Kampfhandbuch

Mit dem „Kampfhandbuch“ hat die Sonnenfeste einen schweren Regelband vorgelegt, der sich, wie sich unschwer vermuten lässt, mit einem Kernpunkt der meisten Fantasy-Rollenspiele beschäftigt: dem Kampf. Das Buch vertieft und erweitert viele Aspekte der Kampfregeln, die schon im Grundregelwerk enthalten waren, und wird schnell zu einem oft verwendeten und unverzichtbaren Nachschlagewerk am Spieltisch werden.

von Nicolas Hohmann

Das „Kampfhandbuch“ ist, trotz der gleichen Seitenanzahl, ungleich schwerer und dicker als das Grundregelwerk, was daher rührt, dass man den Wunsch nach einem dickeren Papier erfüllt hat. So lässt sich an der Verarbeitung des Buches kein Makel finden: Es hat ordentliches, festes Papier, eine saubere und stabile Bindung, einen festen Einband und zwei Lesezeichen. Man kauft Qualität. Das Coverbild stammt wie schon beim Grundregelwerk von Lucio Parillo. Erwähnenswert ist, dass es sich bei dem deutschen „Kampfhandbuch“ nicht um eine bloße Übersetzung vom „Arms Law“ handelt, sondern dass man das Buch stark erweitert und redaktionell überarbeitet hat. So finden sich hier auch große Teile von „The Armory“ und den „Fantasy Weapon Tables“ sowie ausgewählte Inhalte aus „Rolemaster Quarterly“.

Inhaltlich lässt sich der Regelband in zwei Abschnitte gliedern, die auch durch eine unterschiedliche Seitengestaltung hervorgehoben werden: die Regeln und die Tabellen, wobei letztere den größeren Teil des Buches ausmachen.
In den Regeln werden zunächst grundlegende Konzepte, wie der Offensiv-  und der Defensivbonus, wiederholt und erweitert. So findet man hier zusammengestellt, wie man OB und DB berechnet sowie welche Modifikatoren basierend auf den Umständen und der Umgebung anzuwenden sind. Beispielsweise wird auf besondere und magische Gegenstände, die Waffenqualität und den unterschiedlichen Schutz von Rüstungen im Nah- und Fernkampf eingegangen, aber auch auf Position, Deckung, Parade sowie den Angriff durch Tiere und Monster mit ihren natürlichen Waffen, der leicht anders von statten geht. Um die Schadenstabellen und Tabellen für kritische Treffer richtig anwenden zu können, wird dies hier in aller Klarheit erläutert. 

Das „Kampfhandbuch“ liefert, nebst erweiterten Kampfregeln, auch neue Fertigkeiten, Berufe und Ausbildungspakete. An neuen Fertigkeiten findet man die Gruppe der „Selbstkontrolle“ mit verschiedenen Fokus- und Trance-Fertigkeiten, die einem erlauben, Manöver schneller oder besser auszuführen. Bei der Fertigkeit „Trance Tod“ musste ich ernsthaft lachen, erlaubt sie einem doch bei erfolgreichem Wurf sich schmerzfrei und sofort selbst zu töten. In der Fertigkeitskategorie „Waffenloser Kampf“ findet man derweil diverse Schläge, Blocks und Würfe.

Die Berufe werden genauso vorgestellt wie die Basisberufe aus dem Grundregelwerk. Im „Kampfhandbuch“ findet man neu den Barbaren, einen unzivilisierten, unbeherrschten, aber starken Kämpfer, den Haudegen, weitgereiste und kultivierte Raufbolde, die mit den meisten Waffen umzugehen wissen, den Kriegsmönch, Experten im waffenlosen Kampf, sowie den Kundschafter, dessen Spezialgebiete Heimlichkeit, Aufklärung und Angriff aus dem Hinterhalt sind. An Ausbildungspaketen findet man insgesamt 11 Stück, die natürlich allesamt zum Thema Kampf passen, sei es der Assassine, der Gladiator oder der Söldner. Punktekosten sind jeweils für die Basisberufe und die neuen aus dem „Kampfhandbuch“ angegeben.

Ein interessantes Kapitel ist das über die Kampfschulen, denn hier finden sich keine neuen Regeln, sondern weltenunabhängige Beschreibungen verschiedener Schulen, die ein Charakter durchlaufen kann. Diese können so formell sein wie die Kriegsakademie sein, aus der die genialsten und besten Strategen und Generäle der Welt hervorgehen und die ein strenges Curriculum hat, oder so lose wie die fahrenden Ritter, bei denen es sich nur um eine Gruppe von Leuten handelt, die sich zufällig einem noblen Ideal verschrieben haben. Neben den beiden findet man hier noch die Schule der Grubenkämpfer (Gladiatoren), die Fechtschule und den Orden der Sagruha (Kampf als Lebensphilosophie). In einer weiteren Hinsicht ist das Kapitel interessant: Zwar sind die Beschreibungen weltenunabhängig, doch man findet Informationen, wie die Schulen in die beiden zukünftigen Settings für „Rolemaster“ – ICEs „Shadow World“ und die hauseigene Welt „Arborea“ – eingebaut werden können. Eine kleine Preview sozusagen, vor allen Dingen auf das hauseigene Setting, das bisher unveröffentlicht ist.

Anschließend geht es weiter mit harten Regeln. Das Kapitel „Verletzungen & Heilung“ darf in einem „Kampfhandbuch“ natürlich nicht fehlen, wobei der Fokus ganz klar auf der Heilung der Verletzungen liegt. Wie man sich welche zuzieht, das ist ja Thema der Tabellen. Man muss anmerken, dass das Verletzungssystem in „Rolemaster“ detailliert ist: Da gibt es beispielsweise Blutungen unterschiedlicher Stärke, Knochenbrüche, Sehnenverletzungen, Verbrennungen, Schock und Infektionskrankheiten. Die einzelnen Regeln sind nicht allzu kompliziert, aber hier wird einem schnell klar, dass ein Kampf durchaus einen Abenteurer schnell außer Gefecht setzen kann, wenn kein kompetenter Heiler vorhanden ist. Und ob man dann den Spielern wirklich jeden Monat einen Widerstandswurf abverlangen will, um zu schauen, ob sie an einem Infekt erkranken, das muss jeder SL selber wissen. Im Grundregelwerk wurde ja bereits angemerkt, dass „Rolemaster“ ein Werkzeugkasten ist, aus dem man sich das aussucht, was man braucht.

Die optionalen Regeln enthalten noch einige Kleinigkeiten, die nicht uninteressant sind, wie den Schildschlag oder die Modifikation von Pfeilen, um diese durchschlagskräftiger gegen Rüstungen zu machen oder leichter, auf dass sie weiter fliegen. Gut finde ich die Regel, dass man beim Durchbrechen der 150 beim Angriffswurf einen zusätzlichen kritischen Treffer erzielt.

Das letzte Kapitel des Regelteils beschäftigt sich mit der Konversion des angebotenen Kampf. und Schadenssystems auf andere Rollenspiele, wie „DSA 4“ oder „D&D 3.5“ aber auch Dicepoolsysteme wie „Shadowrun“ und die „World of Darkness“. Somit kann das „Kampfhandbuch“ auch für SL anderer Rollenspielsysteme interessant sein, die nach einem alternativen und tödlicheren Kampfsystem Ausschau halten.

Es folgen die Kampftabellen, die knapp 200 Seiten des Bandes ausmachen. Man hat sich seitens des Verlags bewusst Mühe gegeben, diesen Abschnitt übersichtlich zu halten. Die Schriftgröße ist ausreichend groß und Schadenstabelle und Tabelle für den kritischen Treffer mit der Waffe finden auf einer Doppelseite Platz, um Blättern zu vermeiden. Zudem wird den Spielern nahe gelegt, sich ihre Waffe rauszukopieren, so muss man am Spieltisch wirklich minimal blättern. Jede Waffe hat im Kopfteil der Tabelle ihre Werte versammelt, also Länge, Gewicht, Reichweite und Modifikatoren, falls nötig. Des Weiteren Bruchzahlen (würfelt man einen Pasch, kann die Waffe zerbrechen), den Patzerbereich und die Mindeststärke. Auf der Schadenstabelle wird das Würfelergebnis gegen die Rüstung gekreuzt und man erhält einen Schadenscode. Im unteren Abschnitt findet man eine Abbildung der Waffe und zusätzliche relevante Informationen.

Kritische Treffertabellen bestehen aus einem kleinen Text, der erzählt, was nun passiert, und einem komplizierteren Schadenscode aus Buchstaben, Zahlen und Piktogrammen, aus dem man Blutungen, Benommenheit, Treffer etc. entnehmen kann. Insgesamt werden im „Kampfhandbuch“ 94 einzelne Waffen auf diese Art und Weise vorgestellt, dazu gibt es dann noch Angriffstabellen für waffenlosen Kampf und für Tierattacken. Am Ende des Bandes findet man schließlich besondere Tabellen für kritische Treffer, beispielsweise Mithrilwaffe gegen Dämon oder heilige Waffe gegen Dinosaurier sowie die Patzertabellen für alle Waffengattungen.

Fazit: Das „Kampfhandbuch“ ist ein unverzichtbares Buch für „Rolemaster“. Die Konzepte und der Tiefgang, die im Grundregelwerk anklagen, kommen hier vollkommen zur Geltung, und der bewaffnete Konflikt wird um viele Dimensionen bereichert. Früher oder später kommt kein „Rolemaster“-SL um das „Kampfhandbuch“ herum.


Kampfhandbuch
Regelbuch
Coleman Charleton, Kurt Fischer u. a.
Sonnenfeste 2007
ISBN: 9783981171815
288 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 34,95

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