber bleibt: Man ist ein Superheld!



Spielmaterial   

Zuallererst fällt einem auf, dass es erstmalig einen vom Format her sinnvollen Karton für ein FFG-Kartenspiel gibt. Nach dem Öffnen die nächste Überraschung eines Plastik-Inlays. Welches sogar funktioniert! (Abgesehen davon, dass im Zeitalter globalen Umweltschutzes … aber das ist ein anderes Thema.) Kartentrenner liegen nicht bei, aber wenn die FFG-Fans schon ein Dutzend Jahre geduldig auf die bisherigen Fortschritte gewartet haben, ist der letzte nötige Schritt auch nur noch ein paar Jahre oder Jahrzehnte entfernt.

Wie immer ist der erste Blick in die Box ernüchternd, verschwinden doch die knapp 350 Karten und ein paar Marker und Lebenspunktezähler bequem in eine Ecke der großen Packung – die jedoch auch die zusätzlichen Erweiterungen beherbergen kann und soll. Die Marker sind aus stabiler Pappe, nutzen sich leider an den Kanten recht schnell ab, erfüllen jedoch ihren Zweck. Während es sehr, sehr viele Schadensmarker gibt, hätten es von den beigelegten Universalmarkern eine Handvoll mehr sein können. Wie immer kann man sich hier jedoch mit anderen Markern oder Würfeln behelfen. Die Karten haben unterschiedliche Rückseiten, je nach Zugehörigkeit zu den Decks. Sie fühlen sich etwas dünner an als etwa vom „Der Herr der Ringe“-LCG, aber da sie ebenso gleich in Hüllen verschwinden, ist das für mich kein wesentliches Manko. Eher stört das eigenwillige Kartenformat. Während 63,5x88 mm mittlerweile als der Industriestandard für derartige Spiele gilt, sind diese Karten nicht einmal 62 mm breit. Selbst die dafür entworfenen FFG-Hüllen passen hier nicht perfekt und sind zu groß. Wenngleich das Spiel ausschließlich kooperativ ist, werden einige Kartensets häufiger genutzt und gemischt als andere, wodurch diese dann sehr schnell erkennbar werden, falls man sehr häufig und intensiv ohne Hüllen spielt.



Die Motive der Karten sind wie das fulminante Cover der Schachtel sämtlich im Comic-Stil gehalten und bringen die Atmosphäre sehr gut zum Ausdruck. Mächtige Helden sorgen dafür, dass die Bösewichter in ihre Schranken gewiesen werden. Der Bezug besteht somit eindeutig zu den Comics und nicht den Filmen, wodurch der Fundus der graphischen Grundlage reichhaltiger ist. Die Qualität und Thematik der Bilder, bezogen auf den jeweiligen Kartentext, passen dabei oft gut zusammen. Ohne die mannigfaltigen Comics im Details zu kennen, sind die Bilder vorrangig aus diesen ausgewählt. Die Charaktere auf beiden Seiten sind wie etwas Recherche ergab, ca. aus den Geschichten der Jahre 2013 bis 2018. Das würde auch gut in den Zeitraum passen, in dem das Spiel entwickelt wurde. Das hat insofern Relevanz, als dass man sich dadurch als Kenner der Materie ausmalen kann, was thematisch an Ergänzungsmaterial wahrscheinlicher ist als anderes. Beim ersten Durchsehen der Karten fällt einem zudem positiv auf, dass es für jede normale Karte zumindest ein Playset gibt (3 Kopien), wodurch der von vielen Fans bei anderen Spielen von FFG angeprangerte Ansatz, mehrere Grundspiele kaufen zu müssen, obsolet ist. Bei „Marvel Champions: Das Kartenspiel“ genügt es, ein Grundspiel zu haben, um voll ausgestattet zu sein. Basiskarten sind sogar viermal vorhanden, was der maximalen Spieleranzahl entspricht.

Erstkontakt

Der Einstieg in das Spiel ist super einfach. Es gibt vorgefertigte Starterdecks für Spider-Man und Captain Marvel für ein 2-Spieler-Einführungsspiel, einen einfachen Gegner nehmst einen Schritt-für-Schritt-Spielaufbau im Regelheft. Diese ausführlich bebilderte Spielregel erklärt auf umfangreichen 24 Seiten alles Nötige verständlich, ohne dabei zu weit in Details abzudriften. Von der schieren Seitenanzahl sollte man sich hierbei nicht abschrecken lassen, da man dieses Heft mit vielen Bildern ähnlich einem Comic schnell durchgearbeitet hat. Mit der Art und Weise der Präsentation kommt sogar ein Novize bei (derartigen) Kartenspielen klar, und dies kann gern als neuer Maßstab dienen, ein Spiel zu erklären. Jede Kartenart wird eindeutig benannt und das Spielprinzip ausführlich vorgestellt. Dieses ist dann überraschend einfach wie genial. „Marvel Champions: Das Kartenspiel“ ist ausschließlich kooperativ spielbar, für 1 bis 4 Spieler gedacht und richtet sich an etwas erfahrenere Spieler ab 14 Jahren. Spielaffine, weitaus jüngere Kinder kommen aber mit oder ohne Hilfe Erwachsener auch sehr gut mit dem Spiel klar. Lesen können ist essenziell wichtig für das Spiel, da auf jeder Karte ein Text steht, der die aktuelle Spielsituation beeinflusst. Die Spieldauer liegt je nach Spielerzahl und Spielweise zwischen 20 Minuten und mehreren Stunden. Details dazu etwas später.



Im Grundspiel stehen den Spielern fünf Helden zur Auswahl. Neben den bereits erwähnten Spider-Man und  Captain Marvel auch Black Panther, Iron Man und She-Hulk. Letztere ist etwas unbekannter und noch nicht im MCU platziert, aber das ist nur eine Frage der Zeit ehe auch diese Serie startet. All deren Sets umfassen jeweils einen fixen und einen variablen Kartensatz. Messen kann man sich dann mit Rhino, Klaw oder Ultron. Diese Schurken haben unterschiedliche Schwierigkeitsgrade und stellen die Spieler auch strategisch vor unterschiedliche Herausforderungen. Diese Gegner werden jeweils über ein variables, separates Kartendeck gesteuert, wodurch die Spieler wirklich alle miteinander spielen und nicht einer den Bösen mimt. Der Schurke legt es darauf an, seinen Masterplan zu vervollständigen (abhängig von der Spielerzahl werden eine bestimmte Anzahl an Bedrohungsmarkern benötigt, um die Helden verlieren zu lassen) oder alle Spieler auszuschalten, während die Helden alles daran setzen, die Bedrohung möglichst gering zu halten und genügend Schaden beim Schurken verursachen, bis dessen Lebenspunkte auf Null reduziert sind und dieser besiegt ist.

Spielprinzip

Das Spiel ist rundenbasiert, wobei erst die Spieler nacheinander agieren dürfen und es im Anschluss die Schurkenphase gibt, in welcher der Gegner aktiv wird. Während man beispielsweise bei „Der Herr der Ringe“ rundenweise Ressourcen bekommt, die man zum Ausspielen der Karten benötigt, gibt es nun das Prinzip, dass jede Karte nicht nur für Kosten ausgespielt werden kann, sondern alternativ 1 bis 2 Energie bringt und somit zum Bezahlen der anderen Handkarten oder dem Aktivieren von Aktionen bereits ausliegender Karten dient. Das hat den positiven Effekt, dass man jede Runde irgendetwas machen kann, im Zweifel jedoch zwischen zu vielen Optionen hin- und hergerissen ist. Darin liegt auch ein Teil des Reizes und Wiederspielreizes. Jede Runde gilt es aufs Neue, andere Puzzle möglichst ressourcenoptimiert zu lösen, um das Beste aus den aktuellen Handkarten herauszuholen. Dennoch ist es ein vergebendes Spielprinzip und bestraft den Spieler nicht das ganze Spiel über für falsche Aktionen am Anfang einer Partie. Ebenso zieht man am Ende der Spielerphase auf sein Handkartenlimit nach, und sobald das eigene Deck geleert ist, wird dieses gemischt und als neuer Nachziehstapel genutzt. Somit sind einmal als Ressourcen genutzte Karten nicht für immer verloren, sondern können später ins Spiel gebracht werden. Vor allem in den ersten Partien ist das sehr beruhigend, später sogar eine wichtige Spielweise.



Während also jeder Spieler nacheinander rundenbasiert seinen gewählten Heldenidentität mit Karten aus dem eigenen Kartendeck vorrangig in Form von Verbündeten und Upgrades / Verstärkungen unterstützt oder Ereignisse ausspielt, ist anschließend der Schurke dran, seine Machenschaften weiter voranzutreiben. Dafür wird zuerst der Schurke seinen Hauptplan vorantreiben (dabei werden Fortschrittsmarker für ihn gelegt), anschließend wird jeder Spieler reihum einmal in einen Kampf verwickelt und im Anschluss muss jeder Spieler noch mindestens eine Bedrohungskarte aufdecken und auslösen, die ebenso dem Schurken hilft. Der Schurke selbst bekommt dabei Schergen zur Seite gestellt, hat Upgrades und Nebenpläne oder nutzt einen seiner vielfältigen Tricks, um die Helden zu ärgern. So wird dann Runde um Runde gespielt, bis eine der beiden Fraktionen vernichtend geschlagen ist.

Komplexität

Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Superhelden, aber ohne Fleiß kein Preis. Vor allem am Anfang kann es eine Herausforderung sein, sowohl die Texte der Karten zu lernen, als auch sich für die Möglichkeiten, die das Handblatt bietet, zu entscheiden. Aber diesen Dreh hat man bereits nach wenigen Spielen raus, die intuitiven Regeln nebenbei verinnerlicht, und kann alsbald immer weiter optimieren, bevor man sein Spielerdeck anfängt zu individualisieren. Damit aber auch Vielspieler auf ihre Kosten kommen, gibt es eine zusätzliche Ebene an Komplexität und Strategie: Jede gewählte Identitätskarte ist doppelseitig, hat sowohl eine Helden-Seite, als auch ein Alter Ego. Dies ist ein zentrales Konzept, das man somit nicht nur Iron Man ist, sondern auch als Tony Stark agiert. Wichtig wird dies bei den Details des Spiels, welches es somit zu einem anspruchsvollen Spiel werden lassen. Jede Karte hat einen im Karteneffekt eindeutig benannten ausgezeichneten Zeitpunkt, in welcher Phase diese gespielt werden darf. Zudem gibt es selbstverständlich Karten, die man nur thematisch in seiner Alter-Ego-Form oder als Held nutzen darf. Gepaart mit der Regel, nur einmal pro Runde seine Gestalt ändern zu dürfen, werden die Entscheidungen kniffliger, was man sinnvollerweise in welcher Reihenfolge tun sollte. Auch verhält sich der Schurke je nach Identität des Spielers in dessen Zug anders. Entweder wird dieser seinen Plan vorantreiben, also Bedrohungsmarker platzieren, die die Helden dann wieder beseitigen müssen, oder er stellt sich offen dem Helden und greift diesen an, um dessen Lebenspunkte zu minimieren und den Spieler ausscheiden zu lassen.



Die Komplexität erkennt man, je häufiger man spielt und umso mehr Situationen eintreten, die so nicht von den einfachen Grundregeln abgedeckt sind. Aber auch dafür haben sich die Entwickler etwas überlegt. Neben der Anleitung gibt es auch die harten Fakten in Form eines zusätzlichen Heftes. Im 24 Seiten umfassenden Referenzhandbuch gibt es zu vielen Stichpunkten wie Aktionsfenstern, Eigenschaften oder Trigger schon fast an Gesetzestexte gemahnende Formulierungen, die immer wieder herangezogen werden können, um Spielsituationen aufzulösen, welche nicht durch die Goldene Regel oder die zusätzliche Galgenregel abgedeckt sind. Auch dieses Heft ist überaus sinnvoll und eine wertvolle Ergänzung, die wirklich viel abklärt und in den meisten Spielsituationen hilft. Leider haben es nicht alle wichtigen Informationen der Spielregeln in dieses Kompendium geschafft, somit schadet es nicht, auch nach ein paar Partien noch einmal diese zu lesen, um etwa Details nachzujustieren. Zum Anfang sollte man sich somit etwas Zeit nehmen, das Spiel richtig kennenzulernen und sich nicht entmutigen lassen, wenn man erst hinterher kleine Spielfehler bemerkt. Das unterschiedliche Handkartenlimit pro Identitätsseite, fehlinterpretierte Karten oder dass man schon wieder eine Karte in der falschen Identität ausspielen oder aktivieren wollte und somit alle Pläne neu überlegt werden müssen, gehört einfach zum Lernprozess dazu. Da das Spiel jedoch einfach und sowohl kurz als auch kurzweilig ist, wirkt das nicht demotivierend.

Kooperation

Generell ist es kein Problem auf Spielfehler zu reagieren, da das Spiel eben kooperativ ist und man sich nicht nur bei Regelfragen helfen soll. Auch die direkte Zusammenarbeit der Spieler während ihrer Spielzüge ist möglich und zum Teil auch nötig. Dafür gibt es die Optionen, andere Spieler während des eigenen Spielzuges um Aktionen zu bitten oder auch selbst welche in deren Zug anzubieten. Somit ist es ratsam, sich während des Spiels über etwaige Strategien auszutauschen, da man offen darüber reden darf. Es erleichtert viel während einer Partie, wenn man das Vorgehen pro Runde gemeinsam plant, um zum Beispiel Angriffe zu koordinieren oder eine dingende Heilung von Lebenspunkten richtig zu timen. Diesem Spielprinzip zuträglich ist es, dass man einige der Karten auch für die Mitspieler ausspielen darf, oder auch etwa das Blocken eines gegnerischen Angriffes auf sich nehmen kann. Sollte ein Spieler eliminiert werden, können die anderen sogar weiterspielen und das Spiel zu Gunsten der Guten drehen, damit die Helden gemeinsam gewinnen.

Somit ist Planung ein wichtiger Teil des Spieles und kann in der richtigen Gruppe viel zur Atmosphäre am Spieltisch beitragen. Natürlich kann man auch super zeiteffizient einfach Karte um Karte runterspielen, je nach Vorliebe. Sinnvoll ist es auf alle Fälle, wenn man versteht, wie das eigene Deck arbeitet und man sich schon seine nächsten Schritte vorher überlegt, um die Mitspieler nicht zu lange warten zu lassen. Bei einer größeren Spieleranzahl oder bei Anfängern kann es leicht passieren, dass diese ob der vielen Optionen mit den 5 bis 6 Handkarten dennoch lange grübeln und sich ewig nicht entscheiden. Für derartige Grübler oder entscheidungsschwache Spieler ist das Spiel eher ungeeignet, da es als kurzweiliges Spiel ausgelegt ist. Für die Mitspieler wird dann die ewige Analyse-Paralyse zum Ungeduldsspiel, was weder dem Spielfluss noch der Stimmung hilft. So jedoch alle Spieler die gleiche Spielidee verfolgen, dauert eine Partie von 20 bis 40 Minuten als Einzelspieler, bis hin zu mehreren Stunden bei voller Besetzung. Ein Spielzug jedes Spielers dauert dabei nur 1 bis 2 Minuten, während, je nachdem welche Karten für den Schurken aufgedeckt werden und Angriffe stattfinden, dessen Phase auch einmal länger ist und somit als Spielzeit eines zusätzlichen Spielers eingeplant werden sollte. Sehr gut und zeitoptimal spielt sich das Spiel auf alle Fälle allein oder zu zweit. Normale Szenarien mit 3 oder 4 Spielern in unter einer Stunde erfolgreich zu absolvieren, ist nahezu ausgeschlossen.



Schwierigkeitsgrad

„Marvel Champions: Das Kartenspiel“ ist im Standardmodus so ausgelegt, dass man immer gewinnen kann, selbst mit den vorgefertigten und nicht bis ins Details optimierten Spielerdecks. Die Helden sind nämlich etwas stärker ausgelegt als die Gegner, solange man im Spiel nicht trödelt und der Schurken sich sein Board aufbaut. Das wird sich jedoch mit Sicherheit mit den Erweiterungen ändern. Zudem skalieren viele Karten und Effekte des Gegners bezogen auf die Anzahl der Mitspieler. Das fängt bei den Lebenspunkten des Schurken an, welcher mit der Anzahl der Spieler multipliziert wird, und hört nicht bei den Bedrohungsmarkern für die Pläne des Schurken auf. Ebenso ist das Spiel bisher solo etwas schwieriger als mit mehreren Spielern, die sich die Aufgaben teilen können. Auch wird dabei der Glücksanteil reduziert und das Spiel strategischer. Sodann das Spiel zu leicht wird, kann man beispielsweise den Schwierigkeitsgrad des Gegners steigern, um so eine größere Herausforderung zu erleben. Vorgesehen ist im Grundspiel anstatt der leichten die Experten-Version des Schurken zu nehmen und dem Gegner zusätzliche Experten-Karten zu spendieren, welche den Spielern das Leben bedeutend schwerer machen. Vor allem bei mehreren Spielern. Ebenso kann man sich dafür entscheiden, sich gleich mehreren zusätzlichen Gefahren pro Runde zu stellen, um wirklich eine heroische Herausforderung zu haben. Alternativ wählt man eine andere Kartenzusammenstellung für die Helden oder den Gegner.

Spielerdeckzusammenstellung

Während eines Spiels verändert sich das Spielerdeck nicht, man bestimmt vorab, welche Karten dazu gehören. Im Regelheft ist für jeden der Helden ein sinnvolles Deck vorgeschlagen, mit welchem man problemlos spielen kann. Wie bei derartigen Kartenspielen üblich, kann man sein Spielerdeck optimieren und individuell zusammenstellen. Bei „Marvel Champions: Das Kartenspiel“ wurde dafür ein neuer Ansatz gewählt, welcher auch sogleich das Verkaufsmodell beeinflusst hat. Wenn man einen Helden auswählt, den man verkörpern möchte, bekommt man dessen Identitätskarte, die 15 heldenspezifischen Karten und darf sich neben den farbneutralen Basiskarten noch für einen Aspekt an Karten entscheiden, den man ebenfalls nutzen möchte. Derer gibt es vier, klangvoll Gerechtigkeit, Führung, Aggression und Schutz genannt. Im Prinzip sind das spielthematische Bereiche, die dabei helfen, das Spiel für die Helden zu entscheiden. Schwerpunkte liegen dann somit bei der Heilung, dem Beseitigen von Bedrohungsmarkern oder dem Verursachen von Schäden. So ausgestattet mit dann 40 bis 50 Karten ist jeder Spieler bereit, den Tag zu retten. Karten aus dem Grundspiel auszuwählen ist kein Problem, mit Ergänzungspacks hat man schon eher die Qual der Wahl. Entgegen bisheriger LCGs ist das Spiel aber nicht von vornherein so ausgelegt, dass man diverse Erweiterungen hinzukaufen muss, um sich überhaupt ein sinnvolles Deck zusammenzustellen, geschweige denn mehrere Heldendecks, die es auch wirklich mit den Schurken aufnehmen können. Somit ist das Spiel keine automatische Geldsenke, da man das Grundspiel sehr gut ohne jegliche Erweiterungen überaus abwechslungsreich spielen kann.

Wiederspielanreiz

Apropos. Das Spielprinzip bleibt comichaft vorbelastet immer gleich: Bleibe am Leben, verhindere, dass der Schurke seinen finsteren Plan erfüllen kann, und füge ihm genügend Schaden zu, bis dessen Lebenspunkte aufgebraucht sind. Vor allem für Freunde von „Arkham Horror“ wird das zu wenig Geschichte und Entwicklung sein, da es keine fortschreitende Geschichte oder Erfahrungspunkte gibt. Auf den einzelnen Karten der Schurkenpläne gibt es zwar oft etwas ausschmückenden Text, doch dieser ist auch eher simpel und kurz gehalten. Thematisch ist das Spiel einfach gestrickt, da es durch die Abbildung aller Helden dieses Universums keine große, übergeordnete Geschichte gibt. Jede Partie ist zudem ein kompletter Reset.

Der Wiederspielreiz ergibt sich somit durch die große Variabilität des Spielaufbaus durch dessen Modularität. Jeder der Helden spielt sich aufgrund der 15 festen Helden-Karten komplett anders und ist zudem mit jedem der 4 verschiedenen Aspekt-Zusatzkarten kombinierbar. Somit ergibt sich bereits allein mit dem Grundspiel eine hohe Varianz über die Kombinationen. Zudem interagiert jeder Gegner anders mit den Spielern, um mit seinem finsteren Plan erfolgreich zu sein. Somit kommt man als Solo-Spieler mit 5 Helden x 4 Aspekten x 3 Gegnern auf 60 Ausgangssituationen, die den Spieler immer vor ein anderes Optimierungspuzzle stellen. Weitere Kombinationen ergeben zusätzlich durch die wählbare Schwierigkeitsstufe des Gegners, unterschiedliche Spielmodi (Skirmish bis Heroic) und eines von fünf modularen Begegnungssets, welches pro Spiel als Unterstützung für den Schurken hinzugefügt wird. Die zufällige Kartenreihenfolge versteht sich von selbst, ebenso ist der minimal mögliche Deckbau noch unberücksichtigt. Für Varianten ist also reichlich gesorgt. Allein kann es passieren, dass man sich die Gegner übergespielt hat und sie in- und auswendig kennt. Aber wie im richtigen Leben ist Wissen Macht; und aus großer Macht folgt …

Fazit: Mit „Marvel Champions: Das Kartenspiel“ haben die erfahrenen Schöpfer der LCG-Spiele wiederum ein sehr stimmiges Spiel abgeliefert. Die Spielmechanismen sind allesamt nicht neu, aber passen sehr gut zusammen. Wähle einen Helden, einen Gegner und los geht’s. Das Spielprinzip ist überaus einfach und eingängig, ebenso wurden die Spielregeln und dessen Darreichung sehr einsteigerfreundlich aufbereitet. Wer derartige Kartenspiele bereits kennt, wird sich sofort zu Hause fühlen. Box, Aufmachung und die gut verständliche Sprache sind neben der geringen Einstiegshürde und dass man sofort mit den vorkonstruierten Decks losspielen kann vor allem für Anfänger die großen Pluspunkte. Vielspieler werden vorrangig den variablen Schwierigkeitsgrad und den hohen Wiederspielwert durch die Modularität der Spielelemente zu schätzen wissen. Selbst wenn man bisher nichts mit Marvel-Superhelden am Hut hat, ist dieses Spiel einen Blick wert.

Marvel Champions: Das Kartenspiel
Kartenspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Michael Bogg, Caleb Grace, Nate French
Asmodee / Fantasy Flight Games 2021
EAN: 4015566029613
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 54,90

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