Gruselkabinett 47: Verhext

Amerika um 1890: Tiefer Winter herrscht über den New-England-Staaten. Trotz des gefährlichen Wetters bittet Prudence Rutledge einige ihrer Nachbarn zu sich in das einsame Farmhaus, das sie mit ihrem Mann bewohnt. Weder sie noch ihren Mann Saul hat man in der letzten Zeit in Hemlock County gesehen. Was kann die eigenbrötlerische Frau nur wollen? Die Männer Orrin Bosworth, Sylvester Brand und Diakon Hibben erwartet eine schauerliche Geschichte.

von Frank Stein

 

Kalt und düster geht es in der 47. Folge des „Gruselkabinetts“ von Titania Medien zu. Diese Attribute gelten nicht nur für die winterliche Einöde der nordöstlichen USA am Ende des ausgehenden 19. Jahrhunderts, in der Edith Whartons Schauermär angesiedelt ist und in der die Mythen der Vergangenheit noch mächtiger sind, als die von Erfindergeist und Aufbruchstimmung geprägte Stimmung in den Großstädten der damaligen Zeit. Sie beschreiben zugleich die Atmosphäre im einsamen Landhof des Ehepaars Rutledge, eigenbrötlerischer Leute, die mit ihren Nachbarn nichts zu tun haben wollen. Umso erstaunter sind die drei Männer Orrin Bosworth, Sylvester Brand und Diakon Hibben, als sie – ohne jeweils vom anderen zu wissen – im schlimmsten Wetter in das abgelegene Gut eingeladen werden. Nur widerstrebend sind sie dieser Einladung gefolgt.

Vor Ort empfängt sie die Dame des Hauses, Prudence Rutledge, eine strenge, abweisende Frau. Ihr umständliches Gehabe stellt die Geduld der Männer auf eine harte Probe, schließlich rückt sie aber doch damit heraus, dass ihr Mann Saul seit einiger Zeit von einem eigenartigen Siechtum befallen ist. Schuld daran soll, so fantastisch das klingen mag, Brands Tochter sein – doch die ist eigentlich tot! Im Laufe der Gespräche, die – durchbrochen von einer längeren Rückblende – den Großteil des Hörspiels ausmachen, wird es neben schmerzhaften Erinnerungen und bitteren Anklagen auch um die Frage gehen, ob Wahn, Ränkespiel oder gar ein echter weiblicher Dämon, ein Vampir, hinter den Geschehnissen stecken.

Die Produktion gibt sich im Grunde keine Blöße. Die Geräusche sind zwar auf ein Minimum begrenzt, im vorliegenden Handlungsumfeld aber völlig ausreichend. Tatsächlich stützen sie sogar die Kargheit und die bedrückende Atmosphäre – ebenso die düstere Musik. Als Erzähler überzeugt Hasso Zorn, als strenge Misses Rutledge glänzt Susanne Uhlen. Auch die anderen Sprecher – Frank Schaff als Orrin Bosworth, Jochen Schröder als Diakon Hibben und Uli Krohm als Sylvester Brand –  sind gut besetzt. Für einen besonderen Schauer sorgt Dagmar von Kurmin als verrückte Alte Cressidora Cheney.

Die einzige wirkliche Kritik an der Handlung stellt sich in der Frage, warum Orrin Bosworth überhaupt in die Rutledge-Affäre mit hineingezogen wurde. Gut, ihm obliegt es, sich an die schauerliche Cressidora-Episode seiner Kindheit zu erinnern. Aber mit Saul Rutledges Siechtum hat er nun überhaupt nichts zu schaffen. Nun ja, vermutlich bedurfte es des jungen Tatmenschen, den es ja in allen Schauergeschichten dieser Zeit gibt.

Fazit: „Verhext“ verbindet all das, was die Hörspiele der „Gruselkabinett“-Reihe im besten Falle auszeichnet: hervorragende Sprecher, eine dezente, gelungene Tonkulisse und eine schaurige kleine Geschichte, die sich von Umfang und Komplexität her gut für das Format Hörspiel anbietet. Definitiv eine Empfehlung im Rahmen der Reihe.


Gruselkabinett 47: Verhext
Hörspiel nach einer Erzählung von Edith Wharton
Marc Gruppe
Titania Medien 2010
ISBN: 978-3-7857-4390-4
1 CD, 63 min., deutsch
Preis: EUR 8,99

bei amazon.de bestellen