Glorantha ist mehr als nur eine Fantasywelt. Glorantha ist eine eigene Mythologie. Die epische Welt von Greg Stafford ist ein riesiger Würfel, inmitten eines unendlichen Ozeans, der vor Urzeiten erschaffen wurde. Götter gibt es im Überfluss und gewöhnliche Sterbliche sind in der Lage, zu gottgleichen Helden aufzusteigen. Glorantha ist eine Welt der Mythen, der Kulte und Geister und einer Vielzahl an verschiedenen Kulturen, Völkern und vergangenen Imperien.

Um Glorantha zu verstehen, muss man zuerst wissen, dass Greg Staffords Schöpfung keine typische Fantasywelt ist. Es gibt zwar zahlreiche menschliche Imperien oder Kulturen, doch die meisten nichtmenschlichen Völker unterscheiden sich stark von den sonst so typischen Gestalten anderer Fantasywelten. Egal ob man das Kaiserreich von Kralori, das Lunare Imperium oder den Kult von Orlanth nimmt: Sie alle unterschieden sich in ihrer Kultur, Politik, dem Militär und ihrer Weltanschauung stark voneinander.

Auf Glorantha hat alles seinen Ursprung auf irgendeine Weise in der Magie. Mythen sind real und alle Dinge geschehen in einem gewissen Zyklus immer und immer wieder. Helden können ihre Kraft und ihr Wissen aus alten Mythen und Legenden schöpfen. Je mehr Mythen ein Charakter kennt, desto mächtiger wird er am Ende auch sein.

Die klassischen Zeitalter, in denen man normalerweise auf Glorantha spielt, sind das erste oder dritte Zeitalter (die Zeit der Heldenkriege). Mit „Glorantha – The Scond Age“ ist Mongoose der erste Verlag, der das bisher recht dürftig beschriebene zweite Zeitalter zum Schauplatz aller zukünftigen „Glorantha“-Bücher für „RuneQuest“ macht.

Das Buch hat 160 Seiten, ist komplett in Farbe und natürlich als Hardcover gebunden. Zwei farbige Karten von Glorantha schmücken das Vorsatzpapier. Weitere Karten lassen sich zu den Beschreibungen der jeweiligen Länder, Kontinente und Regionen finden. Das Cover des Buchs ziert übrigens das gleiche Bild wie den „Gamemaster Screen“, zusätzlich aber noch mit einem schicken neuen „Glorantha“-Logo geschmückt. Insgesamt eine ordentliche Arbeit, auch wenn man für das Cover einer Weltenbeschreibung doch etwas Passenderes hätte nehmen können.

Das Buch hat nur ein kleines Inhaltsverzeichnis und nur einen drei Seiten langen Index. In Sachen Übersichtlichkeit wird dem Leser also nicht viel geboten.

Aber was bietet der Inhalt? Zuerst sei gesagt, dass der komplette Band ohne Spielwerte auskommt. Die werden erst in dem „Glorantha Players Guide“ nachgeliefert. Etwas merkwürdig ist das schon, denn als neuer „RuneQuest“-Spieler hat man damit jetzt ein Regelwerk und eine Spielwelt, aber kein Zwischenstück, das die Spielwelt regeltechnisch mit den „RuneQuest“-Spielregeln verbindet. Schon bei den „Core Rules“ und dem „RuneQuest Companion“ ist mir diese Trennung von Material, das eigentlich zusammen gehören sollte, aufgefallen. Wohin soll diese Veröffentlichungspolitik denn bitteschön noch führen?

Ungeachtet dessen lässt der Inhalt einem jeden „Glorantha“-Fan das Herz aufgehen. Die Autoren haben es nämlich wirklich geschafft, ein wunderschönes und für Glorantha würdiges zweites Zeitalter zu erschaffen. Kein Wunder eigentlich, denn im Impressum taucht der ein oder andere Name von so manchem „RuneQuest“-Urgestein wieder auf. Ein Lob an Mongoose! Sich ein paar „alte Hasen“ mit ins Boot zu nehmen, kann nie verkehrt sein.

Nach einer kurzen Einführung in die Welt Glorantha folgt auch schon die Beschreibung der beiden Imperien „The God Learners“ und dem „Empire of the Wyrms Friend“, gefolgt von einer Beschreibung der wichtigsten Völker und Kulturen des zweiten Zeitalters. Nicht nur die Kulturen der Menschen, sondern auch die der Aldryami (die Elfen von Glorantha sind lebendige Pflanzenwesen), Dragonewts (Drachenmolche), Mostali (Zwerge), Timinit (Insektoiden) oder Uz (Trolle) werden ausführlich dargestellt. Jede Kultur und Rasse wird aus der Sicht eines ihrer Vertreter beschrieben und erklärt. Mir gefällt dieser Stil, denn er macht die jeweiligen Kulten beim Lesen schnell zugänglich.

Das anschließende Kapitel „World Gazetter“ beschreibt die Kontinente Genertela und Pamaltela, ihre Regionen, Orte, Landstriche und die wichtigsten Inselreiche von Glorantha. Das abgedruckte Kartenmaterial ist zum Teil etwas klein geraten, gibt aber einen guten Üblick über die wichtigsten Regionen und Orte.

Zum Abschluss gibt es in dem letzten Kapitel noch eine Beschreibung der Region Safelster und seiner wichtigsten Städte. Das Ganze ist als Vorschlag und Aufhänger für eine eigene erste „Glorantha“-Kampagne gemacht worden. Wer gerne seine Abenteuer in einer städtischen Umgebung mit vielen politischen Intriegen spielen lässt, ist mit diesem Kapitel gut bedient. Leider fehlen aber auch hier die notwendigen Regeln und Spielwerte, sodass die Kampagne eigentlich bisher noch ziemlich nutzlos ist – oder zumindest viel Eigenarbeit vom Spielleiter verlangt.

Zu guter Letzt ist mir dann noch aufgefallen, dass die Beschreibung der Region Ralios komplett fehlt. Hat man da etwa das Kapitel über eines der wichtigsten Gebiete von Genertela vergessen? Ganz und gar nicht: Das Kapitel wurde aus Plazugründen (bei nur 160 Seiten?) einfach weggelassen. Wer aber nun denkt, dass man sich das fehlende Kapitel einfach so bei Mongoose downloaden kann, hat sich getäuscht.

Für schlappe 4,95 US-Dollar kann man das fehlende Kapitel bei der Online-Plattform www.drivethrurpg.net kaufen. Ja, geht’s noch?!?

Fazit: „Glorantha – The Second Age“ wäre mit Sicherheit der Schritt in die richtige Richtung gewesen, wenn Mongoose konsequenter bei der Sache geblieben wäre. Die Qualität des Buches und der Inhalt sind wirklich phantastisch und in Ordnung, aber man bekommt quasi nur eine reine Weltenbeschreibung die man ohne den „Players Guide to Glorantha“ nur schwer in seinem Spiel einsetzen kann. Das etwas knapp ausgefallene Kartenmaterial und die Tatsache, dass man sich ein fehlendes Kapitel nochmal extra nachkaufen muss, trüben den Gesamteindruck ziemlich.

Das zweite Zeitalter von Glorantha hat großes Potenzial, die farbenfrohe und etwas in die Jahre gekommene Welt Glorantha einem breiten Publikum schmackhaft zu machen. Fraglich ist nur, ob die Art und Weise der Veröffentlichungen bei Mongoose der so förderlich sind. An zweiter Stelle steht natürlich auch die Frage, inwieweit sich alte „Glorantha-Experten“ auf ihre alte Welt im neuen Gewand einlassen werden.