Gruselkabinett 136: Das Königreich der Ameisen

Können Ameisen die Welt und wie sie aus menschlicher Sicht „zu funktionieren hat“ auf den Kopf stellen? Was, wenn diese Insekten eine eigene Intelligenz entwickeln, alles essen, was ihnen in den Weg kommt, und ihre Bisse giftig sind? Dieser Frage geht H. G. Wells in seiner Kurzgeschichte von 1905 „The Empire of the Ants“ nach. Mit der „Gruselkabinett“-Geschichte Folge 136 von Titania Medien sind wir „live“ dabei.

von Daniel Pabst

Bereits das Titelbild von „Gruselkabinett 136: Das Königreich der Ameisen“ lässt einen erschauern, zeigt es doch einen menschlichen Totenschädel, aus dessen Innern eine schwarze Ameise kriecht. Das Hörspiel erschien im Jahre 2018 bei Titania Medien und umfasst circa 56 Minuten. Als Sprecher kamen insgesamt nur sechs bekannte Personen zum Einsatz, mit Simon Roden und Jean Paul Baeck in den Hauptrollen. Wer sich jetzt fragt, ob die Stimmenanzahl etwas über die Qualität des Hörspiels aussagt, dem kann vorab mitgeteilt werden, dass diese „Gruselkabinett“-Folge nicht mehr Sprecher benötigt hätte. Weniger ist manchmal eben mehr. Doch dazu später mehr.

Die Geschichte setzt mit dem Ingenieur Holroyd ein, der den Kapitän Guerilleau und seinen Leutnant Da Cunha bei einer Mission im Amazonas begleiten soll. Wir befinden uns im Jahre 1899, und es geht das Gerücht um, dass tief im Amazonasgebiet eine neue Ameisenart existieren würde. Diese, so erfahren wir, sei weit größer als fünf Zentimeter und esse alles weg. Zudem würde sie ihre eroberten Gebiete „besetzen“, indem sie die Menschen mit einem Gift beißen würde, an dem diese binnen kürzester Zeit versterben. Der Kapitän sieht es als sicher an, dass diese Insekten, wie alle unerwünschten Tiere „kommen und gehen“. Es bedürfe lediglich ein wenig Feuers und der Kraft einer Kanone, die er an Bord habe.

Als mitten in der Mission durch den menschenleeren Amazonas ein Schiff auftaucht, entdecken Holroyd, Guerilleau und Da Cunha zwei menschenähnliche Silhouetten. Da Cunha wird sogleich beauftragt, nach Beweisen zu suchen, und macht sich auf, das andere Schiff zu erkunden. Hier zahlt sich die geringe Anzahl an Sprechern aus. Die Hörerinnen und Hörer lauschen – wie auch die Protagonisten Holroyd und Guerilleau – von Ferne, wie Da Cunha die Bekanntschaft mit den Ameisen macht, die sich auf dem „Totenschiff“ versteckt gehalten haben. Spätestens nach diesem Aufeinandertreffen von Mensch und Ameisen, verwundert es nicht, dass der Kapitän es dem Auftraggeber übel nimmt, dass sie „wie eine Handvoll Affen“ ausgesandt wurden, die Insekten zu fangen.

Untermalt wird dieses sehr dichte Hörspiel (was auch daran liegt, dass wir uns fast durchgehend an Bord eines Schiffes befinden) durch stimmungsvolle Musik. Von Sekunde eins an gewinnt man den Eindruck, im Amazonasgebiet zu stehen. Sobald das Schiff den Motor angeworfen hat, hören wir einen Sound-Teppich an Dschungelgeräuschen (Mosquitos, Papageien, Grillenzirpen) und natürlich dem immer gleich monoton-scheppernden Schiffsmotor. Die wiederholenden Motor- und Dampfgeräusche auf dem Amazonas passen perfekt in den spannungssteigernden Handlungsablauf. Kombiniert wird dies mit einer kurzen, sich ebenfalls wiederholenden Musik. Die Hörerinnen und Hörer können so perfekt mitfiebern, was die Protagonisten am Ankunftsort erwarten wird. Endlich angekommen ertönt ein Gewitter, wodurch der Untertitel der „Gruselkabinett“-Hörspiele, „Schauer-Romantik“, atmosphärisch auch zur Hälfte wiedergeben wird (die Romantik findet man in dieser Folge nicht).

Im Hintergrund des atmosphärischen Hörspiels steht bei „Gruselkabinett 136: Das Königreich der Ameisen“ die weiterhin aktuelle Frage, welche Stellung der Mensch zur Natur (oder umgekehrt) eigentlich hat. Holroyd spricht zu sich selbst, dass er dachte, dass der Mensch zumindest das Land beherrschen würde. Doch im Urwald erlebt er, dass der Mensch die gefährdete Art ist, und wie überheblich es von den Menschen gewesen sei, zu glauben, man sei der Herrscher der Welt. Sodann stellt er sich die Frage, was passieren würde, wenn die neue Art an Ameisen ein Königreich oder gar eine Zivilisation gründen könnten und im künftigen Feldzug gegen die Menschen marschieren würden?

Fazit: Das „Gruselkabinett“-Hörspiel setzt die Kurzgeschichte von Wells sehr getreu um und lässt einen tief in den Amazonas abtauchen. Dass Ameisen eine Kommunikationsstruktur und Intelligenz entwickeln können, die über das Bekannte hinausgehen, und diese nutzen, um die Menschheit zu verdrängen, kann einerseits als fesselnde Schauergeschichte angesehen werden, andererseits Anstoß weiterer Fragen sein. Insgesamt ist das Hörspiel daher allen zu empfehlen, die Interesse an Hörspielen haben, sowie denen, die diese Kurzgeschichte von H. G. Wells aus dem Jahre 1905 (!) bislang unbekannt war. Besonders ist es denjenigen zu empfehlen, die sich über den normalen Gruselfaktor die unbeantwortete Frage stellen möchten, ob der Mensch allein nicht nur ein Spielball der Natur ist.

Gruselkabinett 136: Das Königreich der Ameisen
Hörspiel nach der Kurzgeschichte von H.G. Wells
Marc Gruppe
Titania Medien 2018
ISBN: 978-3-7857-5628-7
1 CD, ca. 56 min., deutsch
Preis: EUR 7,79

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