Fantastic Four – Tödlicher Kreislauf

Erinnert sich wer an das Comic-Erlebnis im Jahre 1961? Sagt jemandem das Comic-Debüt der vier Elemente was? Ja, richtig: Stan Lee und Jack Kirby veröffentlichten damals ihre erste Ausgabe der „Fantastic Four“! Rund 60 Jahre später verzaubert Alex Ross mit seiner Interpretation die Comic-Welt. Bunt und im Stile der Pop-Art-Kunst widmet er sich den bekannten vier Helden, die durch die Negativzone fallen. Schauen wir genau hinein!

von Daniel Pabst

Wenn Alex Ross den Pinsel ansetzt, wartet man mit großer Vorfreude und Spannung auf die fertige Zeichnung. Im Oktober 2022 nun hat der US-amerikanische Comic-Zeichner aber nicht nur ein brillantes Cover veröffentlicht, sondern einen kompletten Comic-Band, bei dem sehr viele der insgesamt 68 Seiten ein eigenes Cover hätten bilden können. Kunstwerk an Kunstwerk reiht Alex Ross in „Fantastic Four – Tödlicher Kreislauf“ und beeindruckt dabei mit den Figurengestaltungen und Farbtönen. Erschienen ist das Werk bei Panini Comics, die den Comic in einen schönen Papierumschlag gekleidet haben, der aufgeklappt werden kann und in nostalgischen Zeichnungen präsentiert, woher die Superkräfte der „Fantastic Four“ stammen. Ist dieser Comic eine „Pflichtlektüre“ für alle Marvel-Fans und für alle, die es werden wollen?

Zum 60-jährigen Jubiläum der „Fantastic Four“ hat es „Fantastic Four – Tödlicher Kreislauf“ beinahe geschafft! Nachdem Stan Lee und Jack Kirby 1961 mit „The Fantastic Four!“ debütierten, ahnte wohl keiner, welche Auswirkungen dies auf den Comic-Markt haben würde. Mit den vier Figuren: „The Thing“, „Mr. Fantastic“, „Human Torch“ und „Invisible Girl“ kreisten plötzlich Menschen mit Superkräften durch die Comic-Panels, die keine unnahbaren Superhelden waren, sondern sich wie drei durchschnittliche amerikanische Bürger und eine Bürgerin verhielten, ohne Geheimidentitäten zu besitzen. Und dennoch waren ihre Abenteuer durch ihre Gestaltverwandlungen in die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde fantastisch und ließen ihre Fangemeinschaft rasant wachsen. Versprühen sie mit diesem neuen Comic wieder so richtig neue Energie?

Die bereits zuvor angesprochene Zeichenkunst von Alex Ross setzt „die Vier“ perfekt in Szene. Man merkt sofort, dass Alex Ross selbst ein Fan von Jack Kirby ist und die alten Comic-Ausgaben gelesen hat. Er benutzt matte Farben und vermischt den eher abstrakten Stil Kirbys mit seinem eigenen realistischen Zeichenstil. Was dabei herausgekommen ist, erhält durch die gewählten Farben eine noch kräftigere Wirkung. Beim Durchlesen der Seiten hat man den Eindruck in die 1960er und 1970er Jahre zurückversetzt zu sein und eine psychedelische Reise zu erleben. Auf seinem Youtube-Kanal führt Alex Ross seine Herangehensweise ausführlich aus und berichtet unter anderen, dass er wie gewohnt auch für diesen Comic „Live Models“ erstellt hat, um die Gesichter von allen Seiten anleuchten zu können und weitere Inspirationsquellen zu gewinnen.

Auch Panini Comics hat sich auf der eigenen Homepage die Mühe gemacht, diesen Comic intensiv zu beleuchten, indem sich dort ein Interview mit Ross wiederfindet. In diesem teilt er mit, dass sein Grafikdesigner und Mitarbeiter Josh Johnson die endgültigen Farben digital umsetzte, um einen subtilen Punktraster-Effekt zu erzeugen, den Ross nicht malen konnte. Durch diese auch als „Benday Dots“ bekannte Drucktechnik hat man als Leserin oder Leser das Gefühl, andauernd auf Pop Art zu schauen. Künstlerisch also ist dieser Comic eine Augenweide. Auch in Anbetracht der ausführlichen, minutiösen (Vor-)Arbeiten von Alex Ross an diesem Comic und dem angenehmen Hardcover-Format fällt der Preis von 25,00 Euro fast gar nicht mehr auf.



Kommen wir nun zur eingangs gestellten Frage, ob dieser Comic eine „Pflichtlektüre“ für alle Marvel-Fans und für alle, die es werden wollen ist, oder nicht? Der Inhalt von „Fantastic Four – Tödlicher Kreislauf“ ist definitiv etwas für diejenigen, die sich in der Welt der „Fantastic Four“ auskennen. Denn es geht ohne Vorankündigung in medias res – genauer: in die Negativzone. Bezugnehmend auf den formstehlenden Doppelgänger von The Thing spielt Alex Ross mit der Ausgabe „Fantastic Four #51“ aus dem Jahr 1966. Wer diesen „alten“ Doppelgänger nicht kennt, der hat beim Lesen viele Fragezeichen im Kopf. In Kombination mit den psychedelischen Farben hat das vielleicht auch für „Nicht-Marvel-Fans“ oder Neueinsteiger und Neueinsteigerinnen seinen Reiz – das richtige Leseerlebnis stellt sich aber nur schwer ein. Dankbarerweise hat Panini Comics auf der Homepage als Bonus-Material die kostenlose 21-seitigen-Leseausgabe von „Fantastic Four #51“ aus dem Jahr 1966 zur Verfügung gestellt! Warum dieser Link zur Panini Homepage nicht im großen Papierumschlag (etwa als QR-Code) abgedruckt wurde, sondern nur auf eine „klassische Stan Lee/Jack Kirby-Story aus den 1960ern“ verwiesen wird, ist leider nicht nachvollziehbar. Also unbedingt vorher „Fantastic Four #51“ lesen!

Wer sich am Ende fragt, ob er sich „Fantastic Four – Tödlicher Kreislauf“ anschaffen soll, dem sei an dieser Stelle kurz noch der Handlungsbogen skizziert: In der Wohnung von Invisible Girl und Mr. Fantastic taucht eine mysteriöse Gestalt auf, die sich als „Der Doppelgänger“ ausgibt. Um dem Rätsel auf die Spur zu kommen, machen sich die vier auf die Reise zur Negativzone, wo die ein oder andere bekannte Kreatur auf sie wartet und es (pseudo-)wissenschaftlich abgeht! Noch ehe die vier Fantastischen begreifen, was geschieht, hat sie der Strudel der Ereignisse gepackt und sie können froh sein, dass sie sich mit ihren Superkräften weiter gegenseitig unterstützen können. Doch stets besteht das Risiko, dass es aus diesem „tödlichen Kreislauf“ kein Entkommen geben wird. Wo nur ist die Erde geblieben, auf die sie zurückzukehren planten? Interesse geweckt?

Fazit: Alex Ross zollt mit dem 68-seitigen Comic „Fantastic Four – Tödlicher Kreislauf“ Jack Kirby Tribut. Die Erwartungen werden in diesem Werk erfüllt. Durch die Vermischung des Stils von Ross mit dem Stil von Kirby und den matten – beinahe fluoreszierenden, psychedelischen – Farbtönen erstrahlt der Comic auf eine besondere Art. Echt Retro! Als Kunstwerk ist er absolut zu empfehlen und hätte gerne weitere Seiten enthalten können. Handlungstechnisch dagegen ist dieser Comic sehr durchwachsen. Einerseits sind die Figuren sehr gut getroffen und man folgt ihnen gerne durch den Strudel an Ereignissen. Andererseits bedarf es des vorigen Lesens von „Fantastic Four #51“ aus dem Jahr 1966. Und wer die „Fantastic Four“ noch nicht kennengelernt hat, kommt nur schwer mit. Insgesamt ist dieser Comic daher keine „Pflichtlektüre“. Dafür ist er wie gemacht für Comic-Liebhaber und Comic-Liebhaberinnen, die sehen wollen, wie Alex Ross wieder einmal Kunst erschaffen hat!

Fantastic Four - Tödlicher Kreislauf

Comic
Alex Ross
Panini Comics 2022
ISBN: 978-3-7416-2910-5
68 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

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