Eis und Dampf – Kreuzkönig

Nachdem im Jahr 2013 der Roman „Die zerbrochene Puppe“ aus der Feder von Judith und Christian Vogt mit dem Deutschen Phantastik Preis veredelt wurde, hat sich einiges getan. Es folgten eine Anthologie, die die Geschehnisse in der eisigen Welt weiter vertiefte, sowie ein eigenes Rollenspielsetting für „FATE“. Mit „Kreuzkönig“ liegt nun die erste Abenteueranthologie vor.

von André Frenzer

„FATE“ krankt ja manchmal ein wenig an der Langlebigkeit der jeweiligen Settings. Während die Settingbände oft mit viel Liebe zum Detail Regeln und Hintergründe einführen, sieht der Langzeitsupport für die meisten dieser Spielwelten eher kläglich aus. Das ist sicherlich Teil des Konzeptes – bei manch einer Welt hätte ich mir jedoch ein tieferes Eintauchen in die Materie gewünscht. So auch bei „Eis und Dampf“ – und hier lässt der Uhrwerk-Verlag dann dem Wunsch auch Taten folgen, denn „Kreuzkönig“ stellt zwei Abenteuer in dieser besonderen Version unserer Welt vor.

Das erste Abenteuer, „Volles Haus und Rotes Quecksilber“ bedient eine interessante Prämisse. Vor dem Hintergrund eines exklusiven Kartenturniers erhalten die Charaktere nicht nur die Gelegenheit, einen nicht unerklecklichen Reichtum in Form von extrem seltenen Rotem Quecksilber in die Hände zu bekommen. Nein, sie müssen auch noch versuchen, eine finstere Intrige aufzudecken und eine Revolution zu verhindern. Das ganze spielt vor der Kulisse einer russischen Minenstadt, inmitten der eisigsten Einöde; intrigante Mitspieler, verzweifelte Bergarbeiter, absolut skrupellose Strippenzieher im Hintergrund und große Gefühle treffen in einer absolut gelungenen Melange aus Action, Detektivarbeit, gesellschaftlichen Herausforderungen und Kartenspiel aufeinander. „Volles Haus und Rotes Quecksilber“ ist ein sehr gelungenes Abenteuer.

„Der letzte Habsburger“, das zweite Abenteuer im Band, stellt ersteres jedoch deutlich in den Schatten. Von der Länge handelt es sich eher um eine kurze Kampagne und es bietet sich an, die enthaltenen Szenen auf mehrere Spielabende zu verteilen. Es spielt geschickt mit Motiven von Romanen wie Dan Browns „Illuminati“ und vermischt sie mit einer gehörigen Prise „Indiana Jones“. Die Charaktere werden im osmanisch besetzten Österreich zu einer Testamentseröffnung geladen, während deren sie Zeuge eines blutigen Anschlages christlicher Nationalisten werden. Die folgenden Rätsel, Hinweise und Ereignisse führen die Charaktere auf den Spuren einer uralten Sekte quer durch Österreich, wo sie schließlich auf ein besser ungelüftet gebliebenes Geheimnis treffen. „Der letzte Habsburger“ ist in mehrere Akte unterteilt. Die einzelnen Szenarien unterscheiden sich angenehm in ihrer Anlage und in der Form der zu erwartenden Gegenspieler, sind jedoch allesamt reichlich pulpig und ziehen viele der typischen Pulp-Register. Wer auf der Suche nach einer durchdachten Pulp-Kampagne ist, sollte hier unbedingt einen Blick riskieren.

Der Aufbau beider Abenteuer ist – wie es sich für „FATE“ gehört – angenehm frei. Die Spieler haben reichlich Einflussmöglichkeiten und durch den modularen Aufbau, der sich sowohl in den Szenenbeschreibungen als auch bei den vorgestellten Nichtspielercharakteren wiederfindet, sollte jeder Spielleiter in der Lage sein, flexibel auf die Handlungen seiner Spieler zu reagieren. Als eher klassisch orientierter Spielleiter hätte ich mir fast schon die eine oder andere Leitplanke mehr gewünscht, doch auch so sind die Szenarien – aller Kürze zum Trotz – ein Quell der Inspiration und versprechen spannende Abende.

Die optische Aufbereitung ist unspektakulär, aber sehr übersichtlich gelungen. Der A5-formatige Softcoverband ist komplett in Schwarz-Weiß gehalten. Spielwerte und besondere Hinweise sind in grauen Textkästen gesondert abgesetzt. Die Schrift ist angenehm groß und gut lesbar, die Illustrationen zwar uneinheitlich aber passend gewählt.

Fazit: „Kreuzkönig“ bietet Luftschiffkämpfe, Explosionen, Verfolgungsjagden, Recherchen und finstere Gegenspieler in Mengen. Damit ist der Band für „Eis und Dampf“-Fans auf jeden Fall eine lohnenswerte Anschaffung. Aber auch Spieler anderer viktorianisch angehauchter Steampunk-Spiele, die vor einer gehörigen Prise Pulp in ihren Abenteuern nicht zurückschrecken, dürfen hier nahezu bedenkenlos zugreifen.

Kreuzkönig
Abenteuerband
Jörg Hagenberg, Hannah Möllmann, C. Vogt, J. Vogt
Uhrwerk Verlag 2017
ISBN: 978-3958671218
116 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 17,95

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