Gruselkabinett 08 & 09: Spuk in Hill House

"Ein böses altes Haus..." So beginnt die dräuende Erzählerstimme in Robert Wises großartigem Schauerstreifen "The Haunting" (1963) die Geschichte um Hill House, die ursprünglich von Roman-Autorin Shirley Jackson ersonnen wurde und auch heute noch, in Zeiten drastischer Horrorkost durch ihr subtiles Grauen bestens zu unterhalten weiß. Titania Medien zollt beiden Vorlagen, dem Buch und seiner Filmadaption, Tribut und komponiert daraus ein gelungenes Hörspiel, das zwei Stunden lang Kino für den Kopf beschert.

von Bernd Perplies

 

Die Geister, die sie riefen

Es ist die vielleicht prototypische Spukhausgeschichte. Dr. John Montague, ein Parapsychologe, mietet 1958 in Neu England für eine Untersuchung übernatürlicher Phänomene den einsam gelegenen Landsitz Hill House. Als Mitarbeiter – oder vielmehr Versuchskaninchen – wählt er die scheue Eleanor und die lebenslustige Theodora, die beide bereits Erfahrungen mit dem Übersinnlichen gemacht haben. Luke Sanderson, der nichtsnutzige Neffe der Besitzerin, begleitet die drei. Gemeinsam wollen sie am eigenen Leibe erfahren, ob – und wenn ja, wie – sich die Geister von Hill House bemerkbar machen.

Und tatsächlich scheint in dem Haus, das einst von dem Tyrannen Hugh Crane erbaut wurde und seitdem Schauplatz von viel Leid und Kummer gewesen ist, nicht alles mit rechten Dingen zuzugehen. Ein kalter Fleck vor dem ehemaligen Kinderzimmer lässt die Besucher frösteln, ein nächtliches Donnern bringt die Frauen fast um den Verstand. Die Ereignisse, die allen zunehmend an die Substanz gehen, scheinen sich auf Eleanor zu konzentrieren, die trotz all ihrer Furcht ein seltsames Gefühl von Zuhause für das schaurige Hill House entwickelt.

Am besten des Nachts serviert

Die Atmosphäre, die das Hörspiel von Stephan Bosenius und Marc Gruppe aufkommen lässt, ist wahrhaftig schauerlich zu nennen. Die dräuende Musik, die effektvoll eingesetzte Geräuschkulisse und nicht zuletzt die hervorragenden Sprecher nehmen einen wirklich gefangen, vor allem, wenn man sich den Spaß gönnt, die Geschichte nicht irgendwann tagsüber zwischen Bügelbrett und Putzlappen durchlaufen zu lassen, sondern abends bei gedämpftem Licht und möglichst alleine zu genießen.

Insbesondere die erste der beiden CDs baut eine wunderbar unheilvolle Stimmung auf. Der zweite Teil fällt hierzu in meinen Ohren leider ein wenig ab, gerade durch das Auftauchen von Montagues Frau und ihres "Lovers", dem lautstarken Arthur Parker – die beide so überhaupt nicht empfänglich für die Atmosphäre von Hill House sind, dass auch der Hörer aus der kalten Umklammerung befreit wird. Hier steht die allzu exakte Werktreue zur literarischen Vorlage von Shirley Jackson dem Hörspiel etwas im Wege, der Film von Robert Wise verstand es jedenfalls deutlich besser, die Spannung gerade gegen Ende hin noch zu steigern "bis das Blut gefriert" (um auch mal den reißerischen deutschen Titel genannt zu haben).

All-Star-Cast

Hörspielproduktionen rühmen sich dieser Tage gerne mit großen Namen, das heißt eben den Hollywooddarstellern, denen die Sprecher unter anderem ihre Stimme leihen – wenn sie nicht gerade Hörspiele aufnehmen. Wäre "Spuk in Hill House" ein Kino-Blockbuster, würden Sean Connery, Kim Basinger, Catherine Zeta-Jones und Johnny Depp die Hauptrollen spielen (lustiger Zufall: Zeta-Jones spielte tatsächlich mal die Theo in Jan De Bonts zweiter Filmadaption des Jackson-Romans, genannt "Das Geisterschloss" [1999]). Und Catherine Deneuve würde etwas später mit Orlando Bloom anreisen, um den Vieren mit ihrer burschikosen Art und ihrem Unglauben die Exkursion gründlich zu vermiesen. Wenn das keine klangvolle Truppe ist.

Tatsächlich sind es Christian Rode, Evelyn Maron, Arianne Borbach, David Nathan, Rita Engelmann und Matthias Deutelmoser, die uns nach Hill House entführen. Und um ganz ehrlich zu sein: Ich habe nicht die Hollywood-Schauspieler vor meinem geistigen Auge gehabt, als ich den Ereignissen lauschte, sondern nur die großartigen Stimmen wahrgenommen, die allerdings, das glaube ich schon, von ihrer Erfahrung im Metier der Filmsynchronisation durchaus profitiert haben. Oft ist es ja so, dass Hörspielsprecher sehr akzentuiert sprechen und ihre Figuren dadurch mitunter etwas hölzern wirken. Bei diesem Ensemble hört man jede emotionale Nuance und das allein schon macht die Titania-Produktion zu etwas Besonderem.

Fazit: Freunde wirklich stimmungsvollen Kopfkinos sollten sich die Reihe "Gruselkabinett" unbedingt mal näher ansehen. Die Aufmachung mag zwar ein wenig an Bastei-Groschenhefte erinnern, aber vielleicht ist das gar nicht mal so unpassend, denn hier werden klassische Gruselgeschichten ohne große stilistische Experimente, aber dafür wunderbar atmosphärisch dargeboten. Die einzige Schwäche der Doppelfolge "Spuk in Hill House" liegt in ihrem Ende, das unter einer hörbar abflachenden Spannungskurve leidet – hier hätte man eher Robert Wise als Shirley Jackson folgen sollen.


Gruselkabinett 08 & 09: Spuk in Hill House
Hörspiel nach dem Roman von Shirley Jackson
Marc Gruppe
Titania Medien 2006
ISBN: 3785732473 / 3785732481
je 1 CDs, je ca. 60 min., deutsch
Preis: je EUR 7,95

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