Handbuch für die Mythos-Jagd

Während viele Rollenspiele die Gelegenheit nutzen, auch Material für Spieler – nicht nur die Spielleitung – an den Käufer zu bringen, ist Spielermaterial für „Cthulhu“ eher selten. Nach den (wenigen) Berufebänden liegt nun mit dem „Handbuch für die Mythos-Jagd“ der neueste Versuch vor, auch die Spieler mit interessantem Material zu versorgen.

von Jens Krohnen

In vielen Rollenspielen gibt es die Gelegenheit für Spieler, sich mehr einzubringen und tiefer in die eigene Charakterklasse einzudringen. Gerade in Fantasy-System wie „Dungeons & Dragons“ oder „Pathfinder“, aber auch bei manchem Science-Fiction-System (wie „Shadowrun“) gibt es sogenannte „Splatbooks“, die einzelnen Charakterklassen gewidmet sind. Doch auch Ausrüstungskataloge oder vertiefende Regelbände mit neuen Charakteroptionen liefern immer wieder Material, welches auch für Spieler, nicht nur für die Spielleitung interessant ist.

„Cthulhu“ geht hier üblicherweise andere Wege. Denn viele Charakter überleben innerhalb einer „Cthulhu“-Kampagne nicht lange genug – oder werden schlicht wahnsinnig –, um eine derartige Regeltiefe zu rechtfertigen. Auch unterscheiden sich die Investigatoren lediglich durch ihre Berufswahl – was sich auf die Werte ihrer Fertigkeiten auswirkt. Prinzipiell steht aber jedem „Cthulhu“-Charakter die gleiche Bandbreite an Attributen und Fertigkeiten zur Verfügung, egal welchem Beruf er nachgeht. Zu guter Letzt sind die grundlegenden „Cthulhu“-Regeln angenehm simpel, was den Spielraum für optionale Regeln eher einschränkt. Der Pegasus-Verlag versuchte nun, die „Spieler“ als Käuferschicht über verschiedene Berufebände zu erschließen, in denen Hintergründe und optionale Regeln für bestimmte Berufsgruppen angeboten wurden.

Das „Handbuch für die Mythos-Jagd“ geht einen etwas anderen Weg und ist deutlich universeller angelegt. Hier erhalten alle Spieler des Systems Tipps und Tricks, um etwas mehr aus dem Spiel herauszuholen. Die Bandbreite unterschiedlicher Themen ist dabei erstaunlich breit. Zunächst einmal wird auf verschiedene Regelaspekte eingegangen und wie Investigatoren sie optimal nutzen können, um die eigene Lebensdauer zu verlängern. Durch diesen Teil des Bandes weht ein Hauch von „Powergaming“, der bei „Cthulhu“ zumindest überrascht. Während des Lesens rang ich mit mir, ob diese Regeltricksereien nicht dem Geist des Spiels zuwiderliefen – denn immerhin ist die Ohnmacht gegenüber dem Mythos und dem grausamen Kosmos Teil des Programms. Doch im Laufe der Lektüre wurde mir bewusst, dass diese Herangehensweise das Kampagnenspiel durchaus fördert und weitere Aspekte des Spiels ermöglicht.

Das bringt uns zu einem weiteren Kapitel, in dem die Entwicklung von Investigatoren – von der Wiege bis ins Grab – beschrieben wird und wie die Spieler Einfluss darauf nehmen können. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit generellen Tipps und Tricks, um „Cthulhu“-Abenteuer möglichst unbeschadet zu überstehen – von der richtigen Recherche bis hin zur Vorbereitung auf einen (unvermeidlichen) Kampf. Auch, wie mit den zu erwartenden geistigen und körperlichen Gebrechen der Investigatoren am Spieltisch umgegangen werden kann, wird behandelt. Zu guter Letzt widmet sich dann noch ein Kapitel dem Umgang am Spieltisch miteinander, stellt unterschiedliche Spielertypen vor und will dabei helfen, jedem zu seinem Spaß zu verhelfen.

Tatsächlich hat mir das „Handbuch für die Mythos-Jagd“ mit seinen Powergaming-Aspekten zunächst einen kalten Schauer über den Rücken gejagt. Doch die inhaltliche Tiefe und Breite unterschiedlicher Themen macht den Band durchaus interessant. Wer mehr als Wegwerf-Charaktere bei „Cthulhu“ spielen möchte und an einem Aufbau und einer Entwicklung seines Investigators über die Kampagne hinweg interessiert ist, der findet hier eine Menge interessanter Anregungen. Das bedeutet freilich auch: Wer One-Shots mit vorgefertigten Charakteren bevorzugt oder „Cthulhu“ eher nicht als Kampagnenspiel betreibt, der findet auch hier wenig Nützliches.

Der Band unterscheidet sich in der Optik nicht von den üblichen Softcover-Bänden, ist mit zeitgenössischen Fotografien bebildert und gut gegliedert. Das Layout ist bekannt, wirkt aufgeräumt und ist gut lesbar. Lektorat und Korrektorat haben einen guten Job gemacht. Technisch gibt es damit schlussendlich nichts zu meckern.

Fazit: Wer sich schon immer gefragt hat, wie „Cthulhu“ als Kampagnenspiel für die Investigatoren funktioniert, der findet hier eine Menge Anregungen und Vorschläge. Wer „Cthulhu“ eher als System für One-Shots begreift, wird hier nur wenig Interessantes finden.

Handbuch für die Mythos-Jagd
Quellenband
Oliver Adam, Stefan Franck, Julia Knobloch, Carsten Pohl
Pegasus 2024
ISBN: 978-3-96928-116-4
72 S., Softcover, deutsch
Preis: 14,95 EUR

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