von Alice

Die abgelegene Siedlung Seibo Mura wird von furchterregenden Geistern heimgesucht, wodurch schon zahlreiche Menschen gestorben sind. Der Drachen-Samurai Agasha no Isao Ryotora wird als Unterstützung gerufen, da er eine besondere Verbindung zur Geisterwelt hat. In der Hoffnung, einen Weg zu finden, die Geister zu beruhigen, eilt er den Überlebenden zur Hilfe. Seibo Mura ist für Ryotora jedoch mehr als nur eine abgelegene Siedlung, denn ein unangenehmes Geheimnis seiner Vergangenheit verbindet ihn mit dieser.

Als Ryotora eintrifft, stellt er überrascht fest, das sich ein weiterer Samurai dem Problem angenommen hat. Da dieser dem Phönix-Clan angehört, ist Ryotora misstrauisch und versucht, mehr über ihn herauszufinden, was zu überraschenden Erkenntnissen führt, da dieser ebenfalls Geheimnisse zu haben scheint.

„Die Nachtparade der 100 Dämonen“ entführt den Leser in die japanische Mythologie. Man lernt zahlreiche übernatürliche Wesen kennen, die alle ihre Eigenheiten haben. Außerdem erhält man ausführliche Einblicke in die japanische Kultur des Mittelalters. Die Details wurden sorgfältig recherchiert und kunstvoll in die phantasievolle Geschichte eingewoben. Wer derartige Details zu schätzen weiß oder einfach mehr über die japanische Mythologie und Kultur lernen möchte, wird mit diesem Roman viel Freude haben. Hat man allerdings keinen Bezug dazu, könnten einige Kapitel etwas langatmig erscheinen. Die Beschreibung eines Schreinrituals kann durchaus über zehn Seiten in Anspruch nehmen.

Bis die Handlung so richtig Fahrt aufnimmt, vergeht etwas Zeit, etwa ab der Hälfte des Romans gewinnt sie dann an Spannung. Die Verzögerung liegt zu einem an den detaillierten Beschreibungen, zum anderen daran, dass die Samurai lange im Dunkeln tappen, ihre Theorien aber recht ausführlich durchgehen. Hierbei wirken die beiden wie Ermittler, die eine überraschend logische Herangehensweise an den Tag legen. Jedoch haben die übernatürlichen Wesen ihre eigene Logik, der man als Leser nicht immer folgen kann, was eher befremdlich wirkt. Viele Ereignisse erscheinen erst einmal willkürlich und zusammenhangslos. Mit einigen Begriffen kann man zunächst noch nichts anfangen, da die Erläuterung auf sich warten lässt.

Dies ändert sich im Laufe der Zeit erfreulicherweise, und außerdem sorgt die Hintergrundgeschichte der beiden Samurai zusätzlich für Spannung, denn beide haben sie ein unangenehmes Geheimnis, das bei ihren Ermittlungen zum Vorschein kommt. Aus der zunächst logischen Herangehensweise entwickelt sich eine immer verrücktere Handlung, insbesondere ab der ersten Begegnung mit einem übernatürlichen Wesen. Die Geister sorgen mit ihren häufig nicht vorhersehbaren Eigenheiten für reichlich Überraschungen.

„Die Nachtparade der 100 Dämonen“ ist der zweite Roman zum Rollenspiel und Sammelkartenspiel „Legend of the Five Rings“ (L5R). Ein inhaltlicher Zusammenhang zum ersten Buch besteht allerdings nicht, und auch der Stil ist sehr unterschiedlich. Vorkenntnisse zu „L5R“ benötigt man für diesen Roman nicht, Grundwissen in japanischer Mythologie erleichtern jedoch den Einstieg.

Fazit: Wer sich für die japanische Mythologie und Kultur interessiert, wird mit diesem Roman viel Freude haben, da für die Geschichte sorgfältig recherchiert wurde und detailreich auf die Bräuche eingegangen wird. Wer ein durchgehend spannendes und actionreiches Fantasy-Abenteuer erwartet, könnte einige Kapitel als etwas langatmig empfinden.

Legend of the Five Rings – Die Nachtparade der 100 Dämonen
Fantasy-Roman
Marie Brennan
Cross Cult 2022
ISBN: 978-3-96658-856-0
350 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 15,00

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