Eternauta 1969

Die dieser Sci-Fi-Graphic Novel zugrundeliegende Urfassung „Eternauta“ zählt zu Argentiniens wichtigsten Werken. Die in beiden Fassungen geschilderte Invasion von Außerirdischen in Südamerika gilt als visionäre Metapher auf den Umsturz durch die Militärjunta 1976 und den Widerstand dagegen. Im Gegensatz zur Urfassung wird im Remake „Eternauta 1969“ die Invasion von den internationalen Großmächten toleriert. Zu dieser Neufassung des Klassikers hinzu kommt der surreale, collagenhafte Stil von Zeichner Alberto Breccia, für den er bekannt wurde.

von Markus Kolbeck

Héctor Germán Oesterheld (1919-1978) hat als Texter 1957 zusammen mit Zeichner Francisco Solano López den umfassenderen Comic „Eternauta“ veröffentlicht. 1969 hat der Comic-Texter zusammen mit Zeichner Alberto Breccia (1919-1993) eine deutlich kürzere Neufassung als Graphic Novel verfasst. Oesterheld ging später unter der Militärdiktatur in den Widerstand und wurde ermordet! Breccia wurde 1992 mit dem „Max und Moritz-Preis“ für sein Lebenswerk geehrt. Die Graphic Novel ist bis auf das ursprüngliche erzählerische Gerüst ein Remake. Das Hardcover „Eternauta 1969“ wurde 2017 auf Deutsch vom „avant“-Verlag herausgebracht, kostet 22 Euro und umfasst auf rund 50 Seiten den Comic plus sieben Seiten mit einem Hintergrundartikel. Die Graphic Novel ist komplett in Schwarz-Weiß gehalten und lässt sich in rund zwei Stunden durchlesen.

Inhalt

Diese Fassung beginnt im Jahr 1971 in Buenos Aires in Argentinien. Der Protagonist Juan Salvo spielt mit seinen Freunden Truco, ein populäres argentinisches Kartenspiel. Auf einmal fallen phosphoreszierende Flocken wie Schnee vom Himmel, die alles Leben, das ihnen ausgesetzt ist, auslöschen. Salvo und seine Freunde sind erst mal im Haus sicher. Im Radio sind Bruchstücke einer Übertragung zu hören: Die Großmächte hätten Verrat verübt! Bald spricht man von einer Alien-Invasion. Sie basteln sich Schutzanzüge und gehen auf Erkundung in die Nachbarschaft, um sich Lebensmittel, Medikamente und Ausrüstung zu besorgen. Sie werden vom Militär zwangsrekrutiert und man beginnt den wenig aussichtsreich scheinenden Kampf gegen die Invasoren, außerirdische, humanoide Käferwesen. Nach anfänglichen Erfolgen zerstören sie teilweise eine der Schaltzentralen der Außerirdischen. Salvo betritt den Ort und wird zum Eternauta, dem ewig Reisenden! Es gibt noch jede Menge mehr Details und Überraschungen, die hier aber nicht verraten seien.

Kritik

Wie schon in dem Kurzgeschichten-Comic „Lovecraft“ (ebenfalls im „avant“-Verlag erschienen) tritt Alberto Breccias Zeichenstil prominent hervor, zumindest auf den ersten Blick. Allein schon der künstlerisch anspruchsvollen Zeichnungen wegen lohnt sich die Anschaffung dieser Graphic Novel! Breccia benutzt zum Teil vage gehalte Collagen und Zeichnungen, die sich zu Schemen und Andeutungen verdichten. Die Bilder sind aber spürbar gegenständlicher gezeichnet als in „Lovecraft“. Der Stil ist einmalig bisher und hat den Künstler bekannt gemacht. Er gilt vielen seiner Comic-Kollegen als Vorbild. Nachteilig ist bei diesem Stil, dass man manchmal die Figuren visuell nicht auseinanderhalten kann und dazu auf den Text angewiesen ist.

Der Überlebenskampf der Figuren und die menschlichen Abgründe, sie sich ihnen offenbaren, werden auch glaubwürdig dargestellt. Die Protagonisten ziehen sich in die häusliche Sicherheit zurück, vermeiden den Kontakt zur Außenwelt und schließen sich dann dem Widerstand gegen die Invasoren an. Das dies eine Metapher und eine Vorwegnahme der späteren Verhältnisse unter der Militärdiktatur ist, gilt als allgemein anerkannt. Die Menschen ziehen sich ins Private zurück, wissen nicht mehr, wem sie trauen können, und setzen sich im Versuch, Widerstand gegen die Diktatur zu leisten, auch großen Gefahren aus. Zusammen mit Breccias experimentellem Stil gelingt Oesterheld eine spannende, fesselnde und dramatische Sci-Fi-Geschichte. Der Zeichenstil lenkt jedoch manchmal aufgrund seiner visuellen Prominenz etwas von der Handlung ab. Vor allem aber ist die Graphic Novel politisch relevant, nicht nur für Argentinien!

Fazit: Bei „Eternauta 1969“ kommen gleich mehrere positive Aspekte zusammen: hohe Relevanz, ein hoher künstlerische Anspruch und eine faszinierende Darstellung sowie eine herausragende Handlung! Beiden Erschaffern dieses Werks, Oesterheld und Breccia, kommt gleichermaßen hohe Bedeutung für inhaltliche und visuelle Präsentation zu. Es handelt sich nicht um Comic-Standardkost, sondern einen ganz besonderen Genuss! Wer Alberto Breccia bereits kennt, wird wissen, was er*sie davon hat. Ich kann darüber hinaus auch das Werk allen empfehlen, denen Gesellschafts- und Systemkritik nicht fremd ist!

Eternauta 1969
Graphic Novel
Héctor Germán Oesterheld, Alberto Breccia
Avant-Verlag 2017
ISBN: 978-3-945034-69-9
64 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 22,00

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