H. P. Lovecrafts Der leuchtende Trapezoeder

Der Name H. P. Lovecraft im Titel eines Werkes sorgt sicher oft für Aufmerksamkeit. Der Japaner Gou Tanabe, seines Zeichens Illustrator und Texter, trägt sein Übriges dazu bei, haben seine Lovecraft-Adaptionen als Horror-Mangas doch einen gewissen Ruf erreicht. Bei dem Begriff „Manga“ wird manch eine*r abwinken, jedoch sind Tanabes Lovecraft-Adaptionen im durchaus ansprechenden westlichen Comic-Stil gehalten!

von Markus Kolbeck

Das 160-seitige Softcover ist 2016 erstmals in Japan erschienen und wurde hier auf Deutsch 2021 bei „Carlsen Manga“ veröffentlicht. Der Band enthält zwei Horror-Geschichten, die kürzere Erzählung „Dagon“ und die etwas längere „Der leuchtende Trapezoeder“. Beide Adaptionen beruhen auf Originalgeschichten von H. P. Lovecraft. Bis auf den Prolog ist der Band komplett in Schwarz-Weiß-Bildern gezeichnet. Man kann den Band in rund 60 Minuten durchlesen.

Autoren


Gou Tanabe (geb. 1975 in Tokio) hat sich besonders in den letzten Jahren als Zeichner und Texter von Lovecraft-Mangas einen Namen gemacht. International hat er dadurch auch Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der US-Amerikaner Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) hat über 100 Kurzgeschichten, Erzählungen und Kurzromane im Bereich der unheimlich-phantastischen Literatur verfasst und war Zeit seines Lebens weithin unbekannt. Jedoch ist er posthum zu Ehren und großem Ruhm durch sein Werk gelangt und aus der heutigen Popkultur nicht mehr wegzudenken!

Leserichtung

Da der Manga japanischen Ursprungs ist, wird er anders gelesen, als man das bisher gewohnt ist. Man liest ihn zum einen von hinten nach vorne, zum anderen von rechts nach links, auch die einzelnen Panels. Die Seiten werden wie gewohnt von oben nach unten gelesen. Das wird im Band auch nochmal verdeutlicht. Ich denke, man gewöhnt sich schnell an die neue Leserichtung und zudem macht sie einen zusätzlichen Reiz bei diesen beiden Geschichten aus.

Inhalt

„Dagon“ wurde erstmals 1919 veröffentlicht, ebenfalls unter dem Titel „Dagon“, und ist klar von der Länge her eine Kurzgeschichte. Ein namenlos bleibender Frachtoffizier gerät während des Zweiten Weltkriegs auf See in deutsche Gefangenschaft. Der Offizier kann entkommen und treibt mit einem Ruderboot auf hoher See, ohne Aussicht auf schnelle Rettung. Er strandet auf einem scheinbar erst kürzlich aus dem Meer aufgestiegenen Eiland und will es erkunden. Er stößt auf eine weißlich leuchtende Säule aus Stein mit geheimnisvoller Inschrift. Doch bald muss er feststellen, dass er nicht allein dort ist.

Die zweite Geschichte, „Der leuchtende Trapezoeder“, wurde erstmals 1936 unter dem Originaltitel „The Haunter of the Dark“ veröffentlicht und nimmt in diesem Band den Raum einer Erzählung ein. Die Geschichte spielt von 1934 bis 1935. Der Maler und Autor mysteriöser Geschichten, Robert Blake, nimmt sich ein Zimmer in Providence, USA, das er als Atelier und Wohnraum nutzt. Von dort aus sieht er auf dem Federal Hill eine schwarze Kirche. Von seiner künstlerischen Neugier getrieben und in der Hoffnung auf neue Erkenntnisse für sein neues Buch bricht er zu der Kirche auf. Er steigt dort ein und findet das verfluchte Necronomicon, ein fiktives Buch, das Lovecraft manchmal in seinen Geschichten platziert. Er betritt das Turmzimmer und findet dort einen hoch mysteriösen leuchtenden Kristall auf einem Podest und die Leiche eines Zeitungsreporters, die dort schon Jahrzehnte liegen muss. Als er dem Rätsel auf die Spur kommen will, nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Kritik

„Dagon“ ist nicht mehr als ein Appetithappen und – wohl dem Umstand geschuldet, dass die Kurzgeschichte zu Lovecrafts Frühwerk gehört – nicht einer der besten des Horror-Autors. Etwas zu plump wird der Horror in Szene gesetzt. Sie macht aber Lust auf mehr und die Zeichnungen sind auf alle Fälle gut gelungen!

„Der leuchtende Trapezoeder“ ist da auf alle Fälle viel besser. Man ist eigentlich von Anfang an gespannt, was es mit der schwarzen Kirche auf sich hat, und das Grauen baut sich dann nur langsam auf, wie es für Lovecraft typisch ist. Dieses Grauen ist vor allem die Angst vor dem Unbekannten, der sich der Protagonist stellen muss. Die Stimmung, die durch die Schwarz-Weiß-Zeichnungen vermittelt wird, ist in dieser Geschichte superb! Die Zeichnungen sind alle gelungen und sehr stimmungsvoll. Die ganze Geschichte atmet den Geist von Lovecrafts Originalerzählung, die zu den besseren und gereifteren von ihm gehört, ist sie doch durchgehend spannend und atmosphärisch.

Der Schwarz-Weiß-Charakter der Panels kommt dem Manga sehr zugute, trägt er doch viel zu dieser Atmosphäre bei. Die Zeichnungen in beiden Geschichten sind detailliert und scheinbar mit viel Mühe angefertigt worden. Die Texte sind nicht übermäßig viel im Umfang. Der Preis von nur 12,- Euro für diesen Band halte ich für sehr angemessen, auch wenn die Lesedauer (rund 60 Minuten) etwas knapp bemessen ist.

Fazit: Gou Tanabe ist wieder ein schöner Wurf mit seiner Lovecraft-Adaption gelungen! H. P. Lovecraft hat wohl keine Comics als Erwachsener gelesen, doch mit diesem Werk hier kann er einverstanden sein. Die neue Adaption ist sicher eine der besseren auf dem Comic-Markt. Atmosphäre und Zeichenstil sind durchaus stimmig für ein solches Werk. Gewalt wird nur sehr zurückhaltend dargestellt, der Manga stellt sicherlich keinen Vertreter der Gattung Extreme Horror dar. Ich kann ihn allen empfehlen, die an neuen Interpretationen von Lovecrafts Werk interessiert sind!

H. P. Lovecrafts Der leuchtende Trapezoeder
Manga
Gou Tanabe
Carlsen Verlag 2021
ISBN: 978-3-551-72829-6
160 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 12,00

bei amazon.de bestellen