Locke & Key 1 – Willkommen in Lovecraft

Joe Hill gilt als Shootingstar im Bereich der Horror- und Fantasyliteratur. Für Comicfans ist es ein Glücksfall, dass er sich nicht nur auf das Schreiben von Romanen und Kurzgeschichten konzentriert, sondern auch die Welt der Bildhefte mit seinen Erzählungen bereichert. Hills Anfang 2008 in den USA gestartete Serie „Locke & Key“ findet nun auch ihren Weg nach Deutschland.

von Bastian Ludwig

 

Inhalt

Schlimme Zeiten liegen hinter den Lockes, seit Rendell, der Vater der Familie und Vertrauenslehrer an einer Highschool, von einem seiner Schüler brutal ermordet worden ist. Rendells Frau Nina und die drei Kinder, die Teenager Tyler und Kinsey sowie der kleine Bode, die alle den Mord auf die eine oder andere Weise miterleben mussten, ziehen von San Fransisco in das kleine Örtchen Lovecraft an der amerikanischen Ostküste. Hier lebt Rendells Bruder Duncan im Elternhaus der beiden, dem Keyhouse.

Als ob die Familie nicht schon genug damit zu tun hätte, mit dem Verlust des Vaters und den traumatischen Erlebnissen zurechtzukommen, bahnt sich Unheil an, als Sam Lesser, Rendells Mörder, aus dem Gefängnis entkommt und sich auf den Weg nach Lovecraft begibt. Und dann gibt es da noch den seltsamen Schlüssel, den Bode im Keyhouse entdeckt und der ihn, so sagt er, in einen Geist verwandeln kann, und die geheimnisvolle Stimme aus dem Brunnen im Gartenhaus, die den kleinen Jungen davon überzeugen will, sie aus dem dunklen Loch zu befreien.

Besprechung

„Locke & Key“ ist angelegt als Mischung aus klassischer Horrorgeschichte und Psychothriller, gewürzt mit einem Hauch von Splatter. Bei diesen Voraussetzungen ist es kein Wunder, dass man beim Lesen unwillkürlich die Fingernägel in die Sessellehne krallt und erst wieder loslässt, wenn die letzte Seite umgeblättert ist; „Wilkommen in Lovecraft“ bietet von vorne bis hinten pure Spannung.

Das Interessante ist, dass nicht nur die kurzen, dafür aber heftigen Gewaltszenen, die gut platzierten Schauermomente oder das Gefühl der in Gestalt von Sam Lesser langsam herannahenden Bedrohung die Quellen dieser Spannung sind. Sie alle werden überstrahlt vom menschlichen Drama, bei dem Joe Hill nicht selten bis an die Schmerzgrenze geht. Denn „Locke & Key“ hat das Glück, mit einem hervorragenden Figurenensemble ausgestattet zu sein, aus dem ein komplexes Geflecht aus Beziehungen und Konflikten gewoben wird. Die Charaktere wirken glaubwürdig und rund und gerade die Heldenfiguren sind, obgleich oder gerade weil fernab der Perfektion, dreidimensional und grundsympathisch.

Da sich die Geschichte auf die Figuren sowie das Mysterium um das Keyhouse und die Stimme aus dem Brunnen konzentriert, fällt es nicht negativ ins Gewicht, dass das gesamte Setting eher traditionell wirkt. New England, Kinder, die mehr sehen als die Erwachsenen, ein geheimnisvolles Herrenhaus, Söhne und Töchter, die sich mit den Sünden der Elterngeneration herumschlagen müssen. Joe Hill zeigt, wessen geistig – und leiblich – Kind er ist, und ich denke, dies tut er auch ganz bewusst; nicht umsonst ist der Name des Haupthandlungsorts „Lovecraft“.

Dramaturgisch wirkt der Band erfreulich geschlossen. Zwar werden nicht alle der zahlreichen aufgeworfenen Fragen abschließenden beantwortet, dennoch hatte ich nach dem Lesen das Gefühl, eine runde Geschichte hinter mir zu haben, die nicht unbedingt einer Fortsetzung bedarf, die ich natürlich trotzdem gerne erleben möchte, einfach nur, um mehr von diesen Figuren und ihrer Welt zu erfahren.

Geschichte und Dialoge machen nur die eine Hälfte eines guten Comics aus. Ein schlechter Zeichner kann vieles zunichte machen. Zum Glück gibt es Gabriel Rodriguez, und der hat seine Panels voll im Griff. Egal wie detailliert die Zeichnungen auch sein mögen, er versteht es, sie so zu gestalten, dass dem Leser das Wesentliche sofort ins Auge fällt. Die Seitengestaltung ist schlicht, und es gelingt Rodriguez stets, den Fluss der Geschichte zu unterstützen, gerade auch bei visuell anspruchsvollen Herausforderungen, wie etwa dem Wechsel zwischen verschiedenen Zeitebenen. Toll ist auch das Figurendesign, das bei jedem Mitglied des Personals perfekt mit dem Charakter der jeweiligen Person harmoniert. Abgerundet wird das Gganze dann durch Rodriguez’ Fähigkeit, die Figuren kraftvoll in Szene zu setzen. Zuletzt darf sich dann auch Kolorist Jay Fotos ein Lob für seine stimmungsvolle Farbgebung abholen.

Fazit: Nach dem bisher Gesagten ist es keine Überraschung, dass ich wohl kaum ein schlechtes Fazit zu „Locke & Key 1 – Willkommen in Lovecraft“ ziehen werde; zu viel Vergnügen hatte ich beim Lesen. Das ist ein Comic, wie er sein muss. Spannend, klug und die perfekte Harmonie von Text und Bild. Deswegen soll jedem, der ein wenig Sinn für Grusel, Thriller und Fantasy hat, der Kauf dringend empfohlen sein.


Locke & Key 1 – Willkommen in Lovecraft
Comic
Joe Hill, Gabriel Rodriguez
Panini 2009
ISBN: 978-3-866078-50-5
160 S., Softcover, deutsch
Preis EUR 16,95

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