Flippermania

Rauchgeschwängerte Kellerräume, verschwitzte Teenies und klebrige Cola – und dazwischen der dudelnde Sound von Spielautomaten und Flippertischen. So war das früher einmal, als in den 1970ern der Flipper ein fester Bestandteil der Jugendkultur war und fast 240.000 Automaten deutschlandweit aufgestellt waren. Mit Begriffen wie „ausgeflippt“ und „tilten“ verankerten sich sogar Flipperbegriffe in unserem Sprachgebrauch. Seitdem ist eine halbe Ewigkeit vergangen und wir flippern in Retrohallen und auf Konsolen – und nun auch auf dem Spieltisch. „Flippermania“ will das Feeling im Wohnzimmer einfangen. Erreicht das Spiel den Highscore oder fällt es ab wie eine Kugel beim Tilt?

von Oliver Adam

In dem farbenfrohen Spiel von Geoff Engelstein nutzen 1 bis 4 Spieler ab 10 Jahren die richtige Strategie, das richtige Timing und eine Portion Glück, um an vier verschiedenen Flippertischen auf Highscore-Jagd zu gehen. Das Spielmaterial fügt sich dabei absolut stimmig in die Thematik ein. Die dicken, beschichteten Flipper-Spielpläne lassen echtes Flipper-Feeling aufkommen. Es gibt sogar Flipperkugeln, allerdings halbe, die dann auf das Spielbrett gelegt werden können. Darüber hinaus finden sich vier trocken abwischbare Stifte und zwei Standard-Würfel in der Box.

Der Spielaufbau von „Flippermania“ geht sehr schnell. Die Spieler entscheiden sich für einen der vier verschiedenen Spielpläne (dazu später mehr), nehmen einen Stift und platzieren die Flipperkugel auf dem Startfeld. In jedem Zug werden die beiden Würfel geworfen und jeder Spieler wählt einen davon aus. Mit diesem Würfelwert trifft man entsprechend der Augenzahl passende Ziele auf dem Flipper und markiert mit den abwaschbaren Stiften die getroffenen Kästchen. Hierzu gibt es verschiedene Zonen auf dem Flippertisch und die Kugel muss entsprechend der Schwerkraft immer eine oder mehrere Zonen herunterfallen – außer sie ist ganz unten angekommen und wird mit dem Flipperfinger wieder in die oberen Zonen gedroschen. So versucht man die Kugel möglichst lange im Spiel zu halten und Punkte zu sammeln, wobei man auch einige Boni wie Multiball (eine weitere Kugel im Spiel), Trickschüsse (ersetzen den Würfel) oder tischspezifische Sonderfertigkeiten freischalten kann. Und wenn die Kugel mal nicht so rollt wie erhofft, hat man immer noch die Möglichkeit zu „stoßen“ und den Würfelwurf zu verändern – aber vorsichtig, je stärker man die Würfel verändert, desto größer ist das Tiltrisiko.



Eine große Varianz erfährt das Spiel durch die verschiedenen Flippertische, die sich vollkommen unterschiedlich spielen. „Carniball“ hat eine Jahrmarktthematik und besitzt als Einstiegstisch den geringsten Komplexitätsgrad. Bei „Cyberhack“ ist man ein Elitehacker, der sich entschlossen gegen den Konzern stellt, und das Flipperspiel repräsentiert den Hackerangriff („Run“). Hier ist sogar ein kleines Minispiel integriert, das neben dem Flipper abläuft. Als „Drachentöter“ sammelt man Erfahrung und Zaubersprüche, um den furchteinflößenden Drachen zu erlegen. Und bei „Disco Fever“ zeigt man die heißesten Boogie-Moves. Ein großer Vorteil des Spiels ist seine fast unerschöpfliche Erweiterungsfähigkeit. Einfach ein neues Spielbrett, ein paar spannende Sonderregeln und schon steht der nächste Flipper bereit. Für die englischsprachige Originalversion ist bereits eine Erweiterung mit „Star Trek“-Thematik angekündigt.



„Flippermania“ gehört zum Genre Roll-and-Write, da man die Ergebnisse des Würfelwurfs auf einem Plan einzeichnet. Dies geschieht mittels der schwarzen abwaschbaren Stifte. In den vielen Testspielen hat sich gezeigt, dass diese Stifte teilweise ganz schön schmieren und ein unbedachter Wisch über das Spielfeld wichtige Markierungen unlesbar machen kann. So interessant diese Mechanik ist, wir hätten uns in einem Brettspielumfeld etwas wohler gefühlt, bei dem die Elemente beispielsweise durch kleine Marker, Kärtchen oder Steine auf einem doppellagigen Brett dargestellt werden, und nicht durch verschmierte Stiftmarkierungen. Hier wäre also noch Potenzial für eine Deluxe Version.



Insgesamt macht „Flippermania“ sehr großen Spaß und der Wiederspielreiz ist sehr hoch. Schließlich möchte man alle Flippertische ausprobieren und möglichst weit kommen. Als Höchstgrenze sind zwar 4 Spieler angegeben, der limitierende Faktor besteht allerdings nur in den zur Verfügung stehenden Spielbrettern. Wenn mehrere Spiele in der Gruppe vorhanden sind, spricht nichts gegen ganz große Runden. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass „Flippermania“ im Kern ein Solo-Spiel ist, das man mit mehreren Spielern nebeneinander spielt. Spielerinteraktionen oder gemeinsame Züge gibt es nicht. Der Spielspaß wird eher durch den individuellen Anreiz, möglichst viel zu aktivieren und den Highscore zu knacken, vermittelt.

Fazit: „Flippermania“ greift das bisher unverbrauchte Thema des Flippers auf und macht daraus ein farbenfrohes, schnelles und erfrischendes Roll-and-Write auf Kennerspielniveau. Im Mittelpunkt steht dabei die individuelle Jagd nach dem Highscore, Spielerinteraktionen gibt es kaum, wodurch es auch ausgezeichnet solo gespielt werden kann. Zum hohen Wiederspielreiz tragen die vier vollkommen unterschiedlichen Tischvarianten bei. Auch wenn das Feeling eines „echten“ Flippers kaum durch ein Brettspiel einzufangen ist, macht „Flippermania“ sehr viel Spaß und ist absolut empfehlenswert.

Flippermania

Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 10 Jahren
Geoff Engelstein
Wizkids/Frosted Games/Pegasus 2021
EAN: 4250231727818
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 24,99

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